Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 853 St. Michaelis 1617

Beschreibung

Grabplatte des Priors Johann Wilken von Weihe. Stein. Der hochrechteckige Stein ist in der Wand des südlichen Seitenschiffs im zweiten Joch von Osten eingemauert. In den Ecken vier Vollwappen, im Mittelfeld ein von zwei Putten gehaltenes Medaillon mit einem großen Vollwappen im Relief. Darüber eine Rollwerktafel mit der Inschrift A, darunter eine Rollwerktafel mit der Inschrift B. Beide Tafeln mit einem Engelskopf und Stoffdraperien, die obere ist seitlich von Säulen eingefasst, darauf links ein Totenkopf, rechts eine Sonne. Die Inschriften beider Tafeln sind teilweise nur noch schemenhaft zu erkennen. Zu beiden Seiten des Wappenmedaillons in der Mitte die auf zwei Schriftleisten verteilte Inschrift C, die Angabe der Bibelstelle D zu Füßen der Putti vom Betrachter aus auf dem Kopf stehend. Um den Rand der Platte verläuft die Inschrift E.1) Die Inschrift D eingehauen, alle anderen Inschriften erhaben gehauen.

Inschriften ergänzt nach Gebhardi.

Maße: H.: 229 cm; B.: 143 cm; Bu.: 3,7 cm (A, Kapitalis), 3,5 cm (A, Fraktur), 4 cm (B, Kapitalis und Fraktur), 5 u. 4,5 cm (C), 5 cm (D), 7 cm (E).

Schriftart(en): Fraktur und Kapitalis (A, B), Kapitalis (C–E).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. A

    SYMBOLUM DEFUN[CTI] / M G [N G W] / Mein Gluck [nac]h Gottes Willen /SORTES OPTO MEAS DOMINI / REGAT AL[MA] VOLUN[T]AS

  2. B

    ULTIMUMa) DEFNNCTIb) DICTUM / Herre Du kennest mein hertze Richte / Du meine sache nach deinem Willen /COGNITA SENSA MEI TIBI SUNT DEUS / INTIMA CORDIS /ERGO [T]UO ARBIT[RIO RES REGE QUESO MEAS]

  3. C

    ECCE VICIT LEO // DE TRIBU IUDA1)

  4. D

    APO: // · V ·

  5. E

    REVEREND(US) NOBILISSIMUSQ(UE) VIR / DOMIN(US) IOANNES WILKIN(US) A WEIHE NAT(US) A(NN)O : M · D · L · XIIII / DIEc) CUM PRIOR FUISSET ANNIS / XI. PRAFECT(US)d) ANNIS XXXI PIE OBIIT XXIII FEBR(UARII) A(NN)O MDCXVII

Übersetzung:

Die Devise des Verstorbenen: ... Ich wünsche, dass der segenspendende Wille des Herrn meine Geschicke lenkt. (A) Der letzte Ausspruch des Verstorbenen: ... Die geheimsten Gedanken meines Herzens sind dir, Gott, bekannt. Also bitte ich: lenke mein Geschick nach deinem Willen. (B) Siehe, der Löwe vom Stamm Juda hat gesiegt. (C) Der ehrwürdige und hochedle Mann, Herr Johann Wilken von Weihe, geboren im Jahr 1564 am Tag ..., starb, nachdem er 11 Jahre Prior und 31 Jahre Präfekt gewesen war, fromm am 23. Februar im Jahr 1617. (E)

Versmaß: Ein Hexameter (A), ein elegisches Distichon (B).

Wappen:
Weihe2)
Alten3)Frese4)
Staffhorst5)Liht6)

Kommentar

Die Grabplatte zeichnet sich durch ihre hohe bildhauerische Qualität aus, die auch in der Buchstabengestaltung Ausdruck findet. Die umlaufende Inschrift E ist in einer hohen schlanken Kapitalis ausgeführt, deren Buchstaben leicht linksgeneigt sind. Anschwünge bei A und M, A mit senkrechter rechter Haste, die V gegengleich gestaltet mit senkrechter linker Haste und nach oben ausschwingender rechter Haste, M mit sehr kurzem Mittelteil, die Mittelbalken von E und F zu einem kurzen Keil reduziert, die C unten leicht eingerollt. Dieselben Merkmale weist auch die Kapitalis der Inschrift C sowie der stark zerstörten Inschriften A und B auf. Die für die deutschen Textteile in den Inschriften A und B verwendete Fraktur besteht aus schmalen hohen Buchstaben, die Minuskeln sind mit Frakturversalien kombiniert. Auch die Kurzform der Devise M G N G W ist nach voraufgegangener Kapitalis in Frakturversalien ausgeführt, was die exakte Verteilung der Schriften Kapitalis auf die lateinischen Textteile und Fraktur auf die deutschen Textteile anschaulich belegt.

Johann Wilken von Weihe war der Sohn des Anton von Weihe und der Elisabeth von Staffhorst und der Zwillingsbruder der Anna von Weihe (vgl. Nr. 817). Wann er als Novize in das Kloster St. Michaelis eintrat, ist nicht bekannt. Im August 1583 immatrikulierte sich Johann Wilken von Weihe an der Universität Wittenberg.7) Nach dem Tod des Caspar von Ilten im Jahr 1584 (vgl. Nr. 556) übernahm er – laut seiner Grabinschrift im Alter von nur zwanzig Jahren – das Amt des Präfekten oder Ausreiters des Klosters, der mit der Verwaltung der auswärtigen Klostergüter befasst war. Im Jahr 1607 wurde er zum Prior gewählt.8)

Textkritischer Apparat

  1. ULTIMI bei Gebhardi.
  2. Irrtümlich anstelle von DEFUNCTI.
  3. Hinter DIE eine nicht ausgehauene, aber sehr schmale Stelle, die nicht für die Angabe von Tag und Monat ausgereicht hätte.
  4. Irrtümlich anstelle von PRAEFECT(US).

Anmerkungen

  1. Apc. 5,5.
  2. Wappen Weihe (drei Schrägbalken, darüber wachsender Löwe). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 18 u. Tafel 19 (Weyhe I).
  3. Wappen Alten (schräger gestümmelter Baumstamm). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 2 u. Tafel 1.
  4. Wappen Frese (Helm mit drei Straußenfedern). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 56 u. Tafel 131.
  5. Wappen Staffhorst (Balken mit drei Kleeblättern belegt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 21 u. Tafel 23.
  6. Wappen Lith (Kranich in der rechten Kralle einen Stein haltend). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 242 u. Tafel 292.
  7. Matrikel Wittenberg, Bd. 2, S. 315a,9.
  8. Gebhardi, Nachricht, S. 26f.

Nachweise

  1. Gebhardi, Collectanea, Bd. 15, p. 517f.
  2. Gebhardi, Nachricht, S. 27.
  3. Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 331 (A, D).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 853 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0085300.