Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 100: Stadt Lüneburg (2017)
Nr. 822 St. Michaelis 1611?
Beschreibung
Grabplatte des Johann von Harling. Stein, ehemals farbig gefasst.1) Der hochrechteckige Stein, der teilweise durch Verwitterung beschädigt ist, ist im zweiten Joch von Osten im südlichen Seitenschiff aufgestellt. Er zeigt in einer oben durch einen Rundbogen abgeschlossenen Nische die etwas gedrungene Gestalt des Verstorbenen im Relief mit zum Gebet gefalteten Händen. Oben in den Zwickeln des Bogens über mit Engelsköpfen besetzten Konsolen zwei Vollwappen, zwei weitere Wappen in den unteren Ecken. Um den Stein verläuft die erhaben gehauene Inschrift A in vertiefter Zeile, zum Innenfeld hin an der linken Seite die Inschrift B, rechts die Inschrift C, ebenfalls erhaben in vertiefter Zeile.
Die Inschriften ergänzt nach der Zeichnung bei Gebhardi.
Maße: H.: 198 cm; B.: 119 cm; Bu.: 5 cm (A), 3,3 cm (B, C).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
AN(N)O 1604 DIE 19 OCTO(BRIS) OBIIT / REVEREND(VS) ET NOBILIS D(OMI)N(VS) IOANNES AB HARLING COE/NOBII HVIVS SENIOR [ET CEL]/LARI(VS) CVI FRATRES HENRIC(VS) ET CHRISTIAN(VS) HOC MONVME(N)TV(M) P(OSVERVNT)
- B
DOMIN(VS) ADIVTOR ET REDEMPTOR MEVS2)
- C
GOT MEIN HELFFER [VNDT E]RRETTER3)
Übersetzung:
Im Jahr 1604 am 19. Tag des Oktober starb der ehrwürdige und angesehene Herr Johann von Harling, Senior und Cellerar dieses Klosters, dem seine Brüder Heinrich und Christian dieses Denkmal errichtet haben. (A) Gott ist mein Helfer und Erretter. (B)
Harling4) | Haverber5) |
Bothmer6) | Landsberg7) |
Anmerkungen
- Nach Gebhardi, Collectanea, Bd. 6, p. 449, waren der Grund des Steins und der Inschriften himmelblau, die Kleidung des Verstorbenen in Schwarz gefasst.
- Ps. 39,18 u. 69,6 (Vulgata), Übertragung des Luthertextes (Inschrift C) ins Lateinische.
- Nach Ps. 40,18 und 70,6.
- Wappen Harling (zwei abgewendete Hahnenköpfe). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 9.
- Wappen Haverber (zwei abgewendete Löwen?pranken). Nach Gebhardi, Collectanea, Bd. 15, p. 548, war Henning von Haverber der Großvater mütterlicherseits. Nach Gebhardi wären die Großmütter Metta von Landsberg (väterlicherseits) und Catharina von Bothmer (mütterlicherseits) hier in der Anordnung vertauscht worden.
- Wappen Bothmer (Boot). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 4 u. Tafel 4.
- Wappeninhalt zerstört: ehemals Wappen Landsberg (geteilt, oben Fuchs, unten schräges Gitter). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 78; Bd. 2, Tafel 190.
- Zu seiner Biographie vgl. Gebhardi, Collectanea, Bd. 15, p. 545–548.
- Matrikel Wittenberg, Bd. 2, S. 6b,21.
- StA St. Mich. 35, fol. 14v–15v. Vermutlich wurde das Memorialbuch von dem Nachfolger des Johann von Harling im Amt des Cellerars Johann von Klencke geführt.
- Ebd., fol. 73r.
Nachweise
- Gebhardi, Collectanea, Bd. 6, p. 449 (Zeichnung).
- Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 168 (B und C nach Gebhardis Zeichnung).
- Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 52.
Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 822 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0082201.
Kommentar
Johann von Harling war der Sohn des Anton von Harling und der Anna von Haverber. Laut Gebhardi ist er seit 1548 als Novize im Michaeliskloster nachweisbar.8) Im Juli 1560 immatrikulierte er sich an der Universität Wittenberg.9) Im Jahr 1579 übernahm er das Amt des Cellerars im Michaeliskloster, 1584 das des Seniors. Nach Gebhardi waren der Name und das Wappen Johann von Harlings an verschiedenen Stellen des Klosterkomplexes zu sehen: auf dem Wappenfries am Pforthaus (vgl. Nr. 531), in dem 1585 neu errichteten Haus der Klosterherren unter einem Ofen in einer Stube, an einer Empore in der Kirche aus dem Jahr 1595 und an der Kanzel von 1602. Abgesehen von dem Wappenfries am Pforthaus sind diese Inschriften nicht überliefert.
Um die Legung der Grabplatte gab es im Herbst 1606 im Konvent von St. Michaelis Diskussionen, da Christian von Harling den Stein bereits hatte hauen lassen, ohne zuvor anzufragen, ob er ihn in die Kirche über dem Begräbnis seines Bruders setzen dürfte. Da auch im Falle anderer um das Kloster verdienten Personen zuvor die Legung von Grabplatten in der Kirche verweigert worden war, sah zumindest der ungenannte Kapitular, der das Memorialbuch verfasste, wenig Grund, in diesem Fall eine Genehmigung zu erteilen.10) 1611 kam die Angelegenheit erneut zur Sprache, da durch die Entfernung von Kirchengestühl Platz gewesen wäre, den Stein nahe der Mauer zu legen, wo er niemanden gestört hatte. Allerdings wollte sich der Konventuale Dietrich von Honstedt, der auf Anweisung des Priors befragt werden musste, nur dann darauf einlassen, wenn er selbst auch die Genehmigung für die Legung einer Grabplatte für sich erhielte, was allgemein nicht gebreuchlich sei.11) Wann die Grabplatte dann endlich doch in der Kirche gesetzt werden konnte, ist nicht überliefert. Der Vorgang zeigt, dass es im Kloster St Michaelis durchaus nicht üblich war, allen Mitgliedern des Konvents die Legung von Grabplatten über ihren Begräbnissen in der Kirche zu gestatten.