Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 810† St. Johannis, Friedhof vor 1610

Beschreibung

Epitaph des Zacharias Sithmann und seiner Ehefrau Anna Wobben. Nach Rikemann befand sich das Epitaph außen an der Kirche vor der Tür, durch die die Schüler einzogen. Das Epitaph ließ das Ehepaar offenbar zu Lebzeiten errichten, ergänzt wurde zunächst in der Inschrift C nur das Todesjahr des Ehemanns, es ist aber nicht auszuschließen, dass beide Inschriften später noch vervollständigt wurden, da die Aufzeichnungen Rikemanns kurz nach 1610 enden.

Inschriften nach Rikemann.

  1. A

    Iob XIX1)Novi quod supera vivit meus arce RedemptorQui facita) ne me Mortab) perennis aretHac quamvis gelida corpus putrescat in urnaClarius extrema luce resurget humoQuaque exutus eram cute rursum indutus amictumIn propria laetus carne videbo DeumIpse videbo Deum mihi non alienus ab ipsoSalvificat gratis haec sua quenque fides

  2. B

    LectoriNe frustra tectae lustraveris ostia tumbaeFer monitus vitae praemia iusta viaeEffice versando notam tibi pectore morte(m)Ut cum fata velint obvius ire queasNemo sibi fixam poterit transcendere metamCum minime credit primus et imus obitMors mala perpes alit Damnum bona nobile lucrumIn Christo vitam qui bene finit init

  3. C

    Anno Christi MDC<X> Die < ... > pie obdormivit Zacharias Zithmann civis primarius aetatis < .. >

  4. D

    Anno MDC< ... > Die < ... > in Domino expiravit Anna Wobben uxor aetatis < .. >

Übersetzung:

Ich weiß, dass mein Erlöser in der Himmelsburg lebt, der bewirkt, dass mich nicht die ewige Morta (Schicksalsgöttin des Todes)b) quält. Wenn auch der Körper in diesem kalten Grab vermodert, steht er doch strahlender am Jüngsten Tag aus der Erde wieder auf. Und in dieser Haut, von der ich entblößt war, werde ich, nachdem ich das Gewand wieder angelegt habe, in meinem eigenen Fleisch fröhlich Gott sehen. Ich selbst werde Gott sehen und ihm nicht fremd sein. Jeden rettet dieser sein Glaube ohne eigenes Verdienst. (A) An den Leser: Betrachte nicht umsonst den Eingang des bedeckten Grabes, nimm die Ermahnungen als gerechte Belohnung für den Lebensweg. Bewirke, indem du den dir bekannten Tod im Herzen bewegst, dass du, wenn es das Schicksal will, ihm entgegengehen kannst. Niemand wird das für ihn festgesetzte Ende überschreiten können. Wenn er überhaupt nicht glaubt, stirbt er als erster und niedrigster. Ein böser Tod nährt die ewige Verdammnis, ein guter Tod nährt edlen Gewinn. Wer das Leben gut in Christus beendet, tritt ins Leben ein. (B) Im Jahr Christi 1610 am Tag ... ist Zacharias Sithmann fromm entschlafen, ein angesehener Bürger, im Alter von ... . (C) Im Jahr 16.. am Tag ... ist seine Ehefrau Anna Wobben im Herrn gestorben, im Alter von ... . (D)

Versmaß: Elegische Distichen (A, B).

Kommentar

Zu dem Ratsherrn Zacharias Sithmann vgl. Nr. 821 u. 828. Bemerkenswert ist, dass sich Sithmann, der weder aus einer der alten Lüneburger Familien stammte noch in eine Ratsfamilie eingeheiratet hatte, in dem Sterbevermerk auf dem zu Lebzeiten gesetzten Epitaph als civis primarius und nicht als consul bezeichnet. Das könnte darauf hinweisen, dass das Epitaph bereits vor 1606, dem Jahr seiner Wahl zum Ratsherrn, gesetzt wurde.

Der aus Hakenberg in Brandenburg stammende Zacharias Sithmann erwarb im Jahr 1596 die Lüneburger Bürgerschaft.2) Im Jahr 1606 wurde er in den Rat gewählt,3) in den Jahren 1609/10 ist er als Ältermann der Glaser, Maler und Schnittger verzeichnet.4) Am 5. September 1596 heiratete er Anna Wobben.5) Diese ist in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts noch archivalisch nachweisbar.6) Zwei Begräbnisplätze in der Kirche für sich und seine Ehefrau erwarb Zacharias Sithmann kurz vor seinem Tod am 10. Oktober 1610 und bezahlte dafür 60 Mark an die Kirchenkasse.7)

Textkritischer Apparat

  1. facit prosodisch fehlerhaft, möglicherweise faciet.
  2. Morta lateinische Entsprechung zu der griechischen Schicksalsgöttin Moira, die den Todestag prophezeit. Vgl. Der neue Pauly, hg. v. Hubert Cancik u. Helmuth Schneider. Bd. 8, Stuttgart/Weimar 2000, Sp. 401f. Ob diese seltene Vokabel an der vorliegenden Stelle richtig überliefert ist, ist fraglich. Möglicherweise stand in der Inschrift multa (‚Strafe‘).

Anmerkungen

  1. Die folgenden Verse inhaltlich angelehnt an Iob 19,25.
  2. StA Lüneburg, AB 2 (Donat), p. 170.
  3. StA Lüneburg, AB 44 (Album Curiae), fol. 181v.
  4. StA Lüneburg, AB 19 (Registrum quintum), fol. 39v (1609).
  5. KBA Lüneburg, Kirchenbuch St. Johannis 1, fol. 44v.
  6. StA Lüneburg, AA P8a Nr. 920 u. 929.
  7. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,5, fol. 204r.

Nachweise

  1. Rikemann, Libellus, fol. 19v/20r.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 810† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0081008.