Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 799 Rathaus 1607

Beschreibung

Gemälde. Öl auf Holz. An den Wänden der offenen Halle des Niedergerichts an der Nordostecke der Marktfassade Holzbänke und darüber hölzerne Wandverkleidungen. Im südlichen Schildbogen in einem oben bogenförmig abgeschlossenen Feld die Darstellung des Jüngsten Gerichts, darunter in zwei Spalten die Inschrift A1, auf dem Rahmen des Gemäldes die im Bogen verlaufende Inschrift A2. Im linken westlichen Schildbogen in einem entsprechenden Feld Daniel, der über Susanna richtet, beide durch die Tituli B1 bezeichnet. Unter der Darstellung in zwei Spalten die Inschrift B2, auf dem Rahmen im Bogen die Inschrift B3. Im rechten westlichen Schildbogen zwischen zwei Pilastern eine oben an Scharnieren befestigte Klappe, darauf gemalt das von zwei Löwen gehaltene Wappen der Stadt Lüneburg und oben rechts und links die Inschrift C1. Seitlich der Pilaster zwei Tugenden, der Titulus der linken Figur zerstört, die rechte Figur mit dem Titulus C2. Hinter der Klappe auf der Rückwand ein oben durch einen Bogen abgeschlossenes Gemälde des Salomonischen Urteils, darunter in zwei Spalten die Inschrift C3, auf dem Rahmen im Bogen die zweizeilige Inschrift C4, auf der Innenseite der Klappe eine Darstellung der Dreifaltigkeit.

Maße: H.: 152 cm; B.: 317 cm (A). H.: 137 cm; B.: 271 cm (B); H.: 144 cm; B.: 166 cm (C); H.: 127 cm; B.: 165 cm (Klappe). Bu.: 3,3 cm (A1, B2, C3), 3,9 cm (A2, B3), 1,5 cm (B1), 5,2 cm (C1), 5,5 cm (C2), 2,9 cm (C4).

Schriftart(en): Fraktur (A1, B2, C3), Kapitalis (A2, B1, B3, C1, C2, C4).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. A1

    Der grosse Godt Hadt ewigleich /Sein stul bereidt im Himmelreich //Er wirdt recht Richten Jederman /Wie ers hir mag vordeinet Han.

  2. A2

    DOMINVS IN AETERNVM PERMANET PARAVIT IN IVDICIO THRONVM SVVM ET IPSE IVDICABIT ORBEM TERRAE IN AEQVITATE POPVLOS IN IVSTITIA PSAL 9.1)

  3. B1

    DANIEL // SVSANNA

  4. B2

    Ein Richter Sey der armen Schutß /Schaff Gleich Vndt Recht nicht egennutß //Die Warheidt auch erfrosch mit Fleiss /So wirdt ehr haben Rhumb vnd preis.

  5. B3

    IVDEX DEBET ESSE PATER PAVPERVM ET CAVSAM QVAM NESCIT DILIGENTISSIME INVESTIGARE · IOB 29 ·2)

  6. C1

    ANNO // 1607

  7. C2

    JVSTITIA

  8. C3

    Ein richter soll englisch gesinnet sein /Von menslichen bewegung rein //Die sachen ehr auch hören soll /Zwischn boes vnd gudt erken(n)en woll.

  9. C4

    SINT IVDICES SICVT ANGELVS DOMINI VT SINE AFFECTV HVMANO / AVDIANT, ET IVDICENT BONVM A MALO · I SAM : 14 ·3)

Übersetzung:

Der Herr bleibt in Ewigkeit, er hat seinen Thron im Gericht bereitet und wird selbst den Erdkreis in Gleichheit richten (und) die Völker in Gerechtigkeit. (A2) Ein Richter muss der Vater der Bedürftigen sein und eine Angelegenheit, die ihm nicht bekannt ist, auf das Sorgfältigste erforschen. (B3) Die Richter sollen wie der Engel des Herrn sein, damit sie ohne menschliche Leidenschaft hören und das Gute vom Bösen unterscheiden. (C4)

Versmaß: Deutscher Reimvers (A1, B2, C3).

Kommentar

Die offene Halle des nördlichen Seitenbaus diente als öffentliche Gerichtsstätte und wurde im Jahr 1607 von Daniel Frese mit der noch heute erhaltenen Ausstattung versehen. Dies belegt die Kämmereirechnung des Jahres 1607, in der verzeichnet ist, welche ausstehenden Arbeiten Daniel Frese noch zu erledigen hatte. Dazu gehörte neben der Anfertigung von elf Fürstenbildern und der Türbemalung für den hier als Dantz-Sal bezeichneten Fürstensaal Den auch an dem Richthauße die Newen steinern Bilder mit der vorgulden Scriptur vmbt Richthauß herumb (vgl. Nr. 796), auch inwendig das Gewelbe, die Pÿler vnd Captelen, mit newen darin kommende Schrankwerk vnd Pannelwerk, sowoll auch die Gemelte in die Bögen, darin das Extremum Iudicium, auch Iudicium Salomonis et Danielis alle Oliefarbe aufs zirlicheste zu fertigen vnd zu machende. Dafür sollte Daniel Frese 590 Taler und 12 Groschen erhalten.4)

Die Inschriften unterscheiden sich von den Inschriften auf den Gemälden Freses in der Großen Ratsstube dadurch, dass hier Bibelzitate in lateinischer Sprache und sinnentsprechende deutsche Reimverse, die den Charakter von Merkversen haben, miteinander verbunden sind, während auf den Gemälden der Ratsstube durchgängig deutsche Bibelzitate neben lateinischen Tituli stehen. Während die Text-/Bildprogramme an den beiden Fassaden des Richthauses die Rechtsprechung und ihre Entwicklung thematisieren, steht im Inneren an den Wänden des Niedergerichts die Person des Richters im Mittelpunkt der Darstellungen und Inschriften.

Anmerkungen

  1. Ps. 9,8f.
  2. Nach Iob 29,16.
  3. Die Angabe der Bibelstelle in der Inschrift ist falsch. Nach 2. Sm. 14,17. Die Inschrift ist hier näher am Text der Lutherbibel 1545 (Denn mein Herr der könig ist / wie ein Engel Gottes / das er gutes und böses hören kann) als am Text der Vulgata (sicut enim angelus Dei sic est dominus meus rex ut nec benedictione nec maledictione moveatur).
  4. StA Lüneburg, AB 56/7, fol. 323r/v.

Nachweise

  1. Büttner, Inscriptiones (A1, A2, B2, B3, C1, C3).
  2. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 180 (A1, B2, C1).
  3. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 259 (C1).
  4. Reinecke, Rathaus, S. 42f.
  5. Ganzert, Niedergericht, S. 182–188 mit Abb. 25–29.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 799 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0079904.