Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 786 St. Johannis 1607

Beschreibung

Glocke, ‚Probeglocke‘. Auf den Kronenöhren je ein Frauenkopf über einer Frucht. Um die Schulter der Glocke verläuft zwischen Stegen eine zweizeilige, erhaben gegossene Inschrift, darüber ein Palmettenfries, darunter ein Ornamentfries aus verschlungenen Zweigen.

Maße: H.: 131 cm (mit Kronenöhren), 114 cm (ohne Kronenöhre); Dm.: 135,5 cm; Bu.: 3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. · S(OLI) D(EO) G(LORIA)QVANDO MEVS VESTRAS CLANGOR PENETRAVERIT AVRES . FVNDITE TVNC SVMMO VOTA PRECESQVE DEO +DIE PROBE KLOCK WERD ICH GENANDT. /WEGEN MEINES KLANGES WOL BEKANDT. PAWL VOS EIN MEISTER IVNCK VND GVDT. IHM HERBST MICH GOS. MIDT FRISCHEM MVDT. ANNO CHRISTI 1607.

Übersetzung:

Gott allein die Ehre! Wenn mein Klang eure Ohren durchdringt, dann bringt eure Bitten und Gebete vor den höchsten Gott.

Versmaß: Elegisches Distichon und deutscher Reimvers.

Kommentar

Zu dem Glockengießer Paul Voß vgl. Nr. 734. Der ungewöhnliche, inschriftlich dokumentierte Name der Glocke wird darauf zurückgeführt, dass Paul Voß die Glocke laut Reinbeck sozusagen ‚zur Probe‘ goss und der Rat zunächst 150 Mark einbehielt, die dem Gießer erst nach Jar und Dag ausbezahlt wurden, als sich deren Funktionstüchtigkeit herausgestellt hatte.1) Dies kann allerdings schon deshalb nicht zutreffen, weil die gesprungene Vorgängerglocke, die im August 1607 vom Turm herabgeholt wurde, auch bereits den Namen ‚Probeglocke‘ trug.2) Reinbeck überliefert, dass die Vorgängerglocke Pfingsten 1606 gesprungen sei.3) Der Neuguss fand der Kirchenrechnung von St. Johannis zufolge, die sämtliche Kosten detailliert aufführt, außerhalb der Stadt bei der Hasenburg statt, und die neue Glocke wurde am 12. Oktober von der Hasenburg in die Stadt gebracht. Nach diversen Vorbereitungen wurde die Glocke am 24. Oktober im Turm aufgehängt, der Glockengießer Paul Voß erhielt am 14. Dezember 1607 vertraglich vereinbarte 200 Mark als Entlohnung und am 25. Januar 1608 noch einmal 50 Mark.4)

Anmerkungen

  1. Reinbeck, Chronik, p. 873. Die Inschrift ist bei Reinbeck nur in Form einer Inhaltsangabe zitiert. Vgl. a. Wiesenfeldt, Glockengeschichte, S. 67f.
  2. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,5, fol. 129r. Dort ist eine Ausgabe von 6 Mark für das Herabholen der Probeglocken vom Turm verzeichnet, mit dem acht Personen zwei Tage lang beschäftigt waren.
  3. Reinbeck, Chronik, p. 873.
  4. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,5, fol. 129r–134v.

Nachweise

  1. Dithmers, Chronik, p. 321.
  2. Michelsen, Cronica, p. 265.
  3. Bellmann, Chronica, p. 261.
  4. Wrede, Glocken, S. 12, Nr. 6.
  5. Wiesenfeldt, Glockengeschichte, S. 67.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 786 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0078609.