Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 774† St. Nicolai 1605

Beschreibung

Epitaph des Johannes Chustrovius/Güstrow.

Inschriften nach Rikemann.

  1. A

    Epitaphium Johannis Chustrovÿ Musici et Aeditui ad D(ivum) Nicolaum Lunaeburgi

  2. B

    Dormit in hac viridi Janus Chustrovius urnaSincerae semper relligionis amannsa)Vir fuit antiqua praestans virtute fidequeTempli huius custos Musicus Eximius5Unde figurali cantu simul atque choraliDigne exornabat relligionis opusMortifera Hamburgi natus cum peste periretSpesque suo patrem falleret augurioAttulit hic luctus menti immedicabile vulnus10Linqueret ut subito corporis exuviasTemporis exigui spatio moestissima coniunxExistens viduo turture flebiliorDilectum sequitur Gnatum charumque maritumIamque habitant una sedibus aethereis15Corpora terrenis data vermibus esca quiescuntA culpa et cunctis libera facta malisDonec in Adventu Domini de marmore tumbaSurgant Angelicis vivificata tubisSpiritibusque unita suis in secula vivant20Laudibus aeternum concelebrentque Deum

  3. C

    M(agister) Hiobus Gigas senior f(ecit) Aetatis suae 74 Anno 1605

  4. D

    Chustrovius obÿt die 18 Octob(ris) hora 5 matutina aetatis 53 officÿ 27 sepultus in aede D(ivi) Nicolai ad gradus chori septentrionalis

Übersetzung:

Epitaph des Johannes Chustrovius, des Kantors und Küsters an St. Nicolai in Lüneburg. (A) In diesem frischen Grab schläft Johannes Chustrovius, der den wahren Glauben immer geliebt hat. Er war ein durch althergebrachte Tugend und Treue herausragender Mann, Wächter dieser Kirche und hervorragender Musiker, so dass er den Gottesdienst würdig [5] mit Figural- und mit Choralgesang bereicherte. Als der Sohn durch die todbringende Pest in Hamburg starb und die Hoffnung den Vater in seiner Erwartung täuschte, fügte diese Trauer der Seele eine unheilbare Wunde zu, [10] so dass er plötzlich die sterbliche Hülle des Körpers verließ. Nach kurzer Zeit folgte die hochbetrübte Gattin, die mehr klagte als eine verwitwete Turteltaube, dem geliebten Kind und dem teuren Gatten nach, und schon bewohnen sie zusammen die himmlischen Gefilde. [15] Die Körper ruhen den Würmern in der Erde zur Speise dargeboten, befreit von Schuld und allen Übeln, solange bis sie wiederbelebt bei der Ankunft des Herrn aus dem marmornen Grab auferstehen durch die Trompetensignale der Engel und mit ihren Seelen vereint in Ewigkeit leben [20] und mit Lobgesängen den ewigen Gott preisen. (B) Magister Hiob Gigas der Ältere hat (dies) gedichtet im 74. Lebensjahr/im Alter von 74 (Jahren) im Jahr 1605. (C) Chustrovius starb am 18. Tag des Oktober in der fünften Morgenstunde im 53. Lebensjahr/im Alter von 53 (Jahren), im 27. Amtsjahr. Er wurde in der Kirche St. Nicolai bei den Stufen des nördlichen Chors begraben. (D)

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Kommentar

Über Johannes Chustrovius gibt – abgesehen von dem ausführlichen Grabgedicht des Hiob Gigas (zu Gigas vgl. Nr. 836 u. 837) – auch ein Dedikationsschreiben an den Lüneburger Rat Auskunft, mit dem Chustrovius diesem etzliche Cantiones mitt vier, funff, sechs, sieben und mehr stimmen, die er komponiert hatte und die er 1589 hatte drucken lassen, überreichte.1) Danach stand Chustrovius im Oktober 1589 bereits seit zwölf Jahren im Dienst an St. Nicolai, was in etwa mit der Angabe in der Inschrift C übereinstimmt. Die Drucklegung seiner Kompositionen begründete er damit, dass man von solchen cantionibus etzliche, die der christlichen Kirchen am dienlichsten, vnd sunst von anderen Musicis nicht viel gemacht, vnd man auch, was Insonderheit den Choral anlanget, Itzo deren nicht viel bekommen kann. Ein Johannes Chustrovius aus Lüneburg immatrikulierte sich im April 1599 an der Universität Rostock. Dabei dürfte es sich um den Sohn des Musikers gehandelt haben, möglicherweise um den in der Inschrift erwähnten, in Hamburg verstorbenen Sohn.2)

Textkritischer Apparat

  1. So bei Rikemann.

Anmerkungen

  1. StA Lüneburg, AA E1 Nr. 95a. Vgl. a. Deutsches Musikgeschichtliches Archiv Kassel, Katalogheft 1, Kassel/Basel 1955, S. 5.
  2. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 263.

Nachweise

  1. Rikemann, Libellus, fol. 56r/v.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 774† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0077406.