Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 758 St. Johannis um 1603

Beschreibung

Gemälde mit der Darstellung Christi als Lebensborn. Öl auf Leinwand. Das Gemälde hängt auf der Rückseite des Hochaltars; der ursprüngliche Standort ist nicht bekannt. Das figurenreiche Gemälde zeigt Christus oben auf einem Brunnen stehend, aus der Brustwunde fließt das Blut in die obere Brunnenschale und von dort in die untere Brunnenschale, aus der eine Menschenmenge mit verschiedenen Gefäßen schöpft. Am linken Bildrand drei Geistliche, vor ihnen ein Mann mit einer großen Amphore, der den Betrachter ansieht und möglicherweise den ausführenden Maler darstellt (vgl. Kommentar). Bei dem mittleren Geistlichen handelt es sich zweifelsfrei um den Superintendenten Caspar Gödemann, da dessen Porträt (Nr. 746) genau mit der Darstellung auf dem Gemälde übereinstimmt. Auf dem Rand der oberen Brunnenschale verläuft die Inschrift A. Links oben im Hintergrund eine kleine Abendmahlsdarstellung in einem Haus, rechts oben eine Kreuzigungsdarstellung mit Maria und Johannes unter dem Kreuz, am Kreuz der Titulus B, über den Darstellungen in den oberen Ecken des Gemäldes jeweils eine gemalte Rollwerktafel mit den stark durch Restaurierung überformten Inschriften C und D. Auf dem getreppten Fuß des Brunnens eine Inschrift in schwach erkennbaren grauen Buchstaben und Ziffern aus jüngerer Zeit, die möglicherweise auf eine Restaurierung hinweist.1) Auf dem breiten vergoldeten Rahmen des Gemäldes ehemals eine mehrzeilige Inschrift, die mit Farbe überstrichen und dadurch unkenntlich gemacht worden ist.

Maße: H.: 219 cm; B.: 219 cm; Bu.: 2 cm (A), 0,5 cm (B), 2,5 cm (C, D).

Schriftart(en): Fraktur (A, D), Kapitalis (B) Fraktur mit Kapitalis (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. A

    Das blut Jhesu Christi reiniget vns von allen sunden: I · Joha: I2)

  2. B

    I(ESUS) · N(AZARENUS) · R(EX) · I(UDAEORUM) ·3)

  3. C

    Jch bin das Brot des lebens, / wer zu mir kombt, den wirdt / nicht Hungern, vnd wer an mich / glaubet, den wirdt nimmer mehr dursten. / IOHAN: 6 ·4)

  4. D

    Jch vertilge deine missethat / wie eine wolcke(n), vnd deine sunde / wie den nebel, Kere dich zu / mir denn ich erlöse dich. Esai: 44.5)

Kommentar

Strasser datiert das Gemälde, das er Daniel Frese zuschreibt, auf das Jahr 1597, weil er die beiden Begleiter des am linken Bildrand dargestellten Superintendenten Caspar Gödemann ohne weitere Begründung als die Pastoren Hieronymus Henninges und Christoph Rotbart ansieht, die beide in diesem Jahr amtiert hätten. Weil Rotbart der Nachfolger von Henninges auf der ersten Pfarrstelle an St. Johannis war und diesen 1597 ablöste,7) ist eine solche Darstellung zusammen in einem Bild allerdings ziemlich unwahrscheinlich. Da sich das Gemälde damit aber nicht präzise datieren lässt, kann auch keine Aussage darüber getroffen werden, welche beiden anderen Lüneburger Geistlichen hier porträtiert sind. Auch die bei Gemälden aus dieser Zeit quasi automatisch erfolgende Zuschreibung an Daniel Frese, dessen Porträt Strasser hier zu finden glaubt, muss in Frage gestellt werden. Die langgestreckten Frauengestalten, die mit ihren Kindern vorne am Brunnen dargestellt sind, ähneln auch in der Raffung der Gewänder viel mehr den Figuren auf dem Gemälde aus dem Jahr 1600 im Rathaus, das von Lucas up dem Born angefertigt worden sein dürfte, als den auf den Gemälden aus der Werkstatt Freses Dargestellten (vgl. den Kommentar Nr. 695). Geht man davon aus, dass Lucas up dem Born auch dieses Gemälde ausführte, dann dürfte es sich bei dem vor den drei Geistlichen stehenden bartlosen Mann mit braunem Haar, der den Betrachter des Bildes ansieht, um sein Porträt handeln. Dafür spricht auch, dass der um 1540 geborene Daniel Frese in der Zeit um 1600 bereits ca. 60 Jahre alt war, der Dargestellte aber ein jüngerer Mann von höchstens 40 Jahren ist. Da Lucas up dem Born zu Beginn des Jahres 1604 im Alter von ca. 35 Jahren verstarb (vgl. Nr. 695), passt die Darstellung zu diesem Maler. Die Zuschreibung des Gemäldes an ihn setzt allerdings voraus, dass es nicht auf Kosten der Kirchenkasse angefertigt wurde, denn die Kirchenrechnungen dieser Zeit weisen aus, dass nur der Maler Anton Jaster im Auftrag der Kirche Gemälde anfertigte. Hier finden sich zwei Einträge in den Jahren 1600 wegen des gemeltes hinter dem Altar und 1602 fur das gemelte hinter dem altar und sonsten, denen zufolge Jaster 20 bzw. 40 Taler für seine Arbeit ausgezahlt wurden.8) Da über den Malstil des Anton Jaster sonst nichts bekannt ist und ihm keine Werke zugewiesen werden können, kann auch nicht geklärt werden, ob er möglicherweise im selben Stil malte wie Lucas up dem Born und ebenfalls als Maler dieses Bildes in Frage käme, dessen ursprünglicher Standort nicht bekannt ist.

Da die mehrzeilige Inschrift unten auf dem Rahmen nicht mehr zu lesen ist, kann man nur vermuten, dass sie vielleicht Aufschluss über Stifter und Entstehungszeit des Gemäldes gab. Dass sich dasselbe Bildmotiv allerdings in stark vereinfachter Form auch auf dem – möglicherweise für den Superintendenten Caspar Gödemann bestimmten – steinernen Epitaph Nr. 747 findet, könnte neben der Darstellung Gödemanns im Gemälde dafür sprechen, diesen als Stifter oder Auftraggeber anzusehen, der hier für die Umsetzung eines von ihm besonders bevorzugten Bildmotivs gesorgt hätte. Da dies auch durch eine testamentarische Verfügung erfolgt sein könnte, ist das Gemälde in Ermangelung von archivalischen Belegen nur allgemein auf die Zeit um 1603, das Todesjahr Gödemanns, zu datieren.

Anmerkungen

  1. A. L. B. C. / 1778.
  2. Nach 1. Jh. 1,7.
  3. Io. 19,19.
  4. Jh. 6,35.
  5. Jes. 44,22.
  6. Ernst Strasser, Christus als Lebensbrunnen. In Lüneburger Blätter 18, 1967, S. 115–118, hier S. 115f.
  7. Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 102. Reinhardt, Pastoren, S. 123.
  8. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,5, fol. 335v u. fol. 409r. Anton Jaster, ein gebürtiger Lüneburger, der bei seinem Vater Hans Jaster das Malerhandwerk gelernt hatte, war nach seiner Ausbildung in Bayern tätig und hatte dort geheiratet. Seinen eigenen Angaben zufolge hielt er sich dort vierzehn Jahre lang auf und übte das Malerhandwerk aus, bekam aber im Zuge der verstärkt durchgeführten Gegenreformation als Protestant zunehmend Schwierigkeiten und kehrte deshalb 1594 nach Lüneburg zurück. Dort stieß er allerdings mit seinem Wunsch, wieder als Bürger und in das Maleramt aufgenommen zu werden, auf erbitterten Widerstand des Amts. Die Maler legten ihm gerade seine Tätigkeit in einem papistischen Land zum Nachteil aus und versuchten mit abfälligen Äußerungen auch über den inzwischen verstorbenen Lüneburger Maler Hans Jaster, die man nur als Verleumdungen charakterisieren kann, den Rat davon abzuhalten, Anton Jaster wieder als Bürger aufzunehmen. Bemerkenswert ist an diesem Vorgang, dass er unter der Federführung des inzwischen zum Ältermann avancierten Malers Daniel Frese stattfand, der in seiner Anfangszeit in Lüneburg mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte wie Jaster, allerdings ohne eine Lüneburger Herkunft nachweisen zu können (vgl. Nr. 466). Zu diesen Vorgängen die Schreiben in der Akte StA Lüneburg, AA G4m Nr. 1, Bd. 1, p. 84r–98v. Zahlreiche Erwähnungen Jasters in den späteren Kirchenrechnungen von St. Johannis und in den Kämmereiregistern der Stadt belegen allerdings, dass die Abschottungsbemühungen des Maleramts gegenüber Anton Jaster dauerhaft ebensowenig erfolgreich waren wie zuvor gegen Daniel Frese.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 758 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0075804.