Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 736 St. Johannis 1601

Beschreibung

Grabplatte des Ludolph von Dassel. Der hochrechteckige Stein hängt heute an der Südwand der Dasselschen Familienkapelle. Er ist schwer beschädigt, die untere rechte Ecke ist weggebrochen, im oberen Teil ist die Steinoberfläche abgetreten oder abgeplatzt. Vermutlich entsprach der Stein in seiner Gestaltung einmal der Grabplatte der Ilsabe Dithmers (vg. Nr. 735) und trug um das große ovale Wappenmedaillon herum vier kleine runde Medaillons, von denen sich aber nur das in der unteren linken Ecke erhalten hat. Auf dem Rand des großen Wappenmedaillons in zwei vertieften Zeilen in erhabenen Buchstaben die teilweise zerstörte Inschrift A, auf dem Rand des kleinen Medaillons, das in Halbfigur ein Gerippe mit Sense zeigt, die Inschrift B erhaben in vertiefter Zeile. Unten eine querrechteckige Tafel mit der Inschrift C. Ganz unten auf dem Rand links ist die jüngere Nummerierung der Grabplatte D eingehauen.

Maße: H.: 85 cm; B.: 67 cm; Bu.: 4 u. 3,5 cm (A), 1,3 cm (B), 3 cm (C, D).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. A

    [ – – – IN] BREVI EXPLEVIT. TEMPORA, MULTA: GRATA[ – – – ] / [ – – – ]PSIUS PROPTEREA [FESTIN]AVIT, EUM, TOLLERE [E]X IMPROBITATIS ME[DIO]1)

  2. B

    MORS · CERTA · HORA · INC[ERTA]

  3. C

    AMPLIS(SIMUS) ET PRUDENTIS(SIMUS) VIR D(OMI)N(U)S LU[.......] / A · DASSEL [.......] FILIUS SENA[..........]/BURGENSIS [NA]TUS EST A(NN)O · 1 · 5 · 54 [.......] / [N]OVEMB(RIS) MORTU(US) VERO A(NN)O · 1 · 599 · 3 · [........]

  4. D

    NRO 96

Übersetzung:

Er ist in kurzer Zeit (vollendet worden und) hat viele Jahre erfüllt. (Denn seine Seele war dem Herrn) lieb. Deswegen beeilte er sich, ihn mitten aus der Schlechtigkeit herauszuholen. (A) Der Tod ist gewiss, die Stunde ist ungewiss. (B) Der hochbedeutende und sehr kluge Mann Herr Ludolph von Dassel, Sohn ..., Lüneburger Ratsherr, ist im Jahr 1554 am ... November geboren, aber am 3. ... im Jahr 1599 gestorben. (C)

Wappen:
Dassel2)

Kommentar

Der Stein ist aufgrund der großen Ähnlichkeit mit der Grabplatte Nr. 735 auf das Jahr 1601 datiert, da eine gleichzeitige Ausführung wahrscheinlich ist. Gesetzt wurde er für Ludolph VI. von Dassel. Der Sohn des Georg von Dassel und der Anna Schomaker ist seit 1586 als Sülfmeister und seit 1590 als Barmeister nachweisbar. Im Jahr 1596 wurde er in den Rat gewählt. Verheiratet war Ludolph von Dassel seit 1588 mit Dorothea von Strombeck.3)

Anmerkungen

  1. Bis MULTA Sap. 4,13 wohl nach der Vulgata: Consummatus in brevi explevit tempora multa. Die unteren Hastenenden von IN noch andeutungsweise erkennbar. Danach scheint der Text – soweit feststellbar – der lateinischen Bibelübersetzung des Immanuel Tremellius aus dem Hebräischen entsprochen zu haben, der insgesamt lautet: Sanctificatus, brevi implevit longa tempora: Grata enim Domino erat anima ipsius, propterea festinavit eum tollere ex improbitatis medio. Immanuel Tremellius, Testamenti Veteris Biblia Sacra. Hanau 1596 (VD 16, B2888). Libri Apocryphi, fol. 56v. (Mein Dank gilt Mona Dorn für den Hinweis auf diese Bibelübersetzung.) Ein Exemplar der Tremellius-Bibel, gedruckt 1579 in Frankfurt a. M. findet sich auch in der Ratsbücherei Lüneburg (M: Th 0107,2). Somit wäre die Tremellius-Übersetzung in Lüneburg verfügbar gewesen. Die Wahl des von einem calvinistischen Autor (vgl. ADB, Bd. 38, S. 563–565) stammenden Textes erscheint in Lüneburg allerdings einigermaßen ungewöhnlich.
  2. Wappen Dassel (Balken, daraus nach oben zwei Efeublätter, nach unten ein Efeublatt hervorwachsend). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  3. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Dassel VII. Stahl, Ratslinie, Nr. 325, S. 185.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 736 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0073604.