Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 698† Große Bäckerstr. 2 um 1600

Beschreibung

Wächterfigur in der Fassade des Hauses mit Beischrift. Heute befindet sich in der Fassade des Hauses eine Kopie der Wächterfigur zusammen mit einer jüngeren Inschrift, die aus dem 18. Jahrhundert stammen dürfte.1) Tatsächlich gehörte zu der Halbfigur aus Terrakotta, deren Original sich seit 1964 im Museum Lüneburg befindet und die einen Wächter in Rüstung mit Schwert und Hellebarde darstellt, ursprünglich eine ganz andere Inschrift, die Sagittarius in einer Zeichnung des Wächters überliefert.2) Da das betreffende Exemplar der Historia von Sagittarius aus der Zeit um 1687 stammt, er die jüngere Inschrift aber noch nicht kannte, die Gebhardi in einer Zeichnung des alten, 1778 umgebauten Staffelgiebelhauses festhält, ergibt sich eine Zeit zwischen diesen beiden Daten für die erstmalige Anbringung der jüngeren Inschrift.

Inschrift nach Sagittarius.

  1. Pvgna . Pro . Patria

Übersetzung:

Kämpfe für das Vaterland/die Vaterstadt.

Kommentar

Die bei Sagittarius überlieferte Zeichnung, die offenbar weder Körner noch Appuhn oder Hucker kennen,3) belegt eindeutig die von den drei Autoren vertretene These, dass es sich bei dem Original nicht um einen Bäcker, sondern um einen Wächter handelte, und dass sich die Inschrift ursprünglich nicht auf den Überfall des Herzogs Magnus auf die Stadt 1371 bezog, wie es die Legende sagt, sondern allgemein zur Verteidigung der Stadt Lüneburg aufrief. Von dem tapferen Bäcker, der in der Ursulanacht 22 Feinde erschlagen hat, berichtet erst die spätere Chronistik. Dass Sagittarius diese Version der Geschichte bereits kannte, belegt die Bezeichnung der Büste als pistoris imago im Göttinger Exemplar seiner Historia.4) Körner stellt überzeugend dar, wie sich diese Erzählung langsam aus einer Kompilation der verschiedenen Quellenbelege und deren sagenhafter Anreicherung entwickelte. Die Datierung der Inschrift orientiert sich an der Datierung der Terrakottafigur bei Körner,5) die zu der Zeichnung der Inschrift bei Sagittarius passen könnte. Sofern Sagittarius die Buchstaben einigermaßen originalgetreu wiedergibt, hätte es sich um eine der humanistischen Minuskel ähnliche Schrift mit kursivem Charakter gehandelt.

Anmerkungen

  1. 1371 IN ST. URSULA NACHT HAT DER BECKER. / 22 MANN ERSCHLAGEN. So bei Gebhardi, Collectanea, Bd. 6, p. 605, in einer Zeichnung des Hauses und seiner Details mit der Angabe Die Schrift gulden auf schwarzen Kupferblech. Zu den verschiedenen Bauphasen des Hauses Böker, Baudenkmale Lüneburg, S. 404.
  2. In dem Göttinger Exemplar seiner Historia (p. 103) berichtet Sagittarius zu der Figur: Pistoris illius imago utraque manu arma praeferentis, saxo excisa in fastigio domus suae, quam nunc inhabitat Henricus Meierus, Civis doctus et mercator integerrimus, erecta cum inscriptione pectori affixa: PVGNA PRO PATRIA. Dass die Inschrift abweichend zu der Zeichnung im Wolfenbütteler Exemplar in Kapitalis wiedergegeben ist, sagt nichts über die Schriftform aus, da Sagittarius die Inschriften hier meistens in Kapitalis wiedergibt.
  3. Gerhard Körner, Der Bäcker in der Bäckerstraße. In: Lüneburger Blätter 15/16, 1965, S. 237–241. Horst Appuhn, Zu Datierung und Deutung des „Bäckers“ aus der Bäckerstraße. In: Lüneburger Blätter 23, 1977, S. 7–11. Bernd-Ulrich Hucker, Kritische Annotationen zur Klassifizierung von Rolanden. In: Stadtrecht, Roland und Pranger, hg. v. Dieter Pötschke, Berlin 2002, S. 238–258, hier S. 252f. Wie Hucker, der die Wächterfigur als eine Art Roland ansieht, allerdings auf die Idee kommt, das Haus befinde sich gegenüber vom Marktplatz mit Blick auf das Rathaus, ist völlig unklar.
  4. Vgl. Anm. 2.
  5. Anders als Körner, der die Figur nach ihrer Demontage untersuchte und zu einer Datierung auf die Zeit um 1600 kam, möchte Appuhn die Terrakottafigur schon auf die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datieren.

Nachweise

  1. Sagittarius, Historia, Ex. Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 34 Blankenburg, p. 149/150 (eingefügtes Blatt ohne Zählung).
  2. C. Manecke, Beschreibung der Städte, Aemter und adelichen Gerichte im Fürstenthum Lüneburg. Bd. 1, Celle 1858, S. 89. (danach auch Hucker, wie Anm. 3).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 698† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0069802.