Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 692† St. Johannis, Friedhof 1600, 1606

Beschreibung

Grabplatte des Abel Silvius, seiner Ehefrau Jees Wiebrand und ihres Sohnes Gabinius Silvius Selsma1). Die Grabplatte lag neben der des Johannes Rosenbeke (Nr. 87) vermutlich zwischen dem Fußsteig und der Kirchhofsmauer. Der Anordnung bei Rikemann nach standen die Inschriften A–C in drei Spalten nebeneinander, die Inschrift D darunter.

Inschriften nach Rikemann.

  1. A

    Gabinius Selsma obÿt Anno 1606 Die 3 Maÿ

  2. B

    Jees Wiebrandes obÿt Anno 1599 Die 19 Maÿ

  3. C

    Abel Sÿlvius Medicus obÿt Anno 1598 5 Februarÿ

  4. D

    Mors certa incertus locus est modus hora sepulchrumExemplo Magni coniugis uxor eratQuae dum coenobÿ lunae pia claustra subivitAnte chorum Dominae fata suprema subit

Übersetzung:

Gabinius (Silvius) Selsma starb im Jahr 1606 am 3. Tag des Mai. (A) Jees Wiebrand starb im Jahr 1599 am 19. Tag des Mai. (B) Der Arzt Abel Silvius starb im Jahr 1598 am 5. Februar. (C) Der Tod ist gewiss, ungewiss ist der Ort, die Art und Weise, die Stunde und das Grab. Dafür dient als Beispiel die Ehefrau des bedeutenden Gatten, die, als sie die Mauern des frommen Klosters Lüne betrat, vor dem Frauenchor plötzlich starb. (D)

Versmaß: Elegische Distichen (D).

Kommentar

Bei den 1598 und 1606 Verstorbenen handelt es sich um die Lüneburger Ärzte Abel Silvius und seinen Sohn Gabinius Silvius Selsma. Der Vorname der Ehefrau, den Rikemann mit Jees wiedergibt, könnte ebenso wie die ungewöhnlichen Namen der beiden Ärzte auf eine Herkunft der Familie aus dem niederländischen oder flämischen Sprachraum schließen lassen. Die Stadt Lüneburg zeigte in einem Schreiben vom 16. Februar 1588 an, dass ihr ein Physikus fehlte und bot Abel Silvius, den der Apotheker Andreas Lemmel (vgl. Nr. 619) empfohlen hatte, eine Anstellung gegen 100 Taler jährlich und freie Wohnung an. Am 16. April kündigte Silvius von Hamm aus sein baldiges Kommen an. Der Vertrag wurde am 23. April mit der Stadt Lüneburg zunächst auf ein Jahr geschlossen, in dem Silvius nach Möglichkeit die Stadt nicht verlassen sollte. Es gab darauf aber offenbar eine Vertragsverlängerung, denn im Januar 1589 bat Herzog Franz II. zu Sachsen-Lauenburg die Stadt Lüneburg, ihm Abel Silvius in sein Schloss in Ratzeburg zu schicken, weil seine Gemahlin erkrankt war. Die Bitte belegt den überregional guten Ruf, den Abel Silvius hatte. Im August 1592 erfolgte eine ähnliche Bitte, diesmal um einen Besuch im Schloss Lauenstein.2)

Gabinius Silvius Selsma verpflichtete sich 1602 auf drei Jahre als Stadtphysikus. Er erhielt – anders als Abel Silvius – von vorherein die Genehmigung, die Stadt zu verlassen, wenn auswärtige Patienten ihn anforderten, wurde aber auch mit nur 50 Talern deutlich geringer besoldet und musste zudem für das Physikats-Haus 50 Mark jährlicher Miete zahlen.3) Offenbar hielt er sich schon zuvor in Lüneburg auf, denn am 7. Januar 1596 hatte er in St. Johannis Judith Dannenrad geheiratet.4)

Bei der Legung der Grabplatte im Februar 1598 gab es Probleme, weil an der Stelle, an der Abel Silvius beigesetzt werden sollte, die Grabplatte des Johannes Rosenbeke (Nr. 87) lag, die auf Veranlassung der Erben des Abel Silvius entfernt und an die Kirchenmauer versetzt wurde. Da die Testamentsvollstrecker des Johannes Rosenbeke jedoch dagegen protestierten, musste der Stein wieder an seinen ursprünglichen Platz gelegt werden. Das Begräbnis des Abel Silvius wurde gegen die übliche Gebühr von 10 Mark daneben eingerichtet.5)

Die Inschrift D bezieht sich auf den Tod der Jees Wiebrand, deren Begräbnis am 22. Mai 1599 stattfand. Der Kirchenrechnung von St. Johannis zufolge war sie bei einem Besuch im Kloster Lüne ganz plötzlich verstorben. Da die Doctorin keine Bürgerin der Stadt Lüneburg war, sollte sie nach Auffassung der Kirchenverwaltung nicht auf den Kirchhof beigesetzt werden, aber der Lüneburger Rat verfügte, dass sowohl Gabinius Silvius als auch seine Mutter auf dem Kirchhof begraben werden sollten, ohne dass dafür Gebühren anfielen.6) Die Grabplatte ließ Gabinius Silvius erst im März 1600 setzen und zahlte dafür 10 Mark an die Kirchenkasse.7)

Anmerkungen

  1. Der Name so im Kirchenbuch von St. Johannis, KBA St. Johannis, Kirchenbuch St. Johannis 1, fol. 43v.
  2. Akte zu Abel Silvius, StA Lüneburg, AA A7a Nr. 43/11.
  3. Akte zu Gabinius Silvius, StA Lüneburg, AA A7a Nr. 43/13.
  4. KBA St. Johannis, Kirchenbuch St. Johannis 1, fol. 43v.
  5. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,4, fol. 252r.
  6. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,4, fol. 307r.
  7. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,4, fol. 308v.

Nachweise

  1. Rikemann, Libellus, fol. 24r.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 692† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0069208.