Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 644† St. Johannis 1596

Beschreibung

Epitaph des Christoph und der Anna Praetorius. Das zweiteilige Grabgedicht, das Rikemann überliefert, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit inschriftlich ausgeführt gewesen, da es im zweiten Teil auf die bildliche Darstellung der Ehefrau Bezug nimmt. Dass der erste Teil tatsächlich auch inschriftlich ausgeführt war, muß zweifelhaft bleiben, der Vollständigkeit halber wird er hier aber ebenfalls wiedergegeben.

Inschriften nach Rikemann.

  1. A

    Christophorus Praetorius in Christo dormiturusIch trag leidt von swartz ein kleidtMein Ehefreudt im Staub hie leichtMein ghulff sie wahr dreissig drei iahr5Mit schmertzen zwar zweimal gebarrBei ihr im Ehebatt mir woll wasBei ihr im grab wirdt sein baßBeÿ ihr lieg ich der sorgen freÿBei ihr schlaff ich auffs new dan beÿ10Mit mir zoch sie an einm iochSie ruhet nuhn ich ziehe nochHerr nimb von mir das ioch auch schierVorliehe ein sanffte ruhe auch mirLass mich mit ihr vorkleidet auffstehen15Mit ihr ins freuden reich eingehenMit ihr anschauwen Gott allzeittDas wesent der drei einigkeitLass uns mit dem himlischen herrSingen Gott in der hohe seÿ Ehr20Dem Vater Sohn Heiligen GeistDer schepffer mitler tröster heistIch was vorkorn im todt vorlohrnIm fleisch geborn im fluch und zornGott hat mich wieder außerkorn25Auß wasser und Geist new gebornChrist Gottes Sohn des weibes saatDer schlangn den kopff zu tretten hatEr wahr ohn schuldt ahns creutz gehengtHat sein unschuldt mir geschenckt30Christ wardt vorwundet heilte michFur mich am creutz starb nicht fur sichStund auff vom todt das lebent brachtTodt sund teuffel wherloß hat gemachtIn Christi todt bin ich getaufft35Mit Christi bludt bin ich erkaufftIn Christo leb ich sterb auffsteheMit Christo in sein Reich ein gehe

  2. B

    Christophori PraetoriiEhren weib Anna ruhet hieSie hat gelebet in Gottes fruchtGott geliebet vortrauwt sein wort gehorcht5Was ihrem Eheman trew und huldtIhr Ehecreutz trug mit gedultIm glauben reich im gewissen reinAlß ein kindt Gottes schlieff sie einDer sorgen und schmertzen ist sie loß10Ihr Geist freuwet sich in Christi schoßDenn leib im sarch die Erde hie decketBiß ihn Christus zur freudt erwecketChristus am creutz sein geist auffgabJoseph leget ihn in ein new grab15Christus stunt auff von seiner ruheWill sie und seine christen nuheWecken durch die Engel allLeiten in sein freuden saalDa soll sie Gott im Gnaden thron20Dem Heiland Christo Gottes sohnDem Heiligen Geist im HeiligthumbSagen lob danck preiß und ruhmAnna Praetorÿ gemahlHeim fuhr auß diesem iammerthal25Zur zeitt da man schreib die iahr zalFunffzen hundert und sechsneunenzig iahrSechtzig vier iahr vier wochen garIhr aber wahr müheselig zwarDie zeitt unsers lebens ist boß30Kom Herr von allem ubel erlößDem Teuffel Türcken Tattern wehrDem Bapst halt uns bei deiner lehrAlß diß bildt bin ich gestalttSechtzig vier iahr bin ich nun alt35Dort werd ich immer weßlich seinLeuchten wie der Sonnen scheinLaß mich im fried alß SimeonHeimfahrn gleit mich Christ Gottes sohnBringe mich in ruhe beÿ zeitt40Leg mich ahn meiner Annen seidtDa ihr das trauwe hertze leichtErweck uns beid zur Seligheit

Übersetzung:

Christoph Praetorius, der in Christus schlafen wird. (A)

Versmaß: Deutscher Reimvers (A, B).

Kommentar

Der aus Schlesien stammende Christoph Praetorius war seit ca. 1574 als Kantor an St. Johannis und als Komponist tätig.1) Nach Rikemann starb er am 30. Mai 1609, seine Ehefrau bereits am 2. Oktober 1596.2)

Anmerkungen

  1. ADB, Bd. 26, S. 514f.
  2. Rikemann, Epitaphiorum Tomus IV, p. 93.

Nachweise

  1. Rikemann, Epitaphiorum Tomus IV, p. 90–93.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 644† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0064409.