Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 619† St. Johannis, Friedhof 1593

Beschreibung

Grabplatte des Andreas Lemmel. Die Grabplatte lag neben der des Johannes Rosenbeke (Nr. 87) wohl auf der Nordseite der Kirche.

Inschriften nach Rikemann.

  1. A

    Qui pietate Deum coluit qui pectore fidoAmplexus meritum Christe benigne tuumSedulus officÿ qui munia cuncta subivitPublica privatis anteferendo bonisQuique hominum vitam est tutatus pharmaca miscensEt medicae monstrans pluribus artis opemTum qui Pauperibus fuit inservire paratusPupillis tutor qui viduisque fuitIlle sub hoc recubans Andreas marmore vitamLemmelius coeli spectat ab axe novam

  2. B

    D(ominus) Andreas Lemmelius Pharmacopaeus Lunaeburgensis natus Schnebergae Anno Domini 1547 Die Martini1) Mortuus autem Anno 1593 die Andreae2)

Übersetzung:

Der Gott in Frömmigkeit verehrte, der mit treuem Herzen dein Verdienst, gütiger Christus, liebte, der fleißig alle Pflichten des Amtes auf sich nahm, indem er die öffentlichen Belange den privaten Gütern vorzog und der das Leben der Menschen bewahrte, indem er die Arzneien mischte und vielen die Stärke der Heilkunst bewies, der damals bereit war, für die Armen da zu sein, der ein Beschützer der Waisen und Witwen war, dieser Andreas Lemmel, der unter diesem Stein ruht, schaut ein neues Leben vom Himmelspol. (A) Herr Andreas Lemmel, Apotheker in Lüneburg, wurde in Schneeberg im Jahr des Herrn 1547 am Martinitag geboren, er starb aber im Jahr 1593 am Andreastag. (B)

Versmaß: Elegische Distichen (A).

Kommentar

Andreas Lemmel wurde im Jahr 1578 als Ratsapotheker angestellt, nachdem man seinen Vorgänger Johannes Pape wegen schlechter Amtsführung entlassen hatte.3) Allerdings hatte auch er es offenbar nicht leicht mit den Apothekenherren des Lüneburger Rats, denen er Rechenschaft schuldig war, denn auch ihm warf man 1581 allerley furgenommene unrichtigkeithenn mit depravierung vnd vorwechselung der Medicamenten vnnd andern dingen mehr vor. Zwei in Lüneburg tätige Ärzte – Peter Vinnmann und Peter Budanus – warfen ihm u. a. vor, ihren Patienten überalterte Medikamente zu verabreichen und seinen eigenen Patienten die neuen Medikamente. Insgesamt hatte der Apotheker zu 24 Klagepunkten Stellung zu beziehen, die auch auf seine unfreundlichen Reaktionen gegen die Ärzte abzielten. Wie sich aus verschiedenen Schreiben in dieser Angelegenheit entnehmen lässt, kam es offenbar zu einer Überschneidung der Aufgabenbereiche, indem der Apotheker selbst Kranke mit seinen Medikamenten kurierte, die Ärzte aber umgekehrt Medizin anmischten und diese an ihre Patienten abgaben, was zu der erbitterten Auseinandersetzung führte, in der sogar die Superintendentur zu vermitteln suchte. Um diese missliche Situation zu beenden, erließ der Rat im Juni 1583 eine neue Apothekenordnung, die das Verhältnis zwischen Apotheker und Ärzten regelte.4)

Interessant ist die bei Rikemann angegebene Lage der Grabplatte, wonach zwei Ärzte (Nr. 87, 692) und ein Apotheker auf dem Friedhof nebeneinander begraben wurden. Dies könnte vermuten lassen, dass die Grabstellen nach der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe vergeben wurden. Die Grabstelle hatte Andreas Lemmel kurz vor seinem Tod im März 1593 erworben und dafür 10 Mark an die Kirchenkasse von St. Johannis gezahlt.5) Die Witwe Lemmels heiratete in zweiter Ehe Daniel von Kollen (vgl. Nr. 688), wurde aber im November 1609 im Grab ihres ersten Ehemanns beigesetzt. Für die Hebung der Grabplatte wurde eine Gebühr von 8 Schilling an die Kirchenkasse entrichtet.6)

Anmerkungen

  1. 11. November.
  2. 30. November.
  3. StA Lüneburg, AA A2 Nr. 7, Vol I.
  4. Ebd.
  5. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,4, fol. 147v.
  6. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,5, fol. 184r.

Nachweise

  1. Rikemann, Libellus, fol. 24v/25r.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 619† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0061900.