Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 581† St. Marien 1587

Beschreibung

Epitaph des Heinrich Husanus. Nach Rikemann befand sich das Epitaph im Chor der Kirche. Chytraeus gibt im Zusammenhang der Inschriften B–F an, dass sie um das Grabdenkmal herum angebracht gewesen seien; Rikemann macht keine Angaben zur Platzierung der Inschriften auf dem Grabdenkmal.

Inschriften nach Chytraeus.

  1. A

    Henrico Husano Isenacensi Turingo ab ineunte aetate in Germania Italia et Gallia bonis litteris et linguis exculto et mox supra aetatem egregio oratori politico et I(uris) C(onsul)to Saxoniae et multorum principum consiliario et legato Cancellario Megapolitano et post aulicarum iactationum taedium Luneb(urgensis) quoque Reipub(licae) syndico dexteritate et vsu rerum conspicuo et in consiliis transactionibus et pacificationibus mirifice expertoa) pieque hic defuncto in spem optatiss(imae) resurrectionis vxor et liberi cum lachrym(is) p(osuerunt)

  2. B

    COELVM POLITEVMA PIORVM EST

  3. C

    Christo vnob) duce carpe viam sic itur ad astra1)Aurea puluereis praestant eterna caducis

  4. D

    Christi mors vita piorum est

  5. E

    Nulli sine Marte Triumphi

  6. F

    VITA CRESCENDO DECRESCIT MORS LILIA SENTIBVS AEQVAT

  7. G

    Nil fragile a fracto differt quod tu esse solebasIpse fui fies tu quoque sum quod ego

Übersetzung:

Für Heinrich Husanus aus Eisenach in Thüringen, der von Jugend auf in Deutschland, Italien und Frankreich in den humanistischen Wissenschaften und Sprachen ausgebildet worden war und bald früher, als es sein Alter erwarten ließ, zu einem hervorragenden politisch versierten Unterhändler und Juristen wurde und für Sachsen und viele Fürsten als Rat und Gesandter fungierte und als Mecklenburger Kanzler wirkte und, nachdem er des unruhigen Lebens an den Höfen überdrüssig geworden war, auch als Syndikus der Stadt Lüneburg durch Geschick und praktische politische Begabung sich hervortat und bei Entscheidungen, Abschlüssen von Verträgen und Befriedungsaktionen auf bewundernswerte Weise seine Erfahrung einbrachte, und der nun hier fromm verstorben ist in der Hoffnung auf die ersehnte Auferstehung, haben die Gattin und die Kinder (dies) unter Tränen gesetzt. (A) Der Himmel ist der Staat der Frommen. (B) Beschreite den Weg mit Christus als dem einzigen Führer, so kommt man zu den Sternen. Dinge aus Gold sind mehr wert als Dinge aus Staub, das Ewige ist mehr wert als das Vergängliche. (C) Der Tod Christi ist das Leben der Frommen. (D) Keine Siege ohne Krieg. (E) Das Leben vermindert sich im Wachsen. Der Tod macht die Lilien den Dornsträuchern gleich. (F) Zerbrechliches unterscheidet sich in nichts von Zerbrochenen. Was du zu sein pflegtest, bin ich selbst gewesen, und du wirst auch werden, was ich bin. (G)

Versmaß: Hexameter (C), jeweils der zweite Teil eines Hexameters (B, D, E, zweite Zeile F), elegisches Distichon (G).

Kommentar

Heinrich Husanus wurde am 6. Dezember 1536 als Sohn eines Eisenacher Bürgermeisters geboren und studierte an den Universitäten Wittenberg, Ingolstadt, Bourges und Padua. Nach einer Tätigkeit als Professor der Rechte in Jena stand er im Dienst verschiedener Fürsten,2) bevor er am 19. Mai 1573 die Stelle des Syndikus der Stadt Lüneburg annahm3) – wenn man seiner Grabschrift glauben darf, weil er des ständigen Herumreisens müde war. Dieses Amt übte er dann noch 14 Jahre lang aus bis zu seinem Tod am 9. Dezember 1587.4) In dieser Zeit war er maßgeblich am Entwurf einer neuen Polizei- und Gerichtsordnung für die Stadt Lüneburg beteiligt.5) Noch im Februar 1585 hatte der Rat den Syndikus auf weitere zehn Jahr angestellt und für den Fall seines Todes seiner Witwe, Regina Rudolph, ein Haus neben dem Haus des Syndikus gegenüber dem ehemaligen Franziskanerkloster am Marienplatz zugesichert: das kleine gegen dem Closter an unserem Syndicat haus gelegene heuslein, darin die Badtstube sambt dem Secret ist, und das Gärtlein, so an solchem häuslein hinden nach dem wahl und der Stadtmauren währts gehet, vnd das sambt dem kleinen fordern pletzlein, Welches aus solchem häuslein an den Kirchoff stöst, mit dem Wagenhäuslein gegen der Strassen.6) In diesem Vertrag wurden vier Söhne des Heinrich Husanus erwähnt, von denen 1585 zwei studierten, eine Tochter heiratete Caspar Kroger (vgl. Nr. 618).

Textkritischer Apparat

  1. So bei Rikemann, expetito bei Chytraeus und Adam.
  2. Hoc solo Rikemann.

Anmerkungen

  1. Der zweite Teil des Verses Vergil, Aeneis 9,641.
  2. Zur Ausbildung des Heinrich Husanus und zu seiner Tätigkeit als fürstlicher Rat und Kanzler ausführlich ADB, Bd. 13, S. 446f.
  3. StA Lüneburg, UA a: 1573 Mai 19, Bestallung als Syndikus.
  4. Todesdatum nach ADB, Bd. 13, S. 446f.
  5. Vgl. Reinecke, Geschichte, Bd. 1, S. 349.
  6. StA Lüneburg, UA a: 1585 Februar 2. Aus der Beschreibung geht eindeutig hervor, dass es sich bei diesem Syndikatshaus um das noch heute so bezeichnete Haus Egersdorffstr. 1a handelte und nicht um das in der Rekonstruktion der Rathausanlage bei Ganzert („Rathaus“-Genese, S. 21–23) und Rogacki-Thiemann (Erneuerung, S. 253) eingezeichnete innerhalb des Rathauskomplexes zur Waagestraße hin gelegene Haus Nr. 18, das 1860 abgerissen wurde (Rogacki-Thiemann, Erneuerung, S. 255/257).

Nachweise

  1. Chytraeus, Deliciae, S. 455.
  2. Rikemann, Libellus, fol. 51r/v.
  3. Melchior Adam, Vitae Germanorum iureconsultorum et politicorum ... . Heidelberg 1620, S. 290 (wohl nach Chytraeus).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 581† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0058107.