Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 575 Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe nach 1586

Beschreibung

Kamineinfassung.1) Sandstein, farbig gefasst. Der Kamin stammt ebenso wie die Türbekrönung Nr. 635 aus dem Gebäudekomplex Grapengießerstr. 45.2) Er konnte nur aufgrund von Fotos bearbeitet werden, da er unzugänglich hinter einer fest eingebauten Innenverschalung verborgen ist. Das reich geschmückte Gebälk stützen zwei Hermen, links ein König, rechts ein Soldat. Auf dem Gesims in der Mitte eine Rollwerktafel mit der Inschrift A, die Buchstaben erhaben gehauen und in Gold auf blauem Grund gefasst. Außen links und rechts auf dem Fries jeweils ein Vollwappen, dazwischen ein Relief mit der Darstellung des städtischen Friedens: in der Mitte thronend Res publica in Frauengestalt mit dem Titulus B, vor ihr die schlafende Pax mit dem Titulus C, darüber in den Wolken die Taube sowie Gottvater, im Hintergrund die Silhouette von Lüneburg, darüber zwei Engel mit Posaunen, außen links und rechts die Tugenden Justitia und Concordia, die durch die Tituli D und E bezeichnet sind.

Schriftart(en): Kapitalis.

Hermann Hipp, Hamburg [1/1]

  1. A

    PUBLICA RES FELIX CUIUS CONCORDIA LAEVAM.JUS DEXTRAM STIPAT. PAX FOVET ALMA SINUM.

  2. B

    RES // PUBLICA

  3. C

    PAX

  4. D

    IVSTI/TIA

  5. E

    CONCO/RDIA

Übersetzung:

Glückliches Gemeinwesen, dessen Linke die Eintracht, dessen Rechte die Gerechtigkeit umdrängt (und) dessen Schoß der nährende Friede wärmt. (A) Das Gemeinwesen. (B) Frieden. (C) Gerechtigkeit. (D) Eintracht. (E)

Versmaß: Elegisches Distichon (A).

Wappen:
Witzendorff3)Töbing4)

Kommentar

Die Wappen verweisen auf den Besitzer des Hauses Heinrich Witzendorff und seine schon 1586 verstorbene Ehefrau Elisabeth Töbing (vgl. Nr. 569 u. Nr. 854). Bode datiert die Kamineinfassung aufgrund der dargestellten Stadtansicht, auf der der Nicolaiturm bereits die 1587 endgültig fertiggestellte Welsche Haube trägt, auf die Zeit um 1586.5) Die Verwendung von runden U in den Inschriften, die im 16. Jahrhundert eher selten vorkommen, könnte auf eine spätere Entstehung der Kamineinfassung im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts hindeuten.

Die Vorlage für das Kaminrelief dürfte wie für einen weiteren Kaminfries Nr. 577 und die Gestühlswange Nr. 633 das Gemälde von Daniel Frese Nr. 518 in der Großen Ratsstube dargestellt haben (zu dem Motiv vgl. Einleitung, Kap. 3.3.7.1. u. Nr. 494). Als Autor der Inschrift A, die als Ekphrasis das Dargestellte in Verse fasst, kommt der Besitzer das Hauses Heinrich Witzendorff selbst in Betracht, dessen von ihm noch zu Lebzeiten geplantes Epitaph unter zahlreichen emblematischen Darstellungen ebenfalls das Relief der ruhenden Pax trägt (Nr. 854). Die Vorliebe des Lüneburger Ratsherrn und Bürgermeisters für dieses Motiv legt die Vermutung nahe, dass er zumindest maßgeblich daran beteiligt war, Pax zur obersten Tugend der Stadt Lüneburg um 1600 zu erheben.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. 1902.46.
  2. Zu dem Haus Grapengießerstr. 45 vgl. Terlau-Friemann, Patrizierarchitektur, S. 170–178, sowie Terlau-Friemann, Anwesen, passim.
  3. Wappen Witzendorff (zwei gekreuzte Rechen). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  4. Wappen Töbing (Maulbeerbaum auf Hügel). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  5. Bode, Ansichten, S. 37. Nach Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 133, wurde der neue Turm erst 1587 vollendet.

Nachweise

  1. Fotos, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
  2. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 201 (A, C–E).
  3. Bode, Ansichten, S. 37 (A).
  4. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 333f. mit Abb.
  5. Kat. Stadt im Wandel, Bd. 1, Nr. 196, S. 257 (A).
  6. Haupt, Ratsstube, S. 205 (A).
  7. Terlau-Friemann, Patrizierarchitektur, S. 178 (A).
  8. Böker, Baudenkmale Lüneburg, S. 397 (Zeichnung).
  9. Hipp, Bilder, S. 222 (A) mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 575 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0057502.