Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 571† St. Michaelis 1586, 1642

Beschreibung

Epitaph des Abts von St. Michaelis und Lübecker Bischofs Eberhard von Holle. Stein. Nach Gebhardi war das vielteilige Epitaph vor seiner Entfernung aus der Kirche im Jahr 1792 bereits stark beschädigt und die lediglich gemalten Inschriften durch das Abblättern der Farbe beeinträchtigt. Schon 1642 wurde eine Renovierung des Epitaphs erforderlich (vgl. Inschrift D). Im Mittelteil in einer Nische die wohl vollplastische kniende Figur des Eberhard von Holle vor einem im Hintergrund in einer Bogennische dargestellten Kruzifix.1) Links und rechts davon die durch die Tituli A bezeichneten Tugenden Spes und Fides. Seitlich im Rollwerk zwei runde Kartuschen, die wohl beide Inschriften trugen. Gebhardi konnte nur noch Reste der rechts angebrachten Inschrift B lesen, gibt aber zugleich eine bei Pfeffinger überlieferte, aber dort nicht lokalisierte Inschrift wieder, bei der es sich um den ausführlichen Sterbevermerk an dieser Stelle gehandelt haben könnte. Um den Mittelteil herum war eine aus sechzehn Vollwappen bestehende Ahnenprobe angeordnet, die nach Gebhardi nicht durch Namensbeischriften bezeichnet war. Den Unterhang bildete eine von zwei Putten gehaltene Rollwerktafel mit der Inschrift C darauf, von der Gebhardi nur noch die beiden ersten und den letzten Vers lesen konnte; die Inschrift zitiert er komplett nach einer kopialen Überlieferung.2) Darunter eine kleinere Kartusche, darin ein auf einen Totenschädel gestützter liegender Putto mit einem Stundenglas über der Inschrift D. Im oberen Teil des Epitaphs ein Relief der Kreuzabnahme, als oberer Abschluss ein Bogenfeld mit dem Vollwappen des Eberhard von Holle darin, bekrönt von der durch den Titulus E bezeichneten Tugend Constantia.

Inschriften nach Gebhardi.

  1. A

    Spes // Fides

  2. B

    Eberhardus Episc(opus) Lubecensis Administrator Verdensis necnon Abbas et Dominus a Domo ad S Michaelem in Luneborch cum totos viginti annos Verdensem Dioecesin administrasset Mortuus est Anno aet(atis) suae 55a)

  3. C

    Mortales hic exuvias Eberhardus ab HollePrinceps illustris contumulatus habetAnnos tricenos Abbas ampla exstitit huiusGloria coenobii magnificumque decusPost quoque tam Ferdae Praesul fuit atque LubecaeO quantum genti profuit ille piusVix tres et decies senos compleverat annosCum Quintilis eum quinta dies rapuitQuisquis es o testor tibi consule quid sit agendumImos ut summos fata severa manent

  4. D

    RENOVATUM A FRATRIS NEPOTIBUS / FAMILIAE NOBILIS GROTIANAE A(NN)O 1642

  5. E

    Constantia

Übersetzung:

Hoffnung. Glaube. (A) Eberhard, Bischof von Lübeck, Administrator von Verden und auch Abt und Herr vom Haus an St. Michaelis in Lüneburg, starb, als er ganze 20 Jahr lang die Diözese Verden verwaltet hatte, im Alter von 55a) Jahren. (B) Der berühmte (Kirchen)fürst Eberhard von Holle, der (hier) beigesetzt ist, bewahrt hier seine sterblichen Überreste. Dreißig Jahre war er als Abt der bedeutende Ruhm und die großartige Zierde dieses Klosters, später war er auch Bischof von Verden und Lübeck. O wie sehr nützte jener Fromme dem Volk. Er starb im Alter von kaum 63 Jahren, als ihn der fünfte Tag des Juli raubte. Wer auch immer du bist, o ich bezeuge es, sei bedacht, was zu tun ist. Die Niedrigsten wie die Höchsten erwartet der strenge Tod. (C) Renoviert von den Enkeln des Bruders aus der adligen Familie Grote im Jahr 1642. (D) Beständigkeit. (E)

Versmaß: Elegische Distichen (C).

Wappen:
Eberhard von Holle, Administrator von Verden, Abt von St. Michaelis3)
Holle4)Münchhausen5)
Mandelsloh6)Frese7)
Rommel8)Schack9)
Mahrenholtz10)Warpke11)
Fischbeck12)?13)
Barsen14)?15)
Hassberge16)Westphalen17)
Zerssen18)Holtorp19)

Kommentar

Zu Eberhard von Holle, der in vielen Lüneburger Inschriften präsent ist,20) gibt es zahlreiche längere oder kürzere Biographien,21) so dass seine Vita hier nur kurz angedeutet werden soll. Er wurde in Uchte (Landkreis Nienburg) als Sohn des Johann von Holle und der Elisabeth von Münchhausen geboren. Der Inschrift C und der Inschrift seiner Grabplatte Nr. 572 zufolge wurde er im Jahr 1523 geboren, nicht wie in der gesamten Literatur angegeben im Jahr 1531/32. Den beiden ausformulierten Jahresangaben kommt zwar sehr viel mehr Glaubwürdigkeit zu als den nur durch Pfeffinger überlieferten Ziffern 55, dennoch hält Gebhardi aufgrund seiner Quellenstudien die Altersangabe von 55 Jahren für die zutreffende.22) Nach dem Besuch der Michaelisschule in Lüneburg und des Ratsgymnasiums in Minden wurde Eberhard von Holle 1549 als Novize in St. Michaelis aufgenommen und immatrikulierte sich 1550 an der Universität Wittenberg.23) Nach dem Tod seines Onkels, des ersten lutherischen Abts von St. Michaelis, Herbord von Holle, im Jahr 1555 (vgl. Nr. 384) wurde Eberhard zum Abt gewählt. Während seiner Amtszeit wurde für den Abt des Michaelisklosters der auch in den Inschriften immer wieder vorkommende Titel ‚Dominus a Domo‘ (Herr vom Hause) eingeführt. Im Jahr 1561 wurde Eberhard von Holle zunächst Koadjutor des Lübecker Bischofs und kurz darauf Bischof von Lübeck, im Jahr 1566 Administrator von Verden. Er gilt einerseits als großer Förderer der Schulen in den seiner Verwaltung unterstehenden Bistümern und als diplomatischer Vermittler in vielen Auseinandersetzungen, andererseits wird ihm aber auch eine opportunistische Haltung nachgesagt, weil er in seiner Position als Kirchenfürst zweier inzwischen protestantischer Bistümer und evangelischer Abt zugleich um ein gutes Verhältnis zum Kaiser bemüht war. Er starb nach einem Unfall auf einer Reise nach Lüneburg an einer Verletzung am Bein am 5. Juli 1586.

Über die Beisetzung des Abts kam es nach Gebhardi zu Auseinandersetzungen zwischen dessen Familie und dem Kloster, das die Beerdigungskosten nicht übernehmen wollte.24) Wer dieses Epitaph finanzierte (vgl. a. das Epitaph Nr. 573), lässt sich nicht nachweisen. In den Ausgaberegistern der Abtei und Kellnerei St. Michaelis sind keine Kosten für ein Epitaph oder eine Grabplatte verzeichnet.25) Allerdings sind für die Jahre 1558 bis zum Tod Eberhards 1586 keine Ausgaberegister der Abtei erhalten, die erst unter Konrad von Bothmer 1586 wieder einsetzen. Falls Eberhard von Holle das Epitaph und die Grabplatte (Nr. 572) wie sein Amtsnachfolger zu Lebzeiten unter den Baukosten des Klosters verbucht haben sollte, wäre das nicht nachzuweisen (zu den Grabdenkmälern für den Abt Konrad von Bothmer vgl. Nr. 754 u. 755). Möglich wäre aber auch, dass beides aus dem Privatvermögen des Abts finanziert wurde.

Die Inschrift D bezieht sich darauf, dass das Epitaph 1642 auf Kosten der Kinder der Elisabeth von Holle restauriert wurde. Elisabeth, eine Nichte des Eberhard von Holle und Tochter seines Bruders Johann d. Ä., war mit dem Braunschweig-Lüneburgischen Landrat Otto Grote verheiratet und starb im Jahr 1638.25)

Textkritischer Apparat

  1. Die Altersangabe, nach der die gesamte Literatur (vgl. Anm. 21) das Geburtsjahr des Eberhard von Holle mit 1531/32 angibt, lässt sich weder mit der Inschrift C noch mit der Inschrift der Grabplatte Nr. 572 vereinbaren. Die deutlich abweichende Version der Inschrift B in der Zeichnung bei Gebhardi [ – – – ] ABBA[ – – – ] FVIT ANNOS [ – – – ] LX[ – – – ] LVBEC[ – – – ] lässt auch eher auf eine Altersangabe LXIII schließen. Vgl. a. Kommentar.

Anmerkungen

  1. Beschreibung nach der Zeichnung bei Gebhardi. Das aus Gebhardi, Collectanea, Bd. 6 stammende Blatt 529 mit den Zeichnungen der Grabplatte und des Epitaphs, liegt in Bd. 14 zwischen p. 688 und 689. Die freistehende Figur ist in einer Detailzeichnung in Bd. 6, vor p. 529 im Detail abgebildet.
  2. J. H. Prahtje, Das Leben Eberhards von Holle. In: Altes und Neues aus den Herzogtümern Bremen und Verden, Bd. 12, 1781, S. 46–130, hier S. 81 (C, D).
  3. Wappen Eberhard von Holle, Administrator zu Verden, Abt von St. Michaelis (Schild durch Nagelspitzkreuz (Verden) viergeteilt: 1. u. 4. Verden (schwebendes Kreuz), 2. u. 3. thronender Abt, im Herzschild Wappen Holle (drei Zipfelmützen)). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 10 (Holle); zum Wappen Verden und Eberhard von Holle als Administrator Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 5, Teil 1, S. 132 u. Tafel 193.
  4. Wappen Holle (drei Zipfelmützen). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 10.
  5. Wappen Münchhausen (Mönch). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, Teil 1, S. 274 u. Tafel 325.
  6. Wappen Mandelsloh (umwundenes Jagdhorn). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 253 u. Tafel 303.
  7. Wappen Frese (Helm mit drei Straußenfedern). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 56 u. Tafel 131.
  8. Wappen Rommel (geteilt, oben ein nach rechts schreitender Löwe, unten gerautet).
  9. Wappen Schack (Lilie). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 15 u. Tafel 16.
  10. Wappen Mahrenholtz (Rose). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 12 u. Tafel 13.
  11. Wappen Warpke (schräggestellte Lanzenspitze). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 128; Bd. 2 u. Tafel 382.
  12. Wappen Fischbeck (schräger Fisch).
  13. Wappen ? (Balken, darüber ein Stern).
  14. Wappen Barsen (drei Rauten 2:1).
  15. Wappen ? (waagerechter Kesselhaken).
  16. Wappen Hassberge (Kammrad in Seitenansicht, überhöht von zwei Rosen). Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, S. 206 u. Tafel 186.
  17. Wappen Westphalen (Querbalken, darüber Turnierkragen mit fünf Lätzen). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 130; Bd. 2 u. Tafel 331.
  18. Wappen Zerssen (drei Kesselhaken). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 134; Bd. 2 u. Tafel 344 (ein Kesselhaken), oder Frenke, vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 56 u. Tafel 131 (drei Kesselhaken 2:1).
  19. Wappen Holtorp (achtmal geständert).
  20. Vgl. Nr. 407, 408, 517, 522, 531, 572, 573, 576.
  21. Ausführlich Johann Hinrich Prahtje, Das Leben Eberhards von Holle. In: Altes und Neues aus den Herzogtümern Bremen und Verden, Bd. 12, 1781, S. 46–130. Walter Schäfer, Eberhard von Holle, Bischof und Reformator; Beiheft des Jahrbuches der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte, Jg. 6, 1967. Sowie u. a: ADB, Bd. 5, S. 547f., u. NDB, Bd. 4, S. 229. Kater, Genealogie Holle, S. 40–48. Weyhe-Eimbke, Äbte, S. 158–177. Letzterer beschreibt den Abt: Abt Eberhard war ein schöner, stattlicher Mann, mit feurigen, braunen Augen, dunklen Haaren und freier offener Stirn. Er war in allen Wissenschaften wohlerfahren, liebte die Dichter und machte selbst Verse. Gegen seine Untergebenen war er milde, liebreich und herablassend ... (S. 163).
  22. Gebhardi, Collectanea, Bd. 14, p. 599.
  23. Gebhardi, Collectanea, Bd. 14, p. 599 u. Bd. 5, p. 179. Matrikel Wittenberg, Bd. 1, S. 256.
  24. Gebhardi, Collectanea, Bd. 14, p. 684. Die von Gebhardi verzeichneten Streitigkeiten ließen sich nicht anhand von Akten verifizieren. Zu der Finanzierung der Epitaphien vgl. a. Nr. 573, Anm. 2.
  25. StA Lüneburg, St. Mich. 5234 u. 5331ff.
  26. Vgl. Kater, Genealogie Holle, S. 5.

Nachweise

  1. Gebhardi, Collectanea, Bd. 14, p. 687–689 mit Zeichnung (vgl. Anm. 1, B nach Pfeffinger, C teilweise nach Prahtje).
  2. Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 7, Nr. IV (B).
  3. Sagittarius, Historia, p. 387 (C).
  4. Johann Hinrich Prahtje, Das Leben Eberhards von Holle. In: Altes und Neues aus den Herzogtümern Bremen und Verden, Bd. 12, 1781, S. 46–130, hier S. 81 (C, D).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 571† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0057100.