Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 570† St. Johannis 1586

Beschreibung

Grabplatte (?) des Heinrich Töbing. Nach Sagittarius war das epitaphium lapidi sepulchrali inscriptum, quod in aede Johannea conspicitur. Allerdings erscheint die Inschrift B für eine Ausführung auf einer Grabplatte recht lang.

Inschriften nach Sagittarius.

  1. A

    MAGNIFICVS AC PRVDENTISSIMVS DOMINVS HENRICVS TOBING CONSVL NATVS EST ANNO M D XXIV D(IE) XIV NOV(EMBRIS) IN CONSVLEM ELECTVS A(NNO) MDLVII CONSVLATVa) FVNCTVS ANNOS XXIX PLACIDE OBIIT NOCTE QVAE SECVTA EST DIEM IV MENSIS MART(II) A(NNO) M D LXXXVI

  2. B

    Ergo iaces gentis decus immortale TöbingaeSumme vir o patriae vera corona tuaeQui poteras unus dubiis secernere rebusEt quid praestaret quidque deceret agi5Qui totius eras princeps oculusque senatusQui commune bonum totius urbis erasTu glaciem nobis incedens antesecabasMonstrabasque viam qua faceremus iterTu quid opus noras tibi rerum maximus usus10Copia doctrinae par sine labe fidesIngenium solers divinum mentis acumenInnocui mores cum probitate pudorIudicii gravitas animi moderatio candorIustitiae studium prosperitatis amor15Tu placidis frenans mulcebas pectora dictisTu speculum nobis integritatis erasAbstulit ante diem tot nobis invida dotesNescia vel magnis parcere Parca virisChriste gubernaclumb) nostrae ne desere navis20 Quae verbi sedes hospitiumque tui estTe retrahente manum nulla est res publica felixStare nec urbs sine te nec domus ulla potestAt tibi sit requies et lux aeterna sepultoMagne vir ista cui carmina moesta damus25Interea hoc constet Witzedorfi pignus amorisHinricus socero quod tibi pono gener

Übersetzung:

Der hochbedeutende und überaus kluge Bürgermeister Herr Heinrich Tobing ist geboren im Jahr 1524 am 14. November; er wurde zum Bürgermeister gewählt im Jahr 1557 und starb, nachdem er das Amt des Bürgermeisters 29 Jahre ausgeübt hatte, friedlich in der Nacht nach dem 4. Tag des März im Jahr 1586. (A) So liegst du also hier, unsterbliche Zierde des Geschlechts der Töbing, erhabener Mann, oh wahre Krone deiner Vaterstadt. Du warst ja als einziger fähig, in zweifelhafter Lage zu entscheiden, was zu tun besser und was schicklich war, [5] du warst der Führer und das Auge des ganzen Rats und das allgemeine Gut der ganzen Stadt. Du schrittest uns voran und brachst das Eis und zeigtest den Weg, den wir gehen sollten. Du wußtest, was Not tat, du besaßest die größte Erfahrung, [10] eine gewaltige Bildung und ebenso Verlässlichkeit ohne Fehl, einen erfindungsreichen Geist, göttlichen Scharfsinn, einen tadellosen Charakter, Ehrbarkeit und Rechtschaffenheit, ein reifes Urteil, die Tugend der Mäßigung, Lauterkeit, Eifer für die Gerechtigkeit und Einsatz für das allgemeine Wohlergehen. [15] Du besänftigtest die Gemüter, indem du sie mit freundlichen Worten zügeltest, du warst für uns ein Spiegel menschlichen Anstands. So viele Gaben hat uns nun vor der Zeit die missgünstige Parze weggenommen, die auch große Männer nicht verschont. Christus, verlass nicht das Steuer unseres Schiffes, [20] das Sitz und Herberge deines Wortes ist. Wenn du deine Hand zurückziehst, verlässt das Glück jedes Gemeinwesen, und keine Stadt und kein Haus kann ohne dich bestehen. Doch dir, der du hier bestattet bist, sei ewige Ruhe und das ewige Licht beschieden, du großer Mann, dem wir dieses Trauergedicht widmen. [25] Unterdessen soll dieses Liebespfand Witzendorffs Bestand haben, das ich als dein Schwiegersohn Heinrich dir, meinem Schwiegervater, setze. (B)

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Kommentar

Heinrich VIII. Töbing war der Sohn Georgs II. und der Dorothea von Dassel. Er ist seit 1544 als Sülfmeister und seit 1551 als Barmeister nachweisbar.1) Im Jahr 1554 wurde er in den Rat gewählt, 1557 zum Bürgermeister, dem regierenden Rat gehörte er letztmalig im Jahr 1584 an.2) Verheiratet war er in erster Ehe mit Elisabeth Garlop, die 1547 starb, in zweiter Ehe mit Gertrud Elver.3) Heinrich Töbing fungierte 25 Jahre lang als Vorsteher des Hospitals zum Heiligen Geist (vgl. die dortige Gedenktafel Nr. 567). Er besaß den Gebäudekomplex Schröderstr. 16/18, in dem sich drei Balkendecken befinden, die vermutlich alle von ihm in Auftrag gegeben worden sind (vgl. Nr. 423, 564, 565). Die Versinschrift B wurde vermutlich von Heinrich Witzendorff (vgl. Nr. 569) selbst verfasst, der seinem Schwiegervater der Inschrift zufolge das Grabdenkmal setzen ließ. Dessen Ehefrau Elisabeth Töbing starb kurz nach ihrem Vater am 13. April (vgl. Nr. 569).

Nach dem Verzeichnis der Grabsteine von St. Johannis wurde Heinrich Töbing vor der Dasselschen Kapelle auf der Nordseite der Turmvorhalle begraben.4) Die Brüder Heinrich, Lutke, Georg und Hieronymus Töbing hatten im Jahr 1581 einen großen Begräbnisplatz in der Kirche van ehrer der Thobinge begreffnisse an beth an Her Hieronymus Dorings begreffnisse vor der bede(?) sampt einem lyckstene gekoft vor sick und ehre Erven. Dafür zahlten die Gebrüder Töbing 144 Mark an die Kirchenkasse.5) Im Jahr 1587 erwarben sie einen weiteren – vermutlich angrenzenden – Begräbnisplatz unter der großen Orgel van der Bede an beth an de frauwenstole für 80 Mark mit der Berechtigung, dass sie hier gegen eine entsprechende Gebühr Lyckstene leggen lathen durften.6) Dieses Areal innerhalb der Kirche, auf dem die Familie Töbing ihre Grabsteine setzen durfte, wurde im Januar 1594 durch Hieronymus Töbing erneut erweitert, der für 60 Mark angrenzende Begräbnisplätze für sich, seine Frau und seine Erben erwarb.7)

Textkritischer Apparat

  1. CONSOLATV Sagittarius.
  2. gubernaculum bei Sagittarius prosodisch nicht korrekt.

Anmerkungen

  1. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Töbing I.
  2. Stahl, Ratslinie, Nr. 290, S. 181.
  3. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Töbing I.
  4. StA Lüneburg, AA E1b 45.
  5. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,3, fol. 211r.
  6. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,3, fol. 365r.
  7. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,4, fol. 143v.

Nachweise

  1. Sagittarius, Historia, p. 374f.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 570† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0057002.