Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 497 Rathaus um 1575

Beschreibung

Gemälde mit einer Darstellung des Kaisers und der sieben Kurfürsten begleitet von Tugenden. Öl auf Leinwand. Das Gemälde hängt in der Großen Ratsstube in der Mitte der Südwand. Im Mittelpunkt der thronende Kaiser, über ihm Sapientia mit Buch und Szepter, die darüber mit dem Titulus A bezeichnet ist. Auf dem Sockel unterhalb des Throns die Inschrift B. Links des Throns stehen die drei geistlichen Kurfürsten, rechts des Throns die vier weltlichen Kurfürsten, die jeweils durch ihre Wappen in Kopfhöhe gekennzeichnet sind. Über jedem Kurfürsten die Figur einer Tugend vor einer Säule am oberen Bildrand jeweils durch einen Titulus auf einem Schriftband gekennzeichnet, unter den Schriftbändern jeweils eine der Tugend zugeordnete Inschrift (C–P). Die in schwarzer Farbe gemalten Tituli der Tugenden waren ursprünglich etwas tiefer gesetzt und in Weiß ausgeführt; die in den Buchstaben identische ältere Version ist noch zu erkennen. Unten links im Bild die Inschrift Q, unterhalb der Darstellung verläuft über die ganze Breite des Gemäldes die Inschrift R in Gold auf schwarzem Grund.

Maße: H.: 155 cm; B.: 216 cm; Bu.: 1,5–3 cm (A–P), 1,5 cm (Q), 3 cm (R).

Schriftart(en): Kapitalis (A, C, E, G, I, K, M, O, Q), Fraktur und Kapitalis (B, D, H, J, L, N, P), Fraktur mit Frakturversalien (R) und Kapitalis (F).

Fred Dott, Hamburg [1/3]

  1. A

    SAPIENTIA

  2. B

    Die Weisheit bawte Jr Haus vnd hieb / sieben Sevlen. Proverbi[a] IX1)

  3. C

    SPES.

  4. D

    Durch stille sein / vnd hoffen / wvrdet ir starck / sein. IESAIA. / XXX.2)

  5. E

    CHARITAS.

  6. F

    Der HERR beh/vtet alle die in liebe(n). / vn[d] wird vert[i]lge(n) / alle Gottlosen. / PSALM. CXLV3)

  7. G

    FIDES.

  8. H

    Dvrch den / glavben haben / sie konigreiche / bezwungen. / EBREER. XI4)

  9. I

    TEMPERA(N)TIAa)

  10. J

    Gib den konigen nieh / wein zv trincken noch / den fvrsten starck / getrenke. SPRVC(H) / XXXI.5)

  11. K

    FORTITVDO.

  12. L

    Ein weiser man ist star:/ck vnd ein vernv(n)fti:/ger man ist mechtig / von krefften. SPRVCHE SAL / XXII.6)

  13. M

    IVSTICIA.

  14. N

    Fvrsten werden her:/schen, das Recht / zu handthaben. / IESAIA. / XXXII.7)

  15. O

    MAIES:/TAS

  16. P

    Godt vor/wirft die / me[c]htige(n) nicht. / HIOP. / 368)

  17. Q

    D(ANIEL) F(RESE) INVEN(TOR) / ET. FECIT.b)

  18. R

    Horet ir Konige vnd mereketc) Lernet ir Richter auff Erden. Nemet zu ohren die ir ober viel herrschet die ir euch erhebt vber den Volckern. / Denn euch ist die Oberkeit gegeben vom HERRN vnd die gewalt vom Hohesten welcher wird fragen wie ir handelt vnd forschen was ihr ordnet. / Denn ir seid seines Reichs Amptleute. im Buch der Weisheit. VI.9)

Übersetzung:

Weisheit. Glaube. Liebe. Hoffnung. Mäßigung. Tapferkeit. Gerechtigkeit. Hoheit. (A–O) Daniel Frese hat (dies) entworfen und ausgeführt. (Q)

Wappen:
Trier10)Köln11)Mainz12)Böhmen13)Pfalz14)Sachsen15)Brandenburg16)

Kommentar

Zu dem Maler Daniel Frese vgl. Nr. 436 u. 466, allgemein zu den Gemälden in der Großen Ratsstube sowie zu ihren Schriftformen vgl. Nr. 494. Zu den druckgraphischen Vorlagen vgl. Haupt.17) Eine Vorlage, in der alle Motive dieses Gemäldes kombiniert sind, ließ sich nicht nachweisen. Das gilt auch für die Zuordnung eines thematisch passenden Bibelzitats zu jeder der sieben Tugenden, die – ebenso wie die vor ihnen stehenden Kurfürsten – die in Inschrift B angesprochenen sieben Säulen darstellen, auf die sich das Deutsche Reich, verkörpert durch den Kaiser, gründet. Das gewisse Erstaunen, das Koch darüber zum Ausdruck bringt, dass man hier in einer Zeit konfessioneller Auseinandersetzungen dem ‚katholischen‘ Kaiser ein Gemälde widmete, erklärt er selbst mit dessen Funktion als Vertreter des vierten Weltreichs nach der Vision Daniels in der Rechtsnachfolge Roms.18) Wie sehr sich die Stadt Lüneburg – über konfessionelle Aspekte hinaus – als Teil des hier durch den Kaiser und die Kurfürsten verkörperten Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation sah, zeigen nicht nur dieses Bild in der Großen Ratsstube sondern auch die Decke des Fürstensaals und der Quaternionenadler auf der Tür des Fürstensaals (Nr. 798 u. 797).

Textkritischer Apparat

  1. R und A verschränkt.
  2. Nach Albers stand am Ende der Inschrift die Jahreszahl 1572. Hierfür gibt das Original keinerlei Anhaltspunkte.
  3. Wohl falsch restauriert und ursprünglich mercket.

Anmerkungen

  1. Spr. 9,1.
  2. Jes. 30,15.
  3. Ps. 145,20.
  4. Heb. 11,33.
  5. Nach Spr. 31,4.
  6. Spr. 24,5. Die Kapitelangabe in der Inschrift ist falsch.
  7. Jes. 32,1.
  8. Nach Hi. 36,7.
  9. Wsh. 6,2–5.
  10. Wappen Kurfürstentum Trier (Kreuz). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 5, Teil 1, S. 59 u. Tafel 9.
  11. Wappen Kurfürstentum Köln (Kreuz). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 5, Teil 1, S. 63 u. Tafel 99.
  12. Wappen Kurfürstentum Mainz (Rad). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 2 u. Tafel 3–6.
  13. Wappen Kurfürstentum Böhmen (steigender bekrönter Löwe). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 6 u. Tafel 2.
  14. Wappen Kurfürstentum Pfalz (steigender bekrönter Löwe). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 16 u. Tafel 19f.
  15. Wappen Kurfürstentum Sachsen (fünf gelbe und fünf schwarze Balken, belegt mit einem Rautenkranz). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 3, S. 19 u. Tafel 27.
  16. Wappen Kurfürstentum Brandenburg (Adler). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 12 u. Tafel 12.
  17. Haupt, Ratsstube, S. 163–166.
  18. Koch, Gemälde, S. 144.

Nachweise

  1. Albers, Rathaus, S. 36.
  2. Tipton, Res publica, S. 356f.
  3. Haupt, Ratsstube, S. 160–162 mit Abb. – Uppenkamp, Ikonographie, S. 314 mit Abb. 71, S. 314.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 497 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0049701.