Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 489 St. Johannis 1575

Beschreibung

Epitaph des Fabian Lutichius/Ludeke und seiner Ehefrau Gertrud Wilde. Sandstein, teilweise vergoldet. Das hochrechteckige, mit einem Giebel bekrönte Epitaph ist außen vor der nördlich vom Chor liegenden Springintgut-Kapelle im inneren Seitenschiff angebracht. Im Mittelteil in einer mit Löwen-, Frauen- und Engelsköpfen sowie Pflanzenornament reich verzierten Bogennische im Relief eine Kreuzigungsszene vor dem Hintergrund der Stadt Lüneburg, am Kreuz der Titulus A, unter den Kreuzbalken links und rechts Mond und Sonne, über dem Kreuz in einem Strahlenkranz der Heilige Geist in Gestalt der Taube. Auf den Kapitellen der Bogennische links und rechts die Jahreszahl B, auf dem Schild eines Soldaten rechts vom Kreuz die Künstlersignatur C, am Fuß des Kreuzes zwei Vollwappen, außen links und rechts kniend das Ehepaar. Unter der Darstellung eine Rollwerktafel mit der Inschrift D. Oben in den Zwickeln über der Bogennische links Fides und rechts Spes auf den Bogen gestützt, die darüber durch die Tituli E und F bezeichnet sind. Auf dem Fries darüber die zweizeilige Inschrift G, oben im Giebel Gottvater in den Wolken mit zum Segen erhobener rechter Hand. Alle Inschriften sind erhaben gehauen und vergoldet.

Maße: H.: 309 cm; B.: 133 cm; Bu.: 3,5 cm (A), 4 cm (B), 3 cm (C, E–G), 3 u. 2,5 cm (Distichen D), 2,5–1,5 cm (Prosainschrift D).

Schriftart(en): Kapitalis (A–C, E, F), Kapitalis mit Versalien am Beginn der Distichen (D), gotische Minuskel mit Frakturversalien (G).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/3]

  1. A

    I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDAEORVM) ·1)

  2. B

    ANNO // 1575

  3. C

    A(LBERT) V(AN) S(OEST)a)

  4. D

    CONDITVS HAC FABIVS DORMIT LVTICHIVS VRNA. /MARCHIA CVI VITAM PATRIA CLARA DEDIT. /QVI MARTEM PRIMIS ET CASTRA SECVTVS AB ANNIS. /PROMERVIT CLARI NOMEN HABERE DVCIS. /REGNA NOVE(M) VIDIT. QVIB(VS) ET SVA FACTA PROBAVIT. /PRO GREGE PRO SANCTAb) PRAELIA LEGE GERENS. /POST VARIOS TANDEM CASVS BELLIQ(VE) LABORES /CHRISTO MILITIAE CONSECRAT ARMA SVAE. /DVM VITAM CHRISTO MORIENSQ(VE) DICAVIT EGENIS /FORTVNAE ET DEXTRAE PRAEMIA LARGA SVAE. /FELIX QVI POTVIT CLARIS EMERGERE FACTIS. /FELIX QVI POTVIT CHRISTI IN AMORE MORI. /c)FABIAN LVDICH OBIIT ANNO 1571 . 16 IVLII./ GERDRVTH WILDE / VXOR

  5. E

    FIDES

  6. F

    SPES

  7. G

    Also hefft Godt de Werlt geleuet dat he sine(n) einige(n) Soned) gaff, vp dat alle de a(n) / en geloue(n)d), nicht vorlare(n) werde(n), sunder dat ewige leuent hebben. Joha. iij.e)2)

Übersetzung:

Beigesetzt in diesem Grab schläft Fabian Lutichius, dem die Mark (Brandenburg), sein berühmtes Vaterland, das Leben gegeben hat, der, indem er dem Krieg und dem Heer von frühesten Jahren an folgte, sich den Ruf eines berühmten Heerführers verdiente. Neun Königreiche hat er gesehen und zeigte diesen die Tüchtigkeit seiner Taten, indem er für die Menge und für das heilige Gesetz Schlachten schlug. Endlich nach verschiedenen Wechselfällen und Mühsalen des Krieges weiht er Christus die Waffen seines Kriegsdienstes. Indem er sein Leben Christus widmete, widmete er auch sterbend den Bedürftigen den reichen Lohn seines (günstigen) Schicksals und seiner Tapferkeit. Glücklich, wer durch ruhmvolle Taten herauszuragen vermochte, glücklich, wer in Christi Liebe zu sterben vermochte. Fabian Ludich starb im Jahr 1571 am 16. Juli. Gertrud Wilde, seine Ehefrau. (D)

Glaube. Hoffnung. (E, F)

Versmaß: Elegische Distichen (D).

Wappen:
Lutichius/Ludeke3)Wilde4)

Kommentar

Die Kapitalisinschriften B und D enthalten die charakteristischen O des Albert von Soest mit der stark rechtsgeneigten Schattenachse und die gegengleich gestalteten Q mit stark linksgeneigter Schattenachse sowie E und L mit weit nach rechts ausgezogenem unteren Balken; der Mittelteil des geraden M ist bis zur Grundlinie herabgezogen. Diese Merkmale finden sich sowohl in den Inschriften der in Holz gefertigten Werke des Bildhauers (vgl. Nr. 447) als auch auf dem steinernen Epitaph des Jakob Schomaker aus dem Jahr 1579 in Bardowick. Die Kapitalisinschriften zeigen einen betonten Wechsel von Haar- und Schattenstrichen und sind sehr ausgewogen proportioniert, die Pentameter der Inschrift D sind in kleineren Buchstaben ausgeführt als die Hexameter. Für die deutsche Inschrift G verwendete Albert von Soest noch durchgehend der gotischen Minuskel entsprechende Buchstabenformen, die er mit Frakturversalien kombinierte. Auffallend sind hier die dreimal als Satzzeichen verwendeten dünnstrichigen Virgeln.

Obwohl die Versgrabschrift D Fabian Lutichius als berühmten Heerführer preist, ist über ihn kaum etwas bekannt. Im Kämmereiregister von 1572 ist er als Hauptmann Fabian Ludeke in der Rubrik Herwede (vgl. Nr. 158) aufgeführt, unter dem Jahr 1571 – möglicherweise aber schon nach seinem Tod – findet sich ein Eintrag, wonach Peter Went für das Putzen und Polieren der Rüstung des Fabian Ludeke entlohnt wurde.5) Nach Rikemann war der Hauptmann im Chor von St. Johannis begraben.6) Die Kirchenrechnung von St. Johannis verzeichnet unter dem Jahr 1571 eine Einnahme in Höhe von 30 Mark für das Begräbnis in der Kirche.7)

Textkritischer Apparat

  1. A und V ligiert, V und S verschränkt.
  2. persancta Rikemann Ex. Göttingen, per sancta Ex. Lüneburg.
  3. Bei Rikemann Ex. Göttingen und Ex. Lüneburg sind die beiden letzten Distichen vertauscht.
  4. o mit diakritischem Punkt darüber.
  5. Die im Original gesetzten Virgeln sind hier als Kommata wiedergegeben.

Anmerkungen

  1. Io. 19,19.
  2. Jh. 3,16.
  3. Wappen Lutichius/Ludeke (Balken belegt mit einem Stern zwischen zwei Lilien).
  4. Wappen Wilde (dreimal quergeteilt, im unteren Feld eine Schelle).
  5. StA Lüneburg, AB 56/5, fol. 237v u. 247v.
  6. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 327.
  7. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,2, fol. 314v.

Nachweise

  1. Lossius, Epitaphia Principum, S. 61.
  2. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 327 (D).
  3. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Göttingen, p. 184 (D).
  4. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Lüneburg, fol. 196r (D).
  5. Witzendorff, Wegweiser, p. 103 (D).
  6. Sagittarius, Historia, p. 382 (D).
  7. Reinbeck, Chronik, p. 705 (D).
  8. Gebhardi, Collectanea, Bd. 1, p. 485 (D unvollständig, nach Witzendorff).
  9. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 147 (D, G).
  10. Behncke, Albert von Soest, S. 47–49, Abb. Tafel VIII.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 489 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0048907.