Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 466 St. Johannis 1572, 1607

Beschreibung

Zwei Gemälde mit Darstellungen des Abendmahls und der Auferstehung. Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen. Beide Gemälde, die sich in der Schatzkammer, der ehemaligen Ursulakapelle, befinden, sind links und rechts von Zierkanten mit Goldornament auf schwarzem Grund gerahmt. Im Gemälde der Auferstehung auf dem Sarg die Jahreszahl A, das Gemälde des Abendmahls trägt in der unteren linken Ecke die Inschrift B.

Maße: H.: 83 cm; B.: 121 cm (Auferstehung). H.: 82 cm; B.: 122 cm (Abendmahl). Bu.: 2,5 cm (A), 2 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. A

    · 1 · 5 · 7 · 2 ·

  2. B

    RENOVATVM 1607

Kommentar

Bei den beiden Gemälden handelt es sich wohl um die frühesten bekannten Werke Daniel Freses in Lüneburg (vgl. dazu Nr. 436). Sie sind zwar nicht signiert oder durch einen Rechnungsbucheintrag zu belegen, zeigen aber typische Merkmale der Malweise Freses. Dass Frese die Gemälde noch in Hamburg anfertigte,1) lässt sich mit dessen eigenen Angaben zu seiner Biographie nicht vereinbaren, wonach er seit 1570 in Lüneburg wohnte (vgl. Nr. 436). Das in Inschrift B genannte Renovierungsdatum macht es wahrscheinlich, dass Daniel Frese die Überarbeitung noch selbst durchführte.

Die beiden Inschriften markieren die Zeitspanne seiner Wirkungszeit in Lüneburg.2) Der in Dithmarschen geborene Maler ist in Hamburg nachzuweisen, bevor er seit 1570 in Lüneburg tätig wurde. Das Bürgerrecht erwarb er erst im Jahr 1586,3) also zu einer Zeit, als er bereits zahlreiche Aufträge im Rathaus ausgeführt hatte (seit 1573, vgl. Nr. 473). Zuvor musste er sich – wie auch andere Maler – jahrelang gegen heftige Vorwürfe des damals noch eine Einheit bildenden Glaser- und Maleramts zur Wehr setzen, dessen Mitglieder ihnen widerrechtliche fuscherey vorwarfen, weil sie weder Mitglieder des Amtes noch Lüneburger Bürger waren und gleichwoll unß unsere narung und daß Brodt vor dem Munde hin weg reissen (1579).4) Noch 1585 beschwerte sich das Amt, das sich inzwischen mit anderen Malern geeinigt hatte, beim Rat – also bei dem Hauptauftraggeber Freses – darüber, dass dieser den Meistern die Leute abwarb, weil er vber seinen hohen Rhum vnd großsprechendt mit eigener handt weinig außfuhren kan.5) Frese wurde vorgeworfen, das ganze System durcheinanderzubringen, da unter den gegebenen Umständen die Witwen und Töchter der Maler keinerlei Interesse hätten, mit einem Gesellen aus dem Amt die Ehe zu schließen, weil deren Aussicht auf Einkünfte dermaßen gering seien. Daher bat man darum, Frese zu untersagen, weiterhin Gesellen zu beschäftigen, den er nun sich genugsten bereichet hat, wie der augenschein an seiner Frawen gibt.6)

Die Vorwürfe beschränkten sich aber nicht auf die äußeren Bedingungen, unter denen Frese arbeitete, sondern erstreckten sich auch auf die Qualität seiner Arbeiten. Auf diese Weise erfährt man von heute nicht mehr erhaltenen Werken des Malers, die dieser vor 1585 ausgeführt hatte, z. B. von drei nach Ansicht des Amtes wenig kunstreichen Contrafacturn dreier wirdiger herrn deß ministerij in der Möhlen Capell (St. Johannis). Auch die figuren vom Christlichen Ritter und die danebenstehenden Figuren in der Lambertikirche genügten den Ansprüchen des Amtes nicht, zudeme er auch alda seine arbeidt, die ihme doch Oliefarben verdinget, halb wasserfarben gemalett, Auch entgegen vnsere Eines Erbarn Raths gegebene Rollen seine Arbeidt vngefernist dargelevert ... die Leute also damit betriegt. Das decorum hette auch sollen zu S. Johannis besser observiret sein worden, in deme er die funff tullen Jungfern mitt lachenden angesichtern, auch mit einem Reuchbuschlein sehr höfflich zieret. Das Kunstuck an der sendung deß heiligen Geists baven der von Dassell Capell (St. Johannis) ist nicht viell besonders ... .7) Möglicherweise lag es auch an dem hier erwähnten fehlenden Firnis, dass zumindest das Bild der Auferstehung in St. Johannis bereits 1607 restauriert werden mußte. Interessanterweise sind die 1585 bereits fertiggestellten Arbeiten Freses für das Rathaus wie der Bilderzyklus für die Große Ratsstube nicht in diese Kritik einbezogen, da man dem Rat wohl nicht unterstellen mochte, einen der repräsentativsten Räume des Rathauses mit minderwertigen Gemälden geschmückt zu haben.

Im Zusammenhang der Beschwerden von 1585 ist auch eine Renovierung von St. Johannis erwähnt, für die Frese die aus Sicht des Amtes überhöhte Summe von 700 Talern gefordert hatte.8)  Diese Renovierung, die wohl nicht über das Planungsstadium hinauskam, sollte nach Freses Worten die Verzierung der Kirche mit vielen anderen schonen bildern, figuren, historien vnndt schrifften umfassen.9) Die Auseinandersetzungen gipfelten darin, dass Mitglieder des Amtes das im Besitz des Rats befindliche Haus, in dem Frese mit seiner Familie 1585 wohnte, aufsuchten, einzudringen versuchten und den Maler und seine Ehefrau (zu ihr vgl. Nr. 481) mit Schimpfworten (Hanrey bzw. Sacramentische) beleidigten.10) Offenbar gelang es dem Rat jedoch kurz darauf, Frieden zwischen Daniel Frese und dem Amt zu stiften: nachdem er 1586 das Bürgerrecht erworben hatte, wurde er Mitglied des Glaser- und Maleramts, bekleidete seit 1592 das Amt des Ältermanns und bewirkte in dieser Funktion auch die Trennung in zwei Ämter, die 1595 erfolgte.11) Frese arbeitete bis zum Jahr 1607 am Lüneburger Rathaus (vgl. Nr. 474). Er starb im April 1611 und wurde am 14. April auf dem Kirchhof von St. Johannis beerdigt.12) Eine Grabinschrift ist für ihn nicht überliefert, obwohl seine Witwe ihm im November 1611 eine Grabplatte setzen ließ und dafür die Gebühr von 10 Mark an die Kirchenkasse von St. Johannis entrichtete.13) Der Kauf des Begräbnisplatzes oder die Gebühr für das Begräbnis finden sich nicht in den Kirchenrechnungen.

Anmerkungen

  1. Thieme/Becker, Künstlerlexikon, Bd. 12, S. 227. Haupt, Ratsstube, S. 47. Beide ohne Beleg.
  2. Vgl. hierzu ausführlich Reinecke, Rathaus, S. 123–129.
  3. StA Lüneburg, AB 2 (Donat), p. 153.
  4. StA Lüneburg, AA G4m Nr. 1, Bd. 1, ab fol. 33, hier fol. 33r/v.
  5. Ebd., fol 68r.
  6. Ebd., fol. 69r.
  7. Ebd. fol. 73r/v.
  8. Ebd., fol. 84r.
  9. Ebd., fol. 85r.
  10. StA Lüneburg, AA G4m Nr. 1, Bd. 1, S. 125.
  11. Diese Daten nach Reinecke, Rathaus, S. 124. Aus welchen Quellen Reinecke diese Angaben entnommen hat, ließ sich nicht ermitteln. Im Donat AB 2 ist die Aufnahme Freses in das Maleramt nicht verzeichnet.
  12. In der Kellnereirechnung von St. Michaelis für das Jahr 1611 (StA Lüneburg, St. Michaelis 5336), in der unter der Rubrik Percepta ex diversis Einnahmen verzeichnet sind, bei denen es sich wohl um Läutegeld bei Beerdigungen handelt, findet sich unter dem 14. April 1611 der Eintrag: Daniel Frese der Maler.
  13. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,5, fol. 232v.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 466 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0046607.