Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 429 Berlin, Kunstgewerbemuseum 1566

Beschreibung

Becher, ‚Töbing-Becher‘.1) Silber, vergoldet. Der Becher gehört zum Ratssilber und wurde im Jahr 1874 an den preußischen Staat verkauft. In den in dieser Form 1566 zusammengesetzten Becher sind ältere Versatzstücke verarbeitet. Er steht auf einem abnehmbaren Fußteil, gebildet durch einen von drei kastenartigen, durchbrochenen Postamenten mit aufgesetzten Engelsköpfen getragenen Standring. Um den Standring verläuft die eingravierte Inschrift A. Am Fuß des Bechers ein glatter gekehlter Streifen mit aufgesetzten Rosetten, die Becherwandung darüber mit Maureskenornament verziert, das in der Bechermitte von einem durchbrochenen Zierfries mit Rankenwerk sowie Rosetten und Kriegerköpfen im Medaillon darin umfangen wird. Auf dem Deckel zwischen zwei plastischen Blattwerkreihen über Maureskendekor zwischen glatten Stegen die zweizeilige Inschrift B in glatten Buchstaben vor schraffiertem Hintergrund. Die den Deckel ehemals bekrönende Figur fehlt. In den glatten Streifen am Fuß sind in unbeholfener Weise die Initialen C eingepunzt, die offensichtlich nicht mit den beiden anderen Inschriften in Verbindung stehen. Die Worttrenner in Inschrift A als Sternchen. Unter dem Boden das Lüneburger Beschauzeichen und eine Meistermarke.2)

Maße: H.: 20,9 cm; Dm.: 7,9 cm; Bu.: 0,2 cm (A), 0,3 cm (B, 1. Zeile), 0,4 cm (B, 2. Zeile), 0,5 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/4]

  1. A

    IOHAN · / TOBING · D(E)D(IT) · ANNO · DOMINI · 1566 · MENSE · FEBRVA(RII)

  2. B

    DICTVM · EOBANI · HESSI · PVRO · CORDE · DEVM · COLE · DILIGE · CONSVLIa) · FRATRIHAEC · FIDEI · SVMMA · EST · HIC · PIETATIS · APEX ·3)

  3. C

    H G D

Übersetzung:

Johann Töbing hat (dies) im Jahr des Herrn 1566 im Monat Februar gestiftet. (A)

Ausspruch des Eobanus Hessus: Mit reinem Herzen verehre und liebe Gott und kümmere dich um deinen Bruder. Dies ist das höchste Gebot des Glaubens, der Gipfel der Frömmigkeit. (B)

Versmaß: Ein elegisches Distichon (B).

Kommentar

Welche Bedeutung die Initialen C haben, ist unklar. In der Literatur gilt seit Schröder, der die Versform der Inschrift B übersehen und die von ihm als Widmung verstandenen Wörter CONSVLI FRATRI wie alle anderen Überlieferer an das Ende der Inschrift B gesetzt hat, der bei Büttner als Johann VIII. († 1567) Verzeichnete als Stifter des Bechers.4) Allerdings kämen bei der weitläufig verzweigten Familie mit ihren zahlreichen Ratsmitgliedern auch andere Familienmitglieder in Betracht: Johann X. († 1582, vgl. Nr. 759) sowie Johann XI. († 1579, vgl. Nr. 523).

Textkritischer Apparat

  1. CONSVLI metrisch fehlerhaft. consule bei Eobanus Hessus grammatisch und metrisch korrekt. Aufgrund des Fehlers in der Inschrift wurden die Wörter CONSVLI FRATRI bisher in der gesamten Literatur – in Unkenntnis der Verse – als Widmung an den ‚Ratsherrn und Bruder‘ aufgefasst und an das Ende der Inschrift gesetzt.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. 1874,378.
  2. Die Meistermarke in Form eines S (Rosenberg, Merkzeichen, Bd. 2, Nr. 3272) wurde von Schröder, Ratssilber, Werke (o. S.), Nr. 14, mit Vorbehalt dem Lüneburger Goldschmied Steffen Olrikes zugeordnet. Zu dem Goldschmied, der archivalisch seit 1556/57 nachweisbar ist, vgl. Schröder, Ratssilber, Meister, [S. 21], u. Scheffler, Goldschmiede, Nr. 88, S. 906f. Nach Schröder übernahm Steffen Olrikes im Jahr 1574/75 ein Gasthaus und beendete dafür seine Tätigkeit als Goldschmied.
  3. Psalterium Davidis carmine redditum per Eobanum Hessum ... . Leipzig 1548, S. 30. Vgl. a. Datenbank CAMENA: http://www.uni-mannheim.de/mateo/camena/hessus2/Hessus_psalterium.html (31.05.2016).
  4. Schröder, Werke (o. S.), Nr. 14; zuletzt Bursche, Ratssilber, Nr. 11, S. 116, u. Netzer, Ratssilber, Nr. 11, S. 70. Vgl. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Töbing I. Zu Johann VIII. macht Büttner keine weiteren Angaben.

Nachweise

  1. Gebhardi, Collectanea, Bd. 2, p. 197 (A).
  2. Albers, Rathaus, S. 46.
  3. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 192 (A, C, nach Albers).
  4. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 293.
  5. Schröder, Ratssilber, Werke (o. S.), Nr. 14.
  6. Appuhn, Ratssilber, Nr. 26, S. 27.
  7. Bursche, Ratssilber, Nr. 11, S. 115f. mit Abb.
  8. Netzer, Ratssilber, Nr. 11, S. 70f. mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 429 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0042905.