Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 423 Schröderstr. 16 1564

Beschreibung

Bemalte Holzbalkendecke im ersten Obergeschoss. Die Decke gehörte zu einem Saal, dessen Vorraum ebenfalls mit einer bemalten Balkendecke ausgestattet war (Nr. 565); heute ziehen sich beide Decken, die im rechten Winkel zueinander angeordnet sind, über Büroräume im ersten Obergeschoss. Eine weitere bemalte Balkendecke im selben Gebäudekomplex im Flügel an der Apothekenstraße (vgl. Nr. 564). Die teilweise nur noch fragmentarisch erhaltene Saaldecke besteht aus 14 Deckenfeldern, die durch Trägerbalken voneinander getrennt sind. In den Feldern zwischen Rankenwerk mit vielfältigen Früchten, Engelsköpfen, Putten, einem Mönch, Masken und Tieren rot gerahmte Medaillons mit Halbfiguren. In den auf der Seite der Innenwand angebrachten Medaillons Darstellungen von Tugenden sowie abschließend Christus mit der Weltkugel (A), in den Medaillons auf der Fensterseite Propheten des Alten Testaments sowie abschließend David und Johannes Baptista (B). Die beiden Medaillon-Reihen sind gegeneinander um 180° gedreht, so dass die Lese- und Betrachtungsrichtung zwischen Tugenden und Propheten wechselt. Die Figuren sind durch Tituli in Schwarz auf dem weißen Hintergrund der Medaillons bezeichnet. Im Medaillon der Veritas oben links eine in roten Buchstaben beschriftete Wolke; die Frauenfigur hält als Attribut eine Sonne. Als Verteidiger des Glaubens ein Mann in Rüstung mit Lorbeerkranz; Misericordia als Frauenfigur mit drei Schilfkolben; die Frauenfigur der Cognitio Dei liest in einem aufgeschlagenen Buch (Bibel) mit angedeuteter Schrift darin, vor ihr ein weiteres geschlossenes Buch. Im Medaillon, das Christus mit der Weltkugel zeigt, läuft die Inschrift dem Rahmen folgend im Innenfeld um. Zur Wandseite hin in einem Deckenfeld in einer gemalten Rollwerkkartusche die teilweise nur schemenhaft erhaltene Inschrift C in Schwarz auf weißem Grund, die Initiale und das zweite Wort in Rot. Die Inschrift ist durch eine bei der Restaurierung der Decke 1984 angebrachte Kopie mit erläuternder Inschrift ergänzt.1)

Maße: Bu.: 3–5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien, Fraktur (A), Kapitalis (B), gotische Minuskel mit Versalien (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/5]

  1. A

    VERITAS // DEVSFIDEI / [.....]a)MISE/RICORDIA[ – – – ][ – – – ][ – – – ]IVSTI[TIA]CHA//[RITAS]SPESFIDESCOGNI//TIO . / DEI ·Ick bin de wech de warheit vn(dt) dat leuent . IOAN . 142)

  2. B

    E[.....]b)IER[E]//MI[A]HESE//KIE[L]DA//NIEL[ – – – ]HO//SEAIONAHABA//CUC[ – – – ]SACH//ARIA[AMOS]c)[D]AVIDS(AN)C(TVS) // IOHANNES

  3. C

    Anno d(omi)ni · M · D / LXIIII D[IE] 27 / [...]

Übersetzung:

Wahrheit. Gott. (Verteidiger?) des Glaubens. Barmherzigkeit. ... Gerechtigkeit. Liebe. Hoffnung. Glaube. Gotteserkenntnis. (A) Im Jahr des Herrn 1564 am 27. Tag des (Mai?). (C)

Kommentar

Die sehr schlecht erhaltene Inschrift C, auf der die Datierung der Decke beruht, erscheint sowohl im Hinblick auf die hier gewählte Schriftart der gotischen Minuskel, den auffallend hoch und spitz ausgezogene Versalbuchstaben A als auch durch die Angabe des Tages der Fertigstellung sowie die Kombination von römischen und arabischen Ziffern ungewöhnlich.

Der Teil des Gebäudekomplexes Schröderstr. 16/18, in dem sich der ehemalige Saal mit der Balkendecke befindet, wurde um 1560 durch den Bürgermeister Heinrich Töbing errichtet.3) Die auf 1564 datierte Bemalung der Balkendecke wurde kurz darauf ausgeführt und ist zusammen mit der Balkendecke Nr. 436 eines der frühesten Beispiele für diese Art der Raumausstattung, die in den Lüneburger Patrizierhäusern später zum Standard gehörte. Das hier umgesetzte Bildprogramm ist rein biblisch geprägt, das gilt auch für die Tugenden, denen sich der Verteidiger des wahren Glaubens und die auf das biblische Wort konzentrierte Gotteserkenntnis zugesellen.

Textkritischer Apparat

  1. Möglicherweise DEFENSOR zu ergänzen, am Beginn des zweiten Wortes ist ein D oder T ansatzweise zu erkennen.
  2. Zu ergänzen zu ESAIA.
  3. Nach Dülberg AMOS, hier sind oben und unten nur noch die Umrisse des Medaillons zu erkennen, dazwischen ist eine Trennwand eingezogen.

Anmerkungen

  1. Anno dm · M · D / LXIIII dm 27 / mai. Darüber: Konserviert und nicht retuschiert / 1984 · 23 Februar Rechts originale Inschrift.
  2. Jh. 14,6.
  3. Terlau-Friemann, Patrizierarchitektur, S. 255–259. Böker, Baudenkmale Lüneburg, S. 566.

Nachweise

  1. Dülberg, Ikonographie, S. 148f.
  2. Katalog Raumkunst, Abb. 201, S. 245.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 423 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0042305.