Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 421† Rathaus 1564 o. 1609

Beschreibung

Inschriften auf der Westseite des Kämmereiflügels. Büttner lokalisiert die von ihm überlieferten Inschriften A–F lediglich durch die Angabe Ad Occidentalem. Sie standen demzufolge in sechs der sieben durch die heute noch vorhandenen Wappenschilde (Stadt Lüneburg und Fürstentum im Wechsel) getrennten Felder im Fries zwischen dem Zwischen- und dem Obergeschoss. Die Inschrift G bezeichnet Büttner mit dem Vermerk Ad dextrum Valvarum latus (auf der rechten Seite der Tür?), die Inschrift H lokalisiert er Supra Valvas, also im Spitzbogen über der nördlichen Tür.

Inschriften nach Büttner.

  1. A

    Legum noticia licita sectantur

  2. B

    Earum cognicione inhibita declinantur

  3. C

    Legum vinculo Resp(ublica) solidatur

  4. D

    Res acquisitaea) per leges defenduntur

  5. E

    Res deperditae legibus recuperantur

  6. F

    Summam salutem leges tuentur

  7. G

    Struxerunt alii nobis nos posteritati Sic nos acceptum reddimus officium1)

  8. H

    Ludibria rerum mortalium cunctis in negotiis obversantur2)

Übersetzung:

Die Kenntnis der Gesetze strebt nach dem Erlaubten. (A)

Durch ihre ungehinderte Kenntnis werden sie gebeugt. (B)

Durch die Schranke der Gesetze wird das Gemeinwesen gefestigt. (C)

Erworbene Dinge werden durch die Gesetze verteidigt. (D)

Eine verlorene Sache wird durch die Gesetze wiedererlangt. (E)

Die Gesetze schützen das größte Heil. (F)

Andere haben für uns gebaut, wir (bauen) für die Nachwelt, so vergelten wir den empfangenen Dienst. (G)

Die Täuschungen der sterblichen Angelegenheiten zeigen sich in allen Geschäften. (H)

Versmaß: Ein elegisches Distichon (G).

Kommentar

Es ist nicht sicher, ob die Inschriften hier auf geschnitzten oder bemalten Holztafeln angebracht waren, oder ob sie auf einen glatten, eventuell verputzten Untergrund gemalt wurden. Zu der Anbringung der Inschriften und zu ihrer Datierung vgl. den Kommentar zu Nr. 418.

Im Gegensatz zu den allgemeinen Sentenzen auf der Nordseite des Rathauses (Nr. 418, 419, 420) und über den Türen der Westseite (G, H) wird in den Inschriften A–F oben an dieser Seite die Wirksamkeit von Gesetzen thematisiert.

Textkritischer Apparat

  1. angustae Büttner, Inscriptiones, auf einem anderen Blatt, auf dem diverse Inschriften des Rathauses noch einmal zusammengestellt sind.

Anmerkungen

  1. Das Distichon ist mit starken Varianten im Pentameter verschiedentlich in Inschriften nachzuweisen. U. a. dieselbe Textversion wie in Inschrift G an dem Haus Westerbachstr. 2 in Höxter (http://www.hvv-hoexter.de/wp-content/uploads/2010/07/Hausinschriften-in-Höxter-Teil-1.pdf) (19.05.2015).
  2. Tacitus, Annales, 3,18. Die übrigen Sentenzen so bisher nicht nachzuweisen.

Nachweise

  1. Büttner, Inscriptiones.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 421† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0042109.