Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 419† Rathaus 1564 o. 1609

Beschreibung

Holztafeln mit Inschriften, nach Büttner Ad aedes Secret(arii), also am ‚Sekretarienhaus‘ auf der Nordseite des Rathauses. Vermutlich bezieht er in diese Benennung auch die Neue Schreiberei mit ein, die mit dem Sekretarienhaus zusammen eine Front mit durchlaufendem Fries zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss bildete.1) Nähere Angaben zur Lokalisierung der Inschriften macht Büttner nicht, es dürfte sich aber um außen auf dem noch vorhandenen von Formsteinen gerahmten Fries zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss angebrachte hölzerne Schrifttafeln gehandelt haben (vgl. Nr. 418). Adam weist hier zahlreiche Dübellöcher nach.2) Angesichts der Menge der Texte ist es wahrscheinlich, dass sie jeweils in mehreren Zeilen auf einer separaten Tafel bzw. in einem separaten Inschriftenfeld auf einer mehrere Felder umfassenden langen Tafel angebracht waren.

Inschriften nach Büttner.

  1. A

    Taciturnitas optimum et tutiss(imum) rerum administrandarum vinculum3)

  2. B

    In morbis Reip(ublicae) nihil magis periculosum quam immatura medicina4)

  3. C

    Nihil in ea Rep(ublica) facile mutandum quae diu floruit in eodem statu

  4. D

    Perniciosissima mala quae specie publicae utilitatis velantur

  5. E

    Pessimum veri affectus venenum sua cuique utilitas5)

  6. F

    Prudentis est sententiam tanquam navigium e Reip(ublicae) tempestate moderari6)

  7. G

    Expedit Reip(ublicae) multos esse quorum interest Remp(ublicam) salvam esse

  8. H

    Inanis in consiliis diligentia si negligentia in perficiendo sequatur

  9. I

    Summae prudentiae est ita praeteritorum recordari ut futuris prospiciatur

Übersetzung:

Das Schweigen ist die beste und sicherste Schranke der zu lenkenden Geschäfte. (A) Bei Krankheiten des Gemeinwesens ist nichts gefährlicher als eine unausgereifte Medizin. (B) Nichts ist leicht zu verändern in einem Gemeinwesen, das schon lange im selben Zustand geblüht hat. (C) Die gefährlichsten Übel sind die, die unter dem Anschein des öffentlichen Nutzens verschleiert werden. (D) Das schlimmste Gift gegen ein echtes Gefühl ist der Eigennutz. (E) Es ist die Sache des Klugen, die Meinungsbildung wie ein Schiff aus dem politischen Sturm zu lenken. (F) Es nützt dem Gemeinwesen, wenn es viele gibt, denen es wichtig ist, dass das Gemeinwesen gesund ist. (G) Sorgfalt in der Planung bleibt unwirksam, wenn ihr Nachlässigkeit in der Ausführung folgt. (H) Es zeugt von größter Klugheit, sich in gleichem Maße der vergangenen Dinge zu erinnern wie für die zukünftigen vorgesorgt wird. (I)

Kommentar

Zu der Anbringung der Inschriften und zu ihrer Datierung vgl. den Kommentar zu Nr. 418.

Anmerkungen

  1. Vgl. Adam, Rathauskomplex, S. 207–215.
  2. Ebd., S. 212 und Abb. 151, S. 214. Adam kennt die Inschriften nicht.
  3. Valerius Maximus, Factorum et Dictorum Memorabilium Liber II,2.1.
  4. Nach Seneca, De consolatione ad Helviam matrem, I,1, dort ohne Bezug auf das Gemeinwesen.
  5. Tacitus, Historiarum Liber I,15.
  6. Cicero, Oratio pro L. Cornelio Balbo, 61. Die übrigen Inschriften so bisher nicht nachzuweisen.

Nachweise

  1. Büttner, Inscriptiones.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 419† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0041908.