Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 408 St. Michaelis 1562 o. früher

Beschreibung

Gedenktafel für die Äbte des Klosters St. Michaelis. Ölgemälde auf Holz. Die querrechteckige Tafel, die früher in der Gruft der Äbte hing, ist heute an der Ostwand des südlichen Seitenschiffs angebracht. Auf der linken Seite der Tafel Hermann Billung als Gründer des Klosters in Ganzfigur, zu seinen Füßen rechts sein Wappenschild, darüber die Tafel mit der Inschrift A in schwarzen Buchstaben auf weißem Grund mit roten Versalien. Rechts daneben folgt das Verzeichnis der Äbte des Klosters, in drei Reihen (B–D) übereinander der Name in Schwarz mit roten Versalien auf einem weißen Schriftband und der Sterbevermerk für den jeweiligen Abt auf grünem Grund über dessen Wappenschild. Oben über der Abtsreihe auf dem Rahmen die Inschrift E in Schwarz auf weissem Grund mit roten Versalien, unter der Abtsreihe auf dem Rahmen die ebenso ausgeführte Inschrift F. Die Tafel wird von dem Vollwappen des Stifters, des Abts Eberhard von Holle, bekrönt, das von zwei Löwen gehalten wird.

Maße: H.: 175 cm; B.: 443 cm; Bu.: ca. 9 cm (A, Kapitalis), ca. 7 cm (A, Fraktur), ca. 6–7 cm (B–D), ca. 5 cm (D, Sterbevermerke), ca. 3 cm (E, F).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien und Fraktur (A), Fraktur (B–F).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/4]

  1. A

    EPITAPHIVM, HERMANNI / BILINGK, HERTOGEN THO / SASSEN VND LVNEBORCH / FVNDATORIS, DISSES CLOSTERSHerman bilingk bin ick genanth, /In dem Romeschen rike wol beka(n)th /Ein Eddelman van Stibbeshorn, /waß van slichten Stamme(n) geboren /Kunst doget Rechticheit mick brachtDat Keyser Ottho mick tho(m) Fürstena) macht /Do ick nhu erhauen tho einem Heren /Do stifte ick Got vnde dem Adel tho eren /Vnd bawede dit Kloester · S · Michaell vorwar /Darbeneuen luneborch dat Sloeth aldar, /was tüchticha) strenge In aller thaeth /Ottho de groethe mi dar vmb begnad

  2. B

    Liciericvs de / Erste Abbt · // Is genamen vth sancth panthaleones Kloester van Kollen · b)1)Brvno de / · 2 · Abbett · 2)Berdagvs / de 3 · Abbt · 3)Riccasvs de / 4 · Abbt · 4)Hermannvs / de · 5 · Abbt · 5)Albinvs / de · 6 Abbt · 6)Berthericvs / de · 7 · Abbt · 7)Aricko de / · 8 · Abbt8)Bertholdvs / de · 9 · Abbt9)Ritservs / de · 10 · Abbt10)Adeldagvs / de · 11 · Abbt · 11)

  3. C

    Marquardvs / de 12 · Abbt12)Barchardvs de / 13 · Abbt · 13)Hartmannvs / de · 14 · Abbt14)Anno de / · 15 · Abbt15)Iohannes de / · 16 · Abbt · 16)Halto de / · 17 · Abbt17)Thidericvs / · 18 · Abbt18)Lvdervs de / · 19 · Abbt · 19)Lvdolphvs / de · 20 · Abbt20)Thomas de / · 21 · Abbt21)Wernervs de / · 22 · Abbt · 22)

  4. D

    Othrauenvs va(n) / Barueld · 23 ab(bt) / starf · 1 · 3 · 47 · 23)Olricus van / Ilten · 24 · ab(bt) / starf · 1 · 3 · 6 · 0 · 24)Daniel van / Hoborpc) · 25 a(bbt) / starf · 1 · 3 · 6 · 8 · 25)Johannes · / Slepegrell · 26 a(bbt) /starf · 1 · 3 · 7 · 1 · 26)Wernervs · / Grote · 27 · ab(bt) / Is gestorv(en) · 1 · 3 · 84 · 27)Olricus van / Barfelt · 28 · abt / starf · 1 · 4 · 2 · 3 · 23)Boldewinus va(n) / Wenden · 29 · ab(bt) / starf · 1 · 4 · 4 · 1 · 28)Lvdolphvsd) va(n) /Hitzacker · 30 · a(bbt) / starf · 1 · 4 · 7 · 7 · 29)Albertvs van / Bauenten · 31 · ab(bt) / starf · 1 · 4 · 8 · 6 · 30)Wernervs · va(n) / Dageforde, 32 a(bbt) / starf · 1 · 5 · 0 · 4 · 31)Boldewinvs v(an) / Marnholt, 33 · ab(bt) / starf · 1 · 5 · 3 · 2 · 32)Herborde van / Holle, de · 34 · abt / starf · 1 · 5 · 5 · 5 · 33)Everharde van / Holle · de · 35 · abt / starf · 1 · 5 · 8 · 6 · e)33)

  5. E

    Im yar vnses here(n) · 9 · 7 · 1 · stifte Hermen Bilinck nach dem he vam Keiser Otte dem ersthe(n) mith dem Fürstendoma) Sassen vnde luneborch beleneth dith Kloster vp dem kalckbarch an dem Slathe34) lvneborch belegehen · vnde wardt Anno 1371 dat Slot vnd Closter gewünnena) vnd nedder geretten vnd wardt dat Closter · 1373 · alhir gefund(er)etf)

  6. F

    Als de Erwerdige Her Herbordt van Holle loflicher vnd seliger gedechtenisse thom Abbet erkoren hefft he also fordt de reinen lutherg) des Hilligen Evangely angenomen vnde hefft desvluigen bestendichlick bekendt beth in sin Ende dar by vns Godt gnedichlick wolde erholden Amen.

Versmaß: Deutscher Reimvers (A).

Wappen:
Fürstentum LüneburgHolle33)Wappen der Äbte s. Anm. 1–33

Kommentar

Möglicherweise wurde die Inschrift A von Lucas Lossius selbst verfasst, der sie in seinen Epitaphia Principum im Zusammenhang mit der Inschrift Nr. 407 wiedergibt. Da die lateinische Versinschrift, die auf die Inschriften A und F der Abtstafel Bezug nimmt, auf 1562 datiert ist, muss die Abtstafel spätestens 1562 angefertigt worden sein. Sie diente ganz offensichtlich dazu, die altehrwürdige Herkunft des Klosters St. Michaelis zu untermauern, indem der Landesherr als Gründer und die lange Reihe der adeligen Äbte in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden, um dadurch die Wichtigkeit des Fortbestands dieser Institution in evangelischer Zeit zu bekräftigen. So fügt sich auch die Inschrift F in das Konzept der Tafel ein, die das unbedingte Bekenntnis des Abts Herbord von Holle zur lutherischen Lehre betont (vgl. Nr. 384).

Bei den Wappen dürfte es sich zum größten Teil um Fantasiewappen handeln, die den Äbten zugewiesen wurden, wofür auch die einfachen, stark verbreiteten Wappenmotive sprechen. Erst bei den Äbten aus jüngerer Zeit, für die Familiennamen überliefert sind, handelt es sich um eindeutige Familienwappen.

Textkritischer Apparat

  1. Die ü-Striche wohl nicht original, sondern bei einer Restaurierung gesetzt.
  2. Der Zusatz in einer schmalen Zeile zwischen Schrifttafeln und Wappen über vier Wappen reichend.
  3. Falsch restauriert, Holtorp.
  4. Die Haste des p fehlt.
  5. Da Eberhard von Holle die Tafel anfertigen ließ, müssten die beiden letzten Ziffen der Jahreszahl nachgetragen worden sein.
  6. Wohl ursprünglich so, heute etwas unklarer Buchstabenbefund.
  7. Wohl falsch restauriert und ursprünglich lehren.

Anmerkungen

  1. Wappen Liciericus (Mohrenkopf mit Stirnband).
  2. Wappen Bruno (drei Boote pfahlweise).
  3. Wappen Berdagus (Braunschweig: zwei Leoparden). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 26 u. Tafel 46.
  4. Wappen Ricasus (Balken).
  5. Wappen Hermann (Lüneburg: Löwe auf mit Herzen bestreuten Grund). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 26f.
  6. Wappen Albinus (Greif).
  7. Wappen Berthericus (Rautenkranz vor geteiltem Schild).
  8. Wappen Aricko (gerauteter Schild).
  9. Wappen Berthold (Adler).
  10. Wappen Ritserus (geschachter Schild).
  11. Wappen Adeldag (Ochsenkopf, frontal).
  12. Wappen Marquard (Adler).
  13. Wappen Barchard (aufgerichteter Löwe).
  14. Wappen Hartmann (Schaumburg?: Nesselblatt mit Schild belegt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 31f. u. Tafel 39.
  15. Wappen Anno (gespalten, vorne halber Adler, hinten Rautenkranz vor vier Balken).
  16. Wappen Johannes (gekrönter Ochsenkopf im Profil).
  17. Wappen Halto (Wernigerode?: zwei aufwärts gekrümmte Forellen), Vgl. Siebmacher Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 6, S. 184.
  18. Wappen Thidericus (Hirschstange oder Ranke).
  19. Wappen Luderus (Turnierkragen).
  20. Wappen Ludolph (Hoya?: zwei abgewendete Bärentatzen, aufgerichtet). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 116 u. Tafel 117.
  21. Wappen Thomas (Lippe?: fünfblättrige Rose). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 46 u. Tafel 102.
  22. Wappen Werner (geteilt, oben halber Adler, unten geschacht).
  23. Wappen Barvelde (Hirschgeweih). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 6, S. 15.
  24. Wappen Ilten (zwei Windhunde mit Halsband). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 10.
  25. Wappen Holtorp (geständert).
  26. Wappen Schleppegrell (Bärentatze). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 15 u. Tafel 16.
  27. Wappen Grote (Pferd mit Zaumzeug). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 8 u. Tafel 8.
  28. Wappen Wenden (zwei Sparren in einem von Lindenblättern besäten Schild). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 5, S. 103 u. Tafel 63.
  29. Wappen Hitzacker (schräggestreifter Löwe). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 9f., dort: auf eine Hellebarde tretend).
  30. Wappen Baventen (gespalten, vorne Schlüssel, hinten Löwe).
  31. Wappen Dageförde (drei Räder, 2:1).
  32. Wappen Mahrenholtz (Rose vor geteiltem Schild). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 12 u. Tafel 13.
  33. Wappen Holle (drei Mützen, 2:1). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 10.
  34. Möglicherweise als Schlagde, Umschlagplatz für Schiffe, zu verstehen, oder sinnentstellend restauriert.

Nachweise

  1. Lossius, Epitaphia Principum, S. 20f. (A).
  2. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 353 (A).
  3. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Göttingen, p. 194 (A).
  4. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Lüneburg, [fol. 209r/v] (A).
  5. Rikemann, Libellus, fol 7r/v (E sowie Abtsnamen und Todesdaten), fol. 14 (F).
  6. Gebhardi, Collectanea, Bd. 6, p. 422f. u. p. 424 (Zeichnungen).
  7. Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 6 (F).
  8. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 167 (Anfang A, F).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 408 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0040801.