Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 386 Museum Lüneburg 1554/55

Beschreibung

Bronzetafel.1) Die querrechteckige Tafel stammt von dem Haus Reitende-Diener-Str. 13; dort ist heute über der Tür in einem taustabumrahmten Feld eine farbig gefasste Kopie angebracht. In dem von zwei halben Säulen begrenzten Innenfeld die Inschrift A in erhabenen Buchstaben vor punziertem Hintergrund. In den beiden unteren Ecken zwei Vollwappen, in der rechten unteren Ecke die Initialen des Gießers (B).

Maße: H.: 80 cm; B.: 139 cm; Bu.: 3–3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Frakturelementen und Fraktur- und Kapitalisversalien (A), Kapitalis (Ziffern A und Initialen B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/1]

  1. A

    D(omi)n(u)s · Henricus · Garlopp · vir singulari virtvte sapientia et integritate consp=/icuus · senatorio nouem consulari munere viginti annos perfungens · nemini debi=/tor nulli obnoxius suapte sponte et liberalitate · animoq(ue) vere consulari · et erga pa=/triam · S(enatum) · P(opulum)·Q(ue) · luneburgensem benevolo a(m)ico · et ad benefaciendum propensissimoa) / solum permotus Insigne hoc aedifitium · ad patriae ornatum et splendorem et / Ad amplissimi senatus com(m)odum ac Vtilitatem · suaeq(ue) garlopiae familiae perpetuv(m) / monumentum proprio sed maximo aereb) extruere statuit verum cum / saeuus morbus mortem minitaretur totum conficiendi instituti / operis negotium · suis charissimis Francisco Witzendorp · ge/nero et Henrico Garlopp filio sum(m)a diligentia com(m)ittit · qui / pietatis in soceru(m) parentemq(ue) ergo · ipsius iussis audi=/entes prona voluntate · indefessoq(ue) studio · omni / remora pone missa · manum operi admoue(n)t · / postq(ue) plures exantlatos labores eidem / colophonem imponunt · Anno a / Christo nato · M · D · LIIII ·

  2. B

    V(alentin) B(archmann)

Übersetzung:

Herr Heinrich Garlop, ein durch einzigartige Tugend, Weisheit und Integrität angesehener Mann, hat, als er das Amt des Ratsherrn neun, das des Bürgermeisters zwanzig Jahre ausgeübt hatte, niemandem schuldig (und) keinem verpflichtet, aus eigenem Antrieb und eigener Freigebigkeit und nur durch seinen wahrhaft bürgermeisterlichen und der Vaterstadt, dem Rat und dem Volk von Lüneburg gegenüber wohlwollenden, freundlichen und der Wohltätigkeit höchst zugeneigten Geist bewegt, dieses ausgezeichnete Gebäude zum Schmuck und Glanz der Stadt und zum Nutzen und Gebrauch des hochbedeutenden Rats und als ewiges Denkmal seiner Garlopschen Familie mit eigenem, aber sehr vielem Geld zu bauen beschlossen, als aber eine heftige Krankheit den Tod androhte, die ganze Arbeit, das begonnene Werk zu vollenden, seinem hochgeschätzten Schwiegersohn Franz Witzendorff und Sohn Heinrich Garlop mit größter Umsicht anvertraut, die aus Liebe zum Schwiegervater und Vater dessen Befehlen bereitwillig gehorchend und mit unermüdlichem Eifer unter Hintanstellung jeder Verzögerung die Hand an das Werk legten und ihm nach verschiedenen erduldeten Mühen das Dach aufgesetzt haben im 1554ten Jahr seit Christi Geburt. (A)

Wappen:
Garlop2) Bardewick3)

Kommentar

Die in der Inschrift A verwendete Minuskelschrift ist noch weitgehend der gotischen Minuskel verhaftet und zeigt deren Gittercharakter. Frakturmerkmale erhält die scharf konturierte Schrift nur durch gegabelte Oberlängen der l und t sowie durch dünne Zierhäkchen und -striche. Besonders charakteristisch sind die aus Kurzschaft und Quadrangel mit Zierhäkchen nach oben links zusammengesetzten r und die u mit kleinen übergesetzten Bögen als Diakritika sowie kastenförmige, doppelstöckige a.

Zu der in der Inschrift ausführlich geschilderten Stiftung der Garlopenhäuser vgl. Nr. 383. Die beiden Wappen beziehen sich auf das Stifterehepaar Heinrich II. Garlop und Anna von Bardewick (vgl. Nr. 380). Die von dem Gießer Valentin Barchmann signierte Bronzetafel dürfte zusammen mit den beiden inschriftlich auf 1555 datierten Bronzetafeln Nr. 385 gegossen worden sein.4) Zu der Gießerfamilie Barchmann vgl. Nr. 260.

Textkritischer Apparat

  1. pro pensilissimo Krüger/Reinecke.
  2. acre Krüger/Reinecke.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. E 32.
  2. Wappen Garlop (Hundekopf mit einer Schelle am Halsband). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  3. Wappen Bardewick (aufgerichtete Rübe mit zwei Blättern). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  4. Alpers, Garlopenhäuser, S. 79, erkennt eine auffallende Ähnlichkeit kleiner Teile der Inschrift mit dem in deutscher Sprache verfassten Brief des Franz Witzendorff an die Stadt Lüneburg vom 12. April 1558 (StA Lüneburg, UA b: 1558 April 12), in dem es um die den Erbauern einzuräumenden Sonderrechte an den Häusern geht, und datiert die Bronzetafel daher auf das Jahr 1558. Dieses Argument ist jedoch wenig belastbar, da das in deutscher Sprache abgefasste Schreiben nur die üblichen allgemein gebräuchlichen Floskeln enthält. Dass Witzendorff bei der Abfassung des Schreibens Floskeln der von ihm verfassten lateinischen Inschrift der Bronzetafel ins Deutsche übernommen haben könnte, erwägt Alpers nicht.

Nachweise

  1. Büttner, Inscriptiones.
  2. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Garlop.
  3. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 309f.
  4. Alpers, Garlopenhäuser, S. 55 u. Abb. Tafel 3.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 386 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0038605.