Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 377 St. Johannis 1552

Beschreibung

Epitaph des Hartwig Stöterogge und seiner Ehefrau Margaretha Stoketo. Sandstein, farbig gefasst. Das Epitaph umgibt den südwestlichen Pfeiler des Mittelschiffs.1) Den hohen Mittelteil bildet ein Relief der Auferstehung, das von Pilastern eingerahmt ist. Der von Engeln umgebene Christus steht auf dem Drachen, der ein Gerippe in seinen Klauen hält, auf der Fahne Christi die Inschrift A. Auf dem linken Pilaster eine oben von einem Engel gehaltene Tafel mit der Inschrift B, darunter in einem Bogenfeld über der Darstellung einer umgefallenen und verlöschenden Kerze vor einer Sonnenuhr mit Ziffern (C) die Inschrift D, die ersten Ziffern vom Rauch der Kerze überdeckt. Darunter auf einer Tafel die Inschrift E; auf dem rechten Pilaster eine oben von einem Engel gehaltene Tafel mit der Inschrift F, darunter unter einem Bogenfeld mit Sanduhr und Totenschädel eine Tafel mit der Inschrift G. Die hochrechteckigen Tafeln der Inschriften B, E, F und G sind so gestaltet, dass die Illusion erweckt wird, die Inschriften stünden auf nach unten ausgerollten Schriftrollen, die mit vergoldeten Nägeln auf einem festen Untergrund angebracht sind. Auf der Höhe der beiden unteren Tafeln im Innenfeld unterhalb der Auferstehungsszene außen neben zwei großen Vollwappen in der Mitte jeweils von einem Engel begleitet die knienden Figuren des Verstorbenen und seiner Ehefrau, zu beiden Seiten der Helmzier des rechten Wappens die Jahreszahl H. Die Pilaster tragen einen breiten Fries, in dessen Mittelfeld im Relief Jona dargestellt ist, der im Hintergrund vom Wal verschlungen, im Vordergrund vom Wal ausgespien wird, auf einer kleinen Tafel darunter durch die Inschrift I bezeichnet, außen zwei Vollwappen. In dem bekrönenden Giebel ein von Engeln gehaltenes Medaillon mit einem bärtigen Männerkopf, links des Giebels die Figur der Caritas, rechts die Figur der Fides. Im Giebel in einem von zwei Putten gehaltenen Medaillon ein bärtiger Männerkopf. In der unteren Zone des Epitaphs im Mittelteil eine von Männern in Rüstung gehaltene Rollwerktafel mit der Inschrift J, außen auf den Sockeln der Pilaster je ein Vollwappen, darunter links die Inschrift K, rechts die Inschrift L. Über der verlöschenden Kerze außen auf dem linken Pilaster ist wohl nachträglich noch die Inschrift M in schwarzer Farbe aufgemalt, zum Betrachter hin auf dem Kopf stehend, möglicherweise weitere Ziffern der Sonnenuhr (C) andeutend. Die Inschriften C, D und M sind eingehauen, D in Gold gefasst, die Inschrift H ist eingehauen und in Schwarz gefasst, alle anderen Inschriften sind erhaben gehauen und in Gold auf schwarzem, blauem oder rotem Grund gefasst.2)

Maße: H.: 584 cm; B.: 288 cm (Rundung); Bu.: 5 cm (A), 4–5 cm (B, E–G), 0,6 cm (C, M), 2 cm (D), 4,8 cm (H), 5 cm (I), 4–4,5 cm (J), 4 cm (K), 4,5 cm (L).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien (A, I, J), Fraktur (B, E, F), Fraktur mit Kapitalis (G), Kapitalis (D, K, L).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/6]

  1. A

    CONFIDITE EGO VICI / SATANA(M) MVNDV(M) (ET) C(ETERA)a) IO : 163)

  2. B

    Also hefft / got de welt / geleuet dat / he sinen eni/ge(n) sone gaff / vp dat alle / de an en ge/loue(n) nicht / vorlaren / werde(n) sun/der dat ewi/ge leuent / hebben4)

  3. C

    4 5 6 7 8 9

  4. D

    ENDE DES MI(N)SHEN

  5. E

    1539 de(n) /13 Februar/ii o(bii)t H(err) Har/tich Stote/rogge Bur/germeister / xl jar lank

  6. F

    we(n)te godt / hefft sine(n) / sone nicht / gesendt / j(n) de werlt / dat he de / werlt richteb) / sunder dat / de werlt / dorch en / salich / werde / Joan · 35)

  7. G

    A(N)NO / 1540 / den 14 / Augusti / starff / Margaret/a sin hus/frowe ·

  8. H

    15 52

  9. I

    ION 2. MATTH· 12

  10. J

    TE QVOQ(VE) NV(N)C HARTVICE DOLETc) STOTEROGGIE RAPTV(M) /CONSILIIS NVPER PATRIA LAETA TVIS. /CONSVL ENI(M) MVLTOS ILLAM CV(M) IVVERIS A(N)NOS, /PERPETVO CVPERETd) TE SVPERESSE SENEM. /AT TIBI CVI PIETAS DABAT ET PRVDE(N)TIA NOMEN /FIDE(N)TI CHRISTVS PRAEMIA DIGNA DEDIT.e)

  11. K

    GESZKE VX(OR) O(BII)T 1493

  12. L

    MARGARETA VX(OR) O(BII)T · 1483

  13. M

    · 16 · 17 · 18 · 1

Übersetzung:

Seid zuversichtlich, ich habe den Teufel, die Welt, überwunden. (A)

Auch dich, Hartwig Stöterogge, der hinweggerissen wurde, beklagt nun die Vaterstadt, die sich gerade erst deiner Ratschläge erfreute. Da du sie nämlich als Bürgermeister viele Jahre lang gefördert hast, hätte sie gewünscht, du könntest ewig als Greis überleben. Doch dir, dem die Frömmigkeit und die Klugheit einen großen Namen verliehen, dem Glaubenstreuen, hat Christus den würdigen Lohn gegeben. (J)

Die Ehefrau Geske starb 1493. (K)

Die Ehefrau Margaretha starb 1483. (L)

Versmaß: Elegische Distichen (J).

Wappen:
Stöterogge6)Stoketo7)
Stöterogge6)Stoketo7)
Hoyemann8)Elver9)

Kommentar

Die sehr sorgfältig gestalteten Inschriften des Epitaphs demonstrieren die Bindung der Schriftart Fraktur an Texte in deutscher Sprache, während die lateinischen Inschriften – mit Ausnahme von Inschrift D – in Kapitalis ausgeführt sind. Die erhabene Kapitalis der Inschriften A, I, J, K, L ist relativ breit ausgeführt mit kreisrunden O sowie M mit schrägen Hasten und bis zur Grundlinie reichendem Mittelteil; die Buchstaben zeigen einen ausgeprägten Wechsel zwischen Haar- und Schattenstrichen, die Bögen tragen Bogenverstärkungen, an den Buchstabenenden teilweise weit ausgezogene Sporen; die I mit i-Punkten versehen. Die Frakturinschriften zeigen unterschiedliche Grade von Verzierungen. Mit besonders vielen Zierelementen versehen ist die Grabschrift E für Hartwig Stöterogge, die aufwendige Schleifen und Häkchen an den Versalien und an den Oberlängen besonders der h zeigt. Auffällig ist, dass die Frakturinschriften B und D einstöckiges a enthalten, die Inschriften F und G doppelstöckiges a.

Hartwig I. Stöterogge war der Sohn des Ratsherrn Ludolph Stöterogge und der in Inschrift K genannten, 1493 verstorbenen Geske Hoyemann. Er immatrikulierte sich im März 1475 an der Universität Rostock und erwarb dort 1478 den Titel eines Baccalaureus; im Jahr 1483 immatrikulierte er sich an der Universität Köln.10) Seit 1484 ist er als Sülfmeister nachweisbar, 1487 wurde er zum Ratsherrn gewählt und 1499 zum Bürgermeister, dem regierenden Rat gehörte er letztmalig im Jahr 1534 an.11) Außerdem fungierte Hartwig Stöterogge seit 1526 als Pfandinhaber des Schlosses Lüdershausen.12) Verheiratet war er mit Margaretha Stoketo, der Tochter und einzigen Erbin des Nikolaus Stoketo und seiner in Inschrift L genannten Ehefrau Margaretha Elver (vgl. Nr. 151). Sein Ende 1537 abgefasstes Testament sah 300 Mark für ein Kleinod zum Ratssilber vor, dessen Anfertigung seine Testamentsvollstrecker veranlassen sollten. Diese gaben daraufhin den Großen Gießlöwen (Nr. 336) in Auftrag. Außerdem hinterließ Hartwig Stöterogge der Stadt weitere 400 Mark für Bautätigkeiten und stiftete für die Versorgung der Armen größere Geldsummen an verschiedene Institutionen. Das Testament zeigt, dass Hartwig Stöterogge noch sehr dem alten Glauben verpflichtet war, da er nicht nur die Klöster Medingen und Lüne bedachte, wo seine Töchter Margaretha (vgl. DI 76, Nr. 125) und Barbara als Konventualinnen lebten, sondern – ebenso wie seine Ehefrau in ihrem Testament – auch die Franziskaner in Lüneburg und die Klöster in Walsrode, Salzwedel, Gandersheim, Stadthagen, Osterode, Schwerin und Güstrow und damit in althergebrachter Weise für sein Seelenheil sorgen wollte, ohne dass dies so explizit geäußert wird wie in den Testamenten aus der Zeit vor der Durchführung der Reformation. In dem im Januar 1538 verfassten Testament seiner Ehefrau Margaretha Stoketo betont diese ihre Zuversicht, die sie in die Fürbitte Marien der reinen Junckfruwen und aller leven Hilligen Godes bei Christus setzte. Anders als im Testament ihres Ehemanns, in dem sein Begräbnis nicht erwähnt wird, verfügte Margaretha Stoketo ihr Begräbnis in St. Johannis nahe der Taufe. Von der geplanten Errichtung eines Epitaphs ist auch in diesem Testament nicht die Rede.13)

Das 1552 erst mehr als ein Jahrzehnt nach dem Tod des Ehepaars wohl auf Veranlassung ihres Sohnes Nikolaus Stöterogge errichtete Epitaph zeichnet sich sowohl durch die Qualität der Ausführung – besonders auch der Inschriften – als auch durch seine Größe und Form sowie den Anbringungsort aus. Das am gegenüberliegenden Pfeiler – möglicherweise etwa gleichzeitig – errichtete Gegenstück zu diesem Epitaph für den Sohn Nikolaus Stöterogge (vgl. Nr. 378) zeigt in der Gestaltung wie auch in der Ausführung der Inschriften deutliche Unterschiede zum elterlichen Epitaph und ist insgesamt, nicht nur im Hinblick auf die Gestaltung der Buchstaben, weniger qualitätvoll ausgeführt.

Textkritischer Apparat

  1. Ein schräggestelltes Z und direkt daran angesetzt ein C mit großem Schnörkel nach rechts.
  2. e aus Platzgründen klein über der Zeile.
  3. D und O ineinander verschlungen.
  4. OPTABAT Rikemann und Reinbeck.
  5. DABIT Rikemann und Reinbeck.

Anmerkungen

  1. Rikemann (Beschrivinge s. u.) lokalisiert das Epitaph bi dem Gottes kasten.
  2. Für Hartwig Stöterogge ist auch eine von Lucas Lossius verfasste literarische Versgrabschrift überliefert, vgl. Anhang 2.
  3. Nach Io. 16,33.
  4. Jh. 3,16.
  5. Jh. 3,17.
  6. Wappen Stöterogge (gestümmelter eingerollter Zweig mit Kleeblättern). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  7. Wappen Stoketo (drei Flammenspitzen). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  8. Wappen Hoyemann (gespalten, vorne und hinten ein Sparren). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  9. Wappen Elver (Sparren, darüber zwei Adlerköpfe, darunter ein Adlerkopf). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  10. Matrikel Rostock, Bd. 1, S. 189 u. 210. Matrikel Köln, Bd. 2, S. 365,2.
  11. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Stöterogge III. Stahl, Ratslinie, Nr. 234, S. 173f.
  12. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Stöterogge III.
  13. StA Lüneburg, UA b: 1537 Dezember 19 / 1538 Januar 7.

Nachweise

  1. Lossius, Epitaphia Principum, S. 56 (J).
  2. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 323 (J).
  3. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Göttingen, p. 182 (J).
  4. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Lüneburg, fol. 193v (J).
  5. Witzendorff, Wegweiser, p. 106 (J).
  6. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Stöterogge (E, G, J).
  7. Sagittarius, Historia, p. 382 (J).
  8. Reinbeck, Chronik, p. 628 (J).
  9. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 107 (K, J), Abb. S. 108.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 377 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0037706.