Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 342† St. Johannis, Schule 1540

Beschreibung

Epitaph des Hermann Tulichius. Nach Rikemann waren die Rektoren der Schule auf dem Friedhof in unmittelbarer Nähe zum Schulgebäude begraben.1) Die Inschrift befand sich auf einem steinernen Epitaph an der Schule. Es wurde beim Abbruch des Schulgebäudes 1828 beseitigt.

Inschrift A nach Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, B nach Bertram.

  1. A

    Hermannus iacet hic Tulichius illeOrator bonus et poeta felixHuius sceptra scholae tenebat urbisMagnaa) laude diu sed ante tempusTantum fata virum abstulere mundoCum moerore gravi omnium bonorum

  2. B

    Obiit A(nno) 1540 d(ie) 28 Julii aetatis suae 54

Übersetzung:

Hier liegt Hermann Tulichius, ein guter Redner und ein begabter Dichter. Er hatte die Leitung der Schule dieser Stadt unter großem Lob auf lange Zeit inne, aber vor der Zeit nahm der Tod diesen bedeutenden Mann von der Welt hinweg zur großen Trauer aller guten Menschen. (A) Er starb im Jahr 1540 am 28. Tag des Juli im Alter von 54 (Jahren)/im 54. Lebensjahr. (B)

Versmaß: Hendekasyllaben (A).

Kommentar

Mit Hermann Tulichius verpflichtete die Stadt Lüneburg 1532 auf Anraten von Urbanus Rhegius einen ‚Prominenten‘ der Reformationszeit als Leiter ihrer Lateinschule, des Johanneums.2) Hermannus tulken de steinheim (Westfalen) immatrikuliert sich im Sommersemester 1508 an der Universität Wittenberg, derselbe Hermannus Tulike de Steynheym im Sommersemester 1512 an der Universität Leipzig.3) Danach arbeitete Tulichius als Korrektor in der Buchdruckerei Melchior Lotter in Leipzig und ging dann nach Wittenberg, wo er an der Universität lehrte. Dort wurde er zum Stiftsherrn des Allerheiligenstifts gewählt, verlor aber diese Pfründe, als er sich weigerte, die geistliche Weihe anzunehmen. 1525 ging er vorübergehend an die Lateinschule nach Eisleben, kehrte aber kurz darauf nach Wittenberg zurück. Dort erhielt er die Aufforderung, das Johanneum in Lüneburg als erster lutherischer Rektor zu leiten. Der Dienstvertrag, mit dem der Bürgermeister Hartwich Schomaker ihn vor eynen superattendenten der Scholenn am 9. Januar 1532 anstellte, ist erhalten.4) Danach wurde Tulichius neben der Oberaufsicht über die Schule auch übertragen, wenigstens eine Lektion am Tag selbst abzuhalten. Der Vertrag wurde auf Lebenszeit abgeschlossen. Tulichius erhielt als Entlohnung jährlich 200 Lübische Mark und freie Wohnung; für den Fall, dass er arbeitsunfähig würde, sicherte ihm der Rat jährlich 100 Mark zu. Das Wohnhaus, das die Stadt dem Rektor zur Verfügung stellte, wurde im Jahr 1534 renoviert; dabei wurde unter anderem ein neuer Kachelofen gesetzt.5) Hermann Tulichius heiratete erst in seiner Lüneburger Zeit und soll eine Tochter gehabt haben, die Namen seiner Ehefrau und seiner Tochter sind aber nicht bekannt.

Die Versgrabschrift A stammte der kopialen Überlieferung zufolge von dem Lübecker Superintendenten Hermann Bonnus.6) Das für Tulichius gesetzte Epitaph an der Schule wurde im Jahr 1571 auf Kosten der Stadt farbig gefasst.7) Daher könnte man vermuten, dass die Stadt auch die Errichtung des Epitaphs nach dem Tod des Rektors bezahlte, zumal dies auch in anderen Fällen nachweisbar ist. In den Kämmereirechnungen nach 1540 ist jedoch kein entsprechender Eintrag zu finden.

Textkritischer Apparat

  1. Magno Rikemann, Beschrivinge, Ex. Göttingen u. Lüneburg.

Anmerkungen

  1. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 323.
  2. Entsprechend zahlreich sind die biographischen Angaben zu Tulichius in der älteren Literatur. U. a.: Bertram, Evangelisches Lüneburg, S. 85–89; ADB, Bd. 38, S. 777–781 mit weiteren Literaturangaben. Auch Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 17, hg. v. Traugott Bautz, Herzberg 2000, Sp. 1393–1397.
  3. Matrikel Wittenberg, Bd. 1, S. 25. Matrikel Leipzig, Bd. 1, S. 520,19.
  4. StA Lüneburg, UA a: 1532 Januar 9 I.
  5. StA Lüneburg, AB 56/3, p. 784.
  6. U. a. Lossius, Epitaphia Principum, S. 61. Sagittarius, Historia, p. 293. Reinbeck, Chronik, p. 632.
  7. StA Lüneburg, AB 56/5, fol 238v. Ob es sich dabei um die erste Farbfassung oder um eine Erneuerung handelte, lässt sich nicht feststellen.

Nachweise

  1. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 333 (A).
  2. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Göttingen, p. 188 (A).
  3. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Lüneburg, [fol. 200v/201r] (A).
  4. Bertram, Evangelisches Lüneburg, S. 88, Anm. 63.
  5. Lossius, Epitaphia Principum, S. 62 (A).
  6. Chytraeus, Deliciae, S. 453 (A).
  7. Sagittarius, Historia, p. 293 (A).
  8. Reinbeck, Chronik, p. 632 (A).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 342† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0034205.