Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 314 St. Johannis 1536

Beschreibung

Epitaph des Martin Glöde und seiner Ehefrau Elisabeth Schomaker. Stein, farbig gefasst. Das Epitaph in Form eines hochrechteckigen Steins ist heute an der Südwand in der Turmhalle aufgerichtet. Nach Rikemanns Beschrivinge war es ursprünglich in der Springintgut-Kapelle zwischen hohem Chor und der heutigen Taufkapelle angebracht. Aus den Lagebeschreibungen der kopialen Überlieferer lässt sich eindeutig entnehmen, dass es sich um ein Epitaph und nicht um eine Grabplatte handelt. In den Ecken des Steins Wappenmedaillons mit den umlaufenden Beischriften A–D, die von Helmzier und Wappenschild unterbrochen sind, hinter denen die Buchstaben teilweise verschwinden. Zwischen den Medaillons läuft die Inschrift E auf der Rahmenleiste um. Im Innenfeld oben zwei von einer Männerfigur in Rüstung gehaltene Vollwappen, die seitlich von zwei Putten begleitet sind, darüber ein von zwei Putten aufgehaltener Vorhang, darunter eine Tafel mit der Inschrift F. Alle Inschriften sind erhaben gehauen und in heller Farbe auf dunklem Grund gefasst, die I in Inschrift F mit i-Punkten versehen.

Maße: H.: 256 cm; B.: 171 cm; Bu.: 4 cm (A–D), 6,5 cm (E), 4,3 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. A

    WICHMAN GLOD(E)

  2. B

    AESTEa) · GLADOW

  3. C

    GORGES · GLODE ·

  4. D

    BARBRA · LANGENS

  5. E

    MARTINVS · GLODEb) · I(VRIS) · V(TRIVSQVE) · DOCTOR / AC · INCLYTI · SENATVS · SYNDICVS · OBIIT · ANNO · M · D · XXIIII · ALTER(A DIE)c)/ MAVRITII1) : ELISABET · VXOR / OBIIT · ANNO · M Dd) · XXXVI · IN · PROFESTO · VALENTINI2) ·

  6. F

    QVI FVIT EXIMIVS, PRAECLARAE · SYNDICVS VRBIS, /HIC IACET, A LVNA, QVAE SIBI NOMEN HABET · /CVI STVDIO LEGVM, CVI COGNITIONE SECVNDVS, /ELOQVIO NVLLVS, CONSILIOQVE FVIT · /INVIDA QVEM MEDIIS RAPVERVNT FATA SVB ANNIS, /QVID MORTALIS HOMO, NIL NISI BVLLA LEVIS!e)3)

Übersetzung:

Martin Glöde, beider Rechte Doktor und Syndikus des berühmten Rats, starb im Jahr 1524 am Tag nach (dem Fest des heiligen) Mauritius. Elisabeth, seine Ehefrau, starb im Jahr 1536 am Tag vor (dem Fest des heiligen) Valentin. (E) Hier liegt er, der ein ausgezeichneter Syndikus der berühmten Stadt gewesen ist, die vom Mond ihren Namen hat. Ihm kam im Studium der Rechte, an Einsicht, Beredsamkeit und kluger Besonnenheit keiner gleich, den das neidische Schicksal mitten aus dem Leben gerissen hat. Was ist der sterbliche Mensch: nichts als eine leichte Luftblase. (F)

Versmaß: Elegische Distichen (F).

Wappen:
Glöde4)Schomaker5)
Glöde4)Gladow6)
Glöde4)Langens7)

Kommentar

Die linksschräge Schattenachse der O in Inschrift F kann ebenso wie das stark gerundete G mit senkrechter Cauda als besonderes Merkmal der hier verwendeten Kapitalis gelten; diese Schriftmerkmale finden sich – ebenso wie die hier neben rautenförmigen Hochpunkten als Satzzeichen verwendeten Kommata – auch auf dem Epitaph des Ludolph von Dassel von 1537 (Nr. 321). Das am Ende von Inschrift F gesetzte Satzzeichen besteht aus einem rautenförmigen Punkt und einem darübergesetzten, oben nach rechts umgebogenen Haken, der unten keilförmig ausläuft; es könnte hier auch ein Fragezeichen gemeint sein.

Martin Glöde de Reppin (Ruppin/Brandenburg) immatrikulierte sich im Sommersemester 1490 an der Universität Leipzig, im Sommersemester 1491 erwarb er dort den Magistertitel.8) Den Titel eines Doktors beider Rechte erlangte er im Mai 1501 an der Universität Rostock.9) Wann er nach Lüneburg kam, um hier die Tätigkeit als Syndikus der Stadt aufzunehmen, lässt sich nicht feststellen, da die Syndici in den Kämmereiregistern nicht unter dem regelmäßig besoldeten städtischen Personal verzeichnet sind, sondern nur gelegentlich in Verbindung mit den städtischen Ausgaben genannt sind. Erstmals lässt sich Martin Glöde in der Funktion des Syndikus im August des Jahres 1506 anhand eines an ihn adressierten Briefs nachweisen.10) Durch die nach 1503 erfolgte eheliche Verbindung mit Elisabeth Schomaker, der Witwe des Hermann Bromes, erwarb er auch Anteile an der Saline und führte seit 1516 den Titel eines Sülfmeisters.11)

Textkritischer Apparat

  1. Eigentlich Esther.
  2. O mit übergeschriebenem e.
  3. Das A bis auf den oberen Teil von dem Wappenmedaillon verdeckt, das D noch durch einen kleinen oberen Teil der Haste angedeutet.
  4. Das D wurde bei der Ausführung vergessen und über der Zeile nachgetragen, nicht farbig gefasst.
  5. Auch Lesung ? möglich, vgl. Kommentar.

Anmerkungen

  1. 23. September.
  2. 13. Februar.
  3. Homo bulla, der Vergleich des Menschen mit einer Seifenblase, geht auf Varro zurück und ist in den Adagia des Erasmus wieder aufgenommen (Proverbiorum Chilias Prima, Prolegomena VII.): ... brevis est hominis vita si proverbium cites Homo bulla.
  4. Wappen Glöde (Widderhorn). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  5. Wappen Schomaker (geteilt, oben Bärenkopf mit Halswunde). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  6. Wappen Gladow (Vogelbein).
  7. Wappen Langens (Weinranken).
  8. Matrikel Leipzig, Bd. 1, S. 378, De natione Saxonum Z. 18; Bd. 2, S. 325.
  9. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 7 mit dem Vermerk fuit honoratus per universitatem.
  10. StA Lüneburg, Br 16/74, 1506 August 28. Die Angabe von Reinecke, Geschichte, Bd. 1, S. 284, Martin Glöde habe seit 1514 in den Diensten der Stadt Lüneburg gestanden, ist falsch.
  11. Vgl. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Glöden.

Nachweise

  1. Lossius, Epitaphia, S. 55 (F).
  2. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 322 (F).
  3. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Göttingen, p. 181 (F).
  4. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Lüneburg, fol. 193r (F).
  5. Witzendorff, Wegweiser, p. 107 (F).
  6. Reinbeck, Chronik, p. 575 (F, wohl nach Rikemann, Beschrivinge).
  7. Sagittarius, Historia, p. 380 (F).
  8. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Glöden (E, F).
  9. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 111f. (A–E).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 314 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0031400.