Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 304 Rathaus nach 1531, nach 1567, 16. Jh.

Beschreibung

Spanschachteln aus dem Alten Archiv des Rathauses.1) Einige der zumeist aus Nadelholz gefertigten Schachteln sind auf den Deckeln beschriftet, um den Inhalt kenntlich zu machen. Auf manchen Deckeln finden sich zwei oder mehrere – zum Teil unkenntlich gemachte – Beschriftungen sowie Buchstaben, die die Zugehörigkeit zu Aktenbeständen kennzeichnen. Weitere Signaturen dieser Art wohl aus jüngerer Zeit in hellen Buchstaben seitlich auf den Schachteln. Mit Ausnahme eines eckigen Holzkastens (U) sind alle Schachteln in der Grundform oval. Die in dunkler Tinte ausgeführten, häufig nicht vollständig oder sicher lesbaren Beschriftungen stehen hier wohl nur stellvertretend für einen sehr großen Bestand an beschrifteten Archivschachteln des Alten Archivs, von denen möglicherweise auch noch weitere Exemplare an unbekanntem Ort existieren. Dass es sich bei den Beschriftungen um Grenzfälle dessen handelt, was noch als Inschrift aufzunehmen ist, zeigen vergleichbare Schachteln, die durch aufgeklebte Zettel bezeichnet sind oder waren und damit aus der Kategorie ‚Inschrift’ herausfallen. Auf eine Beschreibung jeder einzelnen Schachtel wird hier daher ebenso verzichtet wie auf detaillierte Maßangaben.

Maße: Die Maße variierend von 13,5–28,5 cm Breite, 8–13,5 cm Tiefe, 5–13,5 cm Höhe mit Deckel. Bu.: 0,2–0,5 cm (Kursive), 1,2–2 cm (Majuskeln).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien, Kursive und Majuskeln.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/7]

  1. A1

    Losekun=/ding upp / de (halve)a) pa(n)nen

  2. A2

    Vordracht twischen Co(n)s(ule)s & / Barem(a)g(ist)ris, ac Benedict Kopps. / sup(er) ½a) sartag(ine) Eueringe Etc.b)

  3. A3

    D

  4. B1

    Des Romeschen kon(n)igs / breue to den hensesteden / vpp de twydracht des old(en) / vnde Nig(en) Rades tho lubeck

  5. B2

    G. // Dd

  6. C1

    ad test(amentum) theode(r)ici b(ur)mesteri

  7. C2

    C // G

  8. D

    K

  9. E1

    beleringh van magdeborgh der schoeppens / van [.....] denen de que[......]h[...] / [ – – – ]c)

  10. E2

    [ – – – ] / Magdeburg vp [ – – – ] / [ – – – ]

  11. E3

    F

  12. F

    J. // C

  13. G

    b // A

  14. H1

    Ethlike breve vndt [....] / belangende Wolbrandt / [...]husend)

  15. H2

    A

  16. I

    qq

  17. J1

    [.....]perdus testament / van holtslo

  18. J2

    J. // R

  19. K1

    Hern Johan Fresen Testame(n)t

  20. K2

    E.

  21. L1

    P(ro)[ – – – ] luneb(or)g

  22. L2

    tt

  23. M1

    Clawes van [........]

  24. M2

    [ – – – ] / in der [......] tho Vlsen

  25. M3

    E // O

  26. N1

    quitancien bischopp gherdes van bremen

  27. N2

    C.

  28. O1

    Herteghe hinrick

  29. O2

    F

  30. P1

    Ad vicariam Martini in ecc(les)ia / sancti Nicolai fundatam per / Testa(mentum) d(omi)ni henrici lafferdes

  31. P2

    C

  32. Q1

    [ – – – ] van bulow

  33. Q2

    Blekede Clemens van bulow

  34. Q3

    Blekede

  35. Q4

    D // 4 // A

  36. R1

    hans blickershusen

  37. R2

    A. // V

  38. S1

    Kerken Kisten / belangende / No 1e)

  39. S2

    1

  40. T1

    H(err) Diderick Zemelbeck(er)

  41. T2

    E // Bb

  42. U1

    Quitantia ethliker / sauebude(n)

  43. U2

    kk.

  44. V1

    her vicken van bulowe breue

  45. V2

    upschidt [....]/ v. [.] xvjc (gulden?)

  46. V3

    E. // Q

Übersetzung:

Loskündigung auf eine halbe Pfanne. Vertrag zwischen den Ratsherren und den Barmeistern sowie Benedict Kopp über eine halbe Pfanne Everinge etc. (A) Brief des römischen Königs (d. h. des Kaisers) an die Hansestädte bezogen auf die Zwietracht zwischen Altem und Neuem Rat in Lübeck. (B) Zu der Vikarie St. Martini, die in der Kirche St. Nicolai durch das Testament des Herrn Heinrich Lafferde begründet worden ist. (P)

Kommentar

Zu einigen Schachteln finden sich die ehemals darin aufbewahrten Schriftstücke im Stadtarchiv Lüneburg. Darüber hinaus lassen sich mehrere in den Inschriften genannte Personen in den Quellen nachweisen. Die bestimmten Archivalien zuzuweisenden Schachteln beziehen sich auf Schriftstücke aus den Jahren 1403, 1408, 1456, 1526, 1531 und 1567, es ist aber wohl davon auszugehen, dass viele der Schachteln erst im 16. Jahrhundert bei einer Neuordnung des Archivs als Ordnungsmaterialien eingesetzt und beschriftet wurden. Darauf lässt auch die einheitliche Schrift auf den Schachteln B, E, J, N, P und Q schließen, deren Inhalte aus sehr unterschiedlichen Zeiten stammten, die jüngsten aus den Jahren 1526 und 1531. Diese Beschriftungen sind sehr sorgfältig in Einzelbuchstaben der gotischen Minuskel ausgeführt. Die Schachteln C und R dürften auch von einem Schreiber in Kursive beschriftet worden sein. Der niederdeutsche Sprachstand und die Ausführung der Inschriften in gotischer Minuskel bzw. Kursive lassen auf eine Beschriftung der Schachteln spätestens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schließen.

Zu A: Benedict Kopp wurde 1548 als Sekretär der Stadt zum Augsburger Reichtag abgeordnet.2) Er amtierte als Protonotar, war seit 1560 Ratsherr und gehörte dem regierenden Rat letztmalig 1589 an; er starb 1590.3)) Bei der zu der Schachtel gehörenden Urkunde handelt es sich um StA Lüneburg, UA b: 1567 Oktober 6 III, Vergleich über die Besiedung einer halben Pfanne in Everinge, zur dritten Vikarie am Altar Johannes Evangelistae in der Beginenkapelle zu St. Johannis gehörig.

Zu B: 1408 wurde in Lübeck der Alte Rat abgesetzt und ein neuer eingesetzt. Die Beschriftung B könnte sich darauf beziehen. Zwei aus Lübeck vertriebene Ratsherren Heinrich Westhoff und Goswin Klingenberg gingen nach Lüneburg und verstarben dort (vgl. Nr. 42 u. 44).

Zu C: Bei der zugehörigen Urkunde handelt es sich um das Testament des Diderik Burmester, StA Lüneburg, UA b: 1403 März 26.

Zu E: Rechtsbelehrungen der Magdeburger Schöffen bzw. der Stadt Magdeburg aus dem 15. und 16. Jahrhundert finden sich im Bestand StA Lüneburg, Briefe mehrfach. Da die Inschrift nur noch in wenigen Teilen lesbar ist, lässt sich das zugehörige Schriftstück nicht bestimmen.

Zu J: Möglicherweise handelt es sich bei dem zugehörigen Schriftstück um das Testament des Lüneburger Bürgers Johann van Holtzele, StA LüneburgUA b: 1382 November 11.

Zu N: Bei den auf den Bremer Erzbischof Gerhard III. von Hoya (amtierte 1442–1463) bezogenen Schriftstücken dürfte es sich wohl um StA Lüneburg, Briefe 1/19 u. 20, Beglaubigungen aus den Jahren 1457 und 1460 handeln.

Zu P: Die Inschrift bezieht sich auf das Schriftstück StA Lüneburg, UA a: 1526 September 28 II. Damit begründen die Vikare zu St. Johannis Vicko Passow und Luder Brandes als Testamentare des verstorbenen Vikars Hinrick Lafferde mit einer Summe von 400 Mark und der daraus resultierenden Rente von 20 Mark eine Vikarie am Philippi-, Jacobi- und Martini-Altar in der Nicolaikapelle.

Zu Q: Die Schachtel dürfte Schriftstücke aus dem Briefwechsel des Bleckeder Hauptmanns Clemens von Bülow mit der Stadt Lüneburg enthalten haben, den dieser 1531 in verschiedenen Angelegenheiten führte. StA Lüneburg, Briefe 95.

Zu R: Der Name Hans Blickershusen ist archivalisch mehrfach nachweisbar. Hans Blickershausen d. Ä. ist im Jahr 1465 als verstorben genannt (vgl. a. Nr. 632), Hans Blickershusen d. J. ist um 1500 als in Lübeck ansässig archivalisch nachweisbar (StA Lüneburg, UA c: 1465 Juni 5, UA c: 1502 Oktober 4).

Zu T: Büttner führt in den Stammtafeln der Familie Semmelbecker nur einen Dietrich, Sohn des Johannes Semmelbecker, auf, der zwischen 1409 und 1425 nachweisbar ist.4) Ein passendes Schriftstück findet sich nicht.

Zu V1: Genannt ist hier der Ritter Vicke van Bulow, der 1456 als verstorben erwähnt ist (StA Lüneburg, Briefe 60/5). Die im zweiten Teil der Inschrift genannte Summe von 1600 Mark stimmt auffallend mit der Zahlenangabe der Urkunde StA Lüneburg, UA c: 1452 April 1 III überein, derzufolge der Lüneburger Rat bis 1452 eine Rente zu zahlen hatte gegen einen Betrag von 1600 Rheinischen Gulden, die er von dem Ritter Vicke van Bulowe und von dem Knappen Alverick van Bodendiek empfangen hatten.

Textkritischer Apparat

  1. Eine waagerecht durchstrichene Haste zur Bezeichnung von ½.
  2. Unsichere Lesung.
  3. Danach und in den folgenden zwei Zeilen nur noch Einzelbuchstaben lesbar.
  4. Tinte verwischt.
  5. Darunter eine ältere unlesbare Inschrift.

Anmerkungen

  1. Mein herzlicher Dank gilt den Restauratoren Inga Blohm und Markus Tillwick (Lüneburg), in deren Werkstatt ich die Schachteln bearbeiten konnte und die mir viele Hinweise zu diesen Stücken gegeben haben. Zu den Spanschachteln, die im niederdeutschen Sprachraum auch als Nasch bezeichnet werden (Schiller-Lübben, Wörterbuch, Bd. 3, S. 159f.), vgl. Albrecht, Truhen, S. 41f. Als Nasch sind die einzelnen Spanschachteln auch in dem Kämmerei-Inventar von 1593 bezeichnet (StA Lüneburg, AH I,1a). Mit einer Ausnahme (Q) stimmen die dort verzeichneten Schachteln und ihre Archivalien nicht mit den Beschriftungen der Spanschachteln überein.
  2. StA Lüneburg, UA a: 1548 Juli 7.
  3. Stahl, Ratslinie, Nr. 295, S. 181.
  4. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Semmelbecker I.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 304 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0030403.