Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 284 Berlin, Kunstgewerbemuseum 1528

Beschreibung

Pokal.1) Silber, vergoldet. Der Buckelpokal gehört zum Lüneburger Ratssilber und wurde 1874 von der Stadt an den preußischen Staat verkauft. Er wurde offenbar nach dem Vorbild des Pokals Nr. 225 aus dem Jahr 1504 angefertigt und steht auf einem ebenfalls gebuckelten Siebenpassfuß und einem hohen oben von Blattranken umgebenen Schaft. Der gebuckelte Deckel wird unten durch einen glatten Fries mit der eingravierten Inschrift abgeschlossen, die Worttrenner in Form von in Kontur gravierten Sternchen. Über dem Inschriftenband ein Kranz aus plastischem Blattornament. Die Bekrönung besteht aus Blattwerk mit daraus hervorwachsendem zierlichen Stiel, der oben in die Blüte einer Distel übergeht, darauf die Figur des Christophorus und ein an einen Baumstumpf gelehnter Wappenschild. Zwei weitere Wappenschilde vor der hohen geriffelten Zarge des Fußes. Im Deckel und in der Kuppa zwei gravierte Medaillons mit aus Blattwerk hervorwachsenden Halbfiguren. Der Pokal trägt unter dem Fuß das Lüneburger Beschauzeichen und die Meistermarke des Goldschmieds Cord Obrecht.2)

Maße: H.: 66 cm; Dm.: 21 cm; Bu.: 0,8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/3]

  1. D(OMI)N(V)S · LVDOLPHVS · GARLOP · PROCONSVL · DEDIT · OBIIT · ANNO · DOMINI · 1486 · IN · PROFESTO · ANDREE · APPOSTOLI ·3)

Übersetzung:

Herr Bürgermeister Ludolph Garlop hat (dies) gestiftet. Er starb im Jahr des Herrn 1486 am Tag vor dem Fest des Apostels Andreas.

Wappen:
Garlop4)
Garlop4)Tzerstede5)

Kommentar

Die Inschrift ist in einer Kapitalis mit breiten Buchstabenformen und Elementen der frühhumanistischen Kapitalis ausgeführt. Ein besonderes Merkmal der Buchstabengestaltung sind hier dünne Begleitstriche der Hasten und Bögen, bei denen es sich auch um eine Vorzeichnung der Buchstaben handeln könnte. Neben A mit breitem Deckbalken und gebrochenem Querbalken finden sich offene eingerollte D, I mit halbseitigem Nodus, P mit auffallend großem, fast bis zur Grundlinie reichendem Bogen und durchgängig retrograde N. Die Hasten und Bögen sind durch kleine Striche abgeschlossen.

Der Pokal wurde nach Ausweis der Kämmereirechnung des Jahres 1528 von dem Goldschmied Cord Obrecht im Auftrag des Rats angefertigt. Er diente als Ersatz für einen Pokal, den der Bürgermeister Ludolph Garlop und seine Ehefrau Wobbeke Tzerstede (vgl. Nr. 154) im Jahr 1486 gestiftet hatten, den die Stadt aber im Jahr 1528 an Herzog Ernst überreichte.6) Sicherlich trug auch der Pokal von 1486 eine Stifterinschrift; ob sie exakt auf den neu gefertigten Pokal übernommen wurde, ist nicht bekannt.

Cord Obrecht wurde im Jahr 1516 als Meister in die Goldschmiede-Innung aufgenommen.7) Verheiratet war er mit der Witwe des Goldschmieds Hinrick vam Hove. Cord Obrecht starb um 1540, da die Schossregister ab 1541 nur noch seine Ehefrau verzeichnen.8)

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. 1874/373.
  2. Die Marke in Form eines K identifiziert bei Schröder, Ratssilber, Werke (o. S.), Nr. 8. Wohl als Initiale des Vornamens, obwohl dieser in den Quellen nur als Cord oder Cordt geschrieben ist. Vgl. a. Scheffler, Goldschmiede, S. 900f., Nr. 1719. Rosenberg, Merkzeichen, S. 284, Nr. 3261, dort „vielleicht Hermann Kolmann“ zugeschrieben.
  3. 29. November.
  4. Wappen Garlop (Hundekopf mit einer Schelle am Halsband). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  5. Wappen Tzerstede (Balken mit drei Halbmonden belegt). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  6. Der entsprechende Eintrag im Kämmereiregister zit. bei Schröder, Ratssilber, Werke (o. S.), Nr. 8. Gedr. auch bei Bursche, Ratssilber, Nr. 13, S. 120.
  7. StA Lüneburg, AB 2 (Donat), p. 81.
  8. Alle Daten bei Schröder, Ratssilber, Meister, [S. 15].

Nachweise

  1. Gebhardi, Collectanea, Bd. 2, p. 195.
  2. Albers, Rathaus, S. 44.
  3. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 191 (nach Albers).
  4. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 293.
  5. Schröder, Ratssilber, Werke (o. S.), Nr. 8.
  6. Appuhn, Ratssilber, Nr. 16, S. 18.
  7. Bursche, Ratssilber, Nr. 13, S. 119f. mit Abb.
  8. Netzer, Ratssilber, Nr. 13, S. 76f. mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 284 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0028403.