Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 270 Museum Lüneburg 1. V. 16. Jh.

Beschreibung

Hausaltar, Relief der Verkündigung.1) Gebrannter Pfeifenton mit Resten der farbigen Fassung. Das Museum erwarb das Stück 1878; es stammte aus der Kapelle des Hauses Am Sande 16. In einer Baldachinarchitektur sitzt Maria in einem Zimmer auf einer Bank vor einem Betpult, ihr gegenüber der Engel mit einem Blütenzweig. In den Nimben, auf einem über dem Betpult liegenden Schriftband und auf einem Schriftband an einer Säule die Inschriften A–D in erhabenen Buchstaben. Die Szene ist nach oben durch einen vollplastischen Maßwerkbaldachin abgeschlossen, unten umgibt die Szene ein Zaun, der den Hortus conclusus symbolisiert.

Maße: H.: 68 cm; B.: 54 cm; Bu.: 0,6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel, mit Versal (C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/3]

  1. A

    spiritus : s(an)c(t)us : superueniet : in : te2)

  2. B

    dominus : tecum :3)

  3. C

    Ecce : ancilla : domini : fiat : michi : secundu(m) : verbu(m) : tuum4)

  4. D

    verbvm : caro : factum : est5)

Übersetzung:

Der Heilige Geist wird über dich kommen. (A) Der Herr ist mit dir. (B) Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort. (C) Das Wort wurde Fleisch. (D)

Kommentar

Die Herkunft des Stücks deutet darauf hin, dass es sich um einen Gegenstand der privaten Andacht handelte. Es dürfte aus der Zeit vor der Einführung der Reformation stammen. Zugeschrieben wird das Relief Jost Pelser, auch Judocus Vredis genannt, dem Prior des Kartäuserkonvents Vreden, der für seine feingliedrigen Reliefs in Pfeifenton berühmt war.6) Brandt vermutet, dass der im Haus Am Sande 16 ansässige Nikolaus Wulsche der ursprüngliche Besitzer des Reliefs war,7) der bis 1520 nachweisbar ist.8) Möglicherweise richtete er auch die Hauskapelle ein.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. E 54.
  2. Lc. 1,35.
  3. Lc. 1,28.
  4. Lc. 1,38.
  5. Io. 1,14.
  6. Reinecke, Führer Kirchliche Abteilung, S. 24f. Zu Judocus Vredis Thieme/Becker/Vollmer, Künsterlexikon, Buchstabe V, S. 490.
  7. Brandt, Grundstückslisten, Am Sand 16.
  8. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Wülschen.

Nachweise

  1. Reinecke, Führer Kirchliche Abteilung, Nr. 12, S. 23f. mit Abb.
  2. Michael, Führer, S. 90–92 mit Abb., Nr. E 54.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 270 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0027004.