Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 262† Rathaus vor 1524?, 1583

Beschreibung

Malerei auf Leinwand. Nach Gebhardi war ein Raum im Erdgeschoss des heutigen Kämmereiflügels, der westlich an die Sülfmeisterkörkammer anschließt, an allen Wänden mit Leinwand verkleidet, auf der Herrscherstammbäume dargestellt waren.1) Danach trug der Raum die Bezeichnung ‚Stammgemach‘. Die Reste der offenbar stark zerschlissenen Leinwand wurden nach Albers im Jahr 1838 entfernt.2) Dargestellt waren in der Mitte der Fensterwand Heinrich der Löwe mit seiner Gemahlin, zwischen beiden das braunschweigische Löwenstandbild, über dem mit dem Titulus A bezeichneten Herzog die Stadt Lübeck mit dem Titulus B, darunter Albrecht der Bär (Titulus C) mit seiner Gemahlin sowie der Stadt Stendal (Titulus D). An derselben Wand waren außerdem Herzog Heinrich von Bayern (Titulus E), Ludwig der Fromme (F) mit der Stadt Hildesheim (G) und Hermann Billung (H) mit seiner Gemahlin und dem Lüneburger Stadtwappen dargestellt sowie Widukind (I), Karl der Große (J) und Herzog Eticho (K), an der Wand mit der Eingangstür Herzog Wilhelm († 1482). Bei den Genannten handelte es sich um die Stammväter, von denen aus die Stammbäume mit ihren Verzweigungen gemalt waren. Für jeden der männlichen und weiblichen Angehörigen des Fürstenhauses gab es eine gemalte Tafel mit den Lebensdaten sowie deren Wappen. An den Fensterpfeilern waren Julius Cäsar (L) und Kaiser Rudolph I. (M) in Lebensgröße dargestellt. Insgesamt bemerkte Gebhardi zu dem gesamten offenbar äußerst umfangreichen Inschriftenprogramm: Die Wändemahlerey kan einen geübten Leser wenigstens einen Tag beschaftigen.

Inschriften nach Gebhardi.

  1. A

    Henrich der Lowe

  2. B

    Lubeck

  3. C

    Albrecht de bare

  4. D

    Stendel

  5. E

    Henrich Wolp to bairen

  6. F

    Kayser Lodwich de [......]

  7. G

    Hildensen

  8. H

    Hertoch Herman

  9. I

    Wedekind

  10. J

    Carl de Grote

  11. K

    Hertoch Ethico

  12. L

    Julius Caesar

  13. M

    Rodolphus I.

Kommentar

Die Gemälde wurden nach einem in der Ratsbücherei befindlichen Exemplar der Hammenstedeschen Chronik von einem aus Leipzig stammenden Maler namens Hans Epzenraet und seinem Sohn ausgeführt.3) Gebhardi, der dies zitiert, datiert die Maßnahme auf die Zeit vor 1524, ohne dass sich dies bei Hammenstede wiederfinden lässt.4) Die Kämmereiregister der von Gebhardi angegebenen Entstehungszeit verzeichnen keine Ausmalung des Stammgemachs, wohl aber die Anschaffung von Leinwand für die Schreiberei.5) Der früheste sichere Beleg für die Existenz der Ausmalung ist eine im Kämmereiregister von 1540 verzeichnete Ausgabe für Matten vp de Scriverie in dat gemack dar der fursten bom vnd genealogia steit.6)

Sicher ist auch, dass Daniel Frese die Malereien im Stammgemach im Jahr 1583 grundlegend renovierte, die zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits in einem sehr schlechten Zustand waren. Dies belegt ein Eintrag im Kämmereiregister dieses Jahres, dessen Schreiber sehr manierierte Schreibgewohnheiten, besonders eine ausgeprägte Vorliebe für Dehnungs-e zeigt: 130 (Taler) Daniell Friesenn dem Maeler voer der Furstenn vnd Herren Genealogiam odder Staemboem szoe in dem gemacke vp der scrieverie is, vnd vaest gantz voerdoervenn waer, deweilen datt Lennewantt aen fiellen oerden voerrottett, datt groete loecker, darinne gewest to beterennde, id maelwerck aenn aengesichten vnd den waepen to renouerende, vnd vp id nie mitth varuen aen to strikende Ock unseren gnedigen Landesfuersten staemlinien wentte vp ittzigen regereden hern vnd irer gnaden kinder to Continuerende, vnd up id nie to dem olden to to maekende gegeuenn.7) Dies bedeutet, dass Gebhardi das Stammgemach in dem Zustand kannte, in den es von Daniel Frese gebracht worden war, der auch die Stammbäume bis zum Jahr 1584 fortgesetzt hatte. Zu Daniel Frese vgl. Nr. 436 u. 466.

Anmerkungen

  1. Beschreibung nach Gebhardi, Collectanea, Bd. 2, p. 201. Zum Stammgemach vgl. a. Adam, Rathauskomplex, S. 269.
  2. Albers, Rathaus, S. 51.
  3. Zit. bei Gebhardi, Collectanea, Bd. 2, p. 201.
  4. Ratsbücherei Lüneburg, MS Lune A 2° 13. Die beiden Stammbäume in der Handschrift und im Stammgemach sind aber nicht identisch. Vgl. hierzu und zu der Datierung Rümelin/Jaacks, Bilder, S. 341 mit Anm. 202 u. 203.
  5. Dazu ausführlich Rümelin/Jaacks, Bilder, S. 341.
  6. StA Lüneburg, AB 56/4, p. 221.
  7. StA Lüneburg, AB 56/5, p. 463. Sowie AB 56/6, p. 9.

Nachweise

  1. Gebhardi, Collectanea, Bd. 2, p. 201.
  2. Albers, Rathaus, S. 51 (nach Gebhardi).
  3. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 189 (nach Albers).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 262† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0026203.