Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 257 Berlin, Kunstgewerbemuseum 1522

Beschreibung

Pokal.1) Silber, vergoldet, Email. Ohne Marken und Beschauzeichen. Der Pokal gehört zum Lüneburger Ratssilber und wurde 1874 von der Stadt an den preußischen Staat verkauft. Der Buckelpokal steht auf einem ebenfalls gebuckelten Sechspassfuß, der Schaft oben mit einem Blatt- und Blütenkranz umgeben. Oben auf dem verdeckten Rand Groteskenornament und zwei Putten, die zwei Wappenschilde halten. Auf dem glatten Rand des ebenfalls gebuckelten Deckels läuft die eingravierte Inschrift A um. Im Deckel, der von einer Eichel über Akanthusblättern und hohem Stiel bekrönt wird, und unter dem Fuß jeweils ein Medaillon mit einer Akelei in Email, im Boden der Kuppa das eingravierte Christusmonogramm B.

Maße: H.: 36 cm; Dm.: 12 cm; Bu.: 0,4 cm (A), 2 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/3]

  1. A

    CORT HAGEN DE DEIT NA DER GEBORT CRISTE XVC VN(DE) XXII

  2. B

    IH(ESV)S

Übersetzung:

Cord van Hagen hat (dies) getan (d. h. gestiftet) nach der Geburt Christi (im Jahr ) 1522. (A)

Wappen:
Goldschmiede-Innung?2)Hagen?3)

Kommentar

Die Inschrift A ist einigermaßen unbeholfen in unregelmäßiger Kerbe eingraviert und zeigt verschiedene Merkmale der frühhumanistischen Kapitalis. Die A mit breitem Deckbalken und gebrochenem Mittelbalken, B mit eingerollten, sich nicht berührenden Bögen, rundes oben offenes D, E teilweise epsilonartig abgerundet, der Balken des H und der Schrägbalken des N ausgebuchtet, I mit beidseitigen Nodi. Die Buchstabenenden häufig gegabelt.

Das am 15. März 1518 besiegelte Testament des Lüneburger Goldschmieds Cord van Hagen enthält neben diversen Stiftungen an geistliche Institutionen und der Einrichtung von Memorien auch die Verfügung, dass meyne testamentarien maken laten eyne Kleynode von vier lodige marck sulvers darvor eyne ewige dechtniße dem Rade upp ore Credentien geven. Die Summe, die dafür aufgewendet werden sollte, ist im Testament nicht benannt, sondern hier nur der Platz für einen Nachtrag freigelassen.4) Das Rechnungsbuch, das die Testamentsvollstrecker nach dem Tod des Cord van Hagen seit dem Mai 1522 führten, ist erhalten und weist den Lüneburger Goldschmied Hinrick Grabow als den ausführenden Künstler aus, der dafür 50 Mark und 8 Schilling erhielt.5)

Cord van Hagen wurde im Jahr 1465 in die Innung der Goldschmiede aufgenommen.6) Er gilt als der Meister, der die Evangelisten- und Kirchenväterschale anfertigte (vgl. Nr. 136 u. 139). Das auf beiden Werken vorkommende kleine Kreuz, das als sein Meisterzeichen gedeutet wird, findet sich hier in einem auf dem Rand eingravierten Wappenschild neben einem Wappenschild, den man wegen der gekreuzten Goldschmiedewerkzeuge – Grabstichel und Federwisch – als Wappen der Goldschmiede-Innung deuten könnte. Am 26. März 1518 stiftete Cord van Hagen, der ein Haus in der Wullenweverstrate (Heiligengeiststraße) besaß,7) eine Vikarie am Petrus- und Georgius-Altar in St. Nicolai.8) Die Vikarie sollte myt Kelchenn, Bokenn, Schappe, Ornaten, Missegewanden samt anderer nottorft ausgestattet werden. Nach dem Tod des Cord van Hagen sind seine Witwe Hylle und sein Sohn Joachim in den Quellen erwähnt.9)

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. 1874,375.
  2. Wappen Goldschmiede-Innung? (Grabstichel und Federwisch gekreuzt).
  3. Wappen Hagen? (Tatzenkreuz). Vgl. a. das kleine eingravierte Tatzenkreuz unter der Evangelistenschale Nr. 136. Das Siegel des Cord van Hagen (StA Lüneburg, UA a1: 1518 März 15) zeigt eine Hausmarke und hat keinerlei Ähnlichkeit mit dem Meisterzeichen.
  4. StA Lüneburg, UA a1: 1518 März 15.
  5. StA Lüneburg, AA P3cH Nr. 9a, fol. 135v. Dazu Horst Appuhn, Das Lüneburger Ratssilber, eine kunstgeschichtliche Aufgabe. In: Lüneburger Blätter 7/8, 1957, S. 81–87, hier S. 83.
  6. StA Lüneburg, AB 2 (Donat), fol. 45r unter Infra eodem anno impetrarunt Innunge: Curd van Hagen eyn goltsmed. Vgl. a. Schröder, Ratssilber, Meister, S. 8, u. Scheffler, Goldschmiede, S. 894.
  7. StA Lüneburg, UA b: 1498 Januar 5 I.
  8. Matthaei, Vikariestiftungen, S. 209. StA Lüneburg, UA a: 1518 März 26.
  9. StA Lüneburg, UA a: 1524 August 22.

Nachweise

  1. Gebhardi, Collectanea, Bd. 2, p. 197.
  2. Albers, Rathaus, S. 47.
  3. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 192 (nach Albers).
  4. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 293.
  5. Schröder, Ratssilber, Werke (o. S.), Nr. 6.
  6. Appuhn, Ratssilber, Nr. 14, S. 17.
  7. Kat. Stadt im Wandel, Bd. 2, Nr. 869, S. 993f. mit Abb.
  8. Bursche, Ratssilber, Nr. 14, S. 122, Abb. S. 42.
  9. Netzer, Ratssilber, Nr. 14, S. 76f. mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 257 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0025706.