Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 254 St. Johannis 1520

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Sechspassfuß über breiter Sockelplatte und durchbrochener Zarge, in einem Segment ein aufgesetztes Kruzifix mit dem eingravierten Titulus A, der linke Teil des Schriftbands abgebrochen. Um das Kreuz herum waren früher drei Wappenschilde aufgesetzt, die heute fehlen, aber auf einem Foto der Kgl. Preuß. Meßbildanstalt1) teilweise zu erkennen sind und die im Praepositurregister von 15322) namentlich genannt werden. In dem gegenüberliegenden Segment drei von Rosetten umgebene Perlen. Auf dem abgeflachten Nodus oben und unten Maßwerkornament, auf die Rotuli verteilen sich die Buchstaben der Inschrift B, auf den sechseckigen Schaftstücken ober- und unterhalb des Nodus die Inschriften C und D, alle in glatten Buchstaben vor aufgerautem Hintergrund. Schlichte halbkugelförmige Kuppa. Auf dem Rand unterhalb des Fußes das Lüneburger Beschauzeichen und ein verdrücktes und daher nicht identifizierbares Meisterzeichen.

Maße: H.: 20 cm; Dm.: 15,1 cm (Fuß), 12,5 cm (Kuppa); Bu.: 0,3 cm (A), 0,8 cm (B, C), 0,6 cm (D).

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A), gotische Minuskel (B–D).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. A

    [I(ESUS)] N(AZARENUS) R(EX) I(UDAEORUM)3)

  2. B

    ihesvs

  3. C

    maria

  4. D

    ihesvs

Wappen:
Töbing4)von der Molen5)Semmelbecker6)

Kommentar

Die Wappen Töbing und Semmelbecker beziehen sich auf den Lüneburger Bürgermeister Heinrich II. Töbing († 1504) und seine zweite Ehefrau Elisabeth Semmelbecker (vgl. Nr. 278). Letztere stiftete im Jahr 1520 als Witwe eine Vikarie an dem von ihrem Ehemann eingerichteten Altar St. Hieronymi am vierten Pfeiler des nördlichen Seitenschiffs, der der Stiftungsurkunde zufolge von ihr und ihrem Ehemann mit kelcke missale pacificale vnd andern ornaten ausgestattet worden war.7) Die Anbringung des Wappens von der Molen an prominenter Stelle auf dem Kelch lässt sich durch eine zweite Vikariestiftung der Elisabeth Semmelbecker erklären, die diese gleichzeitig im Namen des ebenfalls verstorbenen Heinrich IV. von der Molen ausführte.8) In der Stiftungsurkunde ist festgehalten, dass sich die Inhaber der beiden Kommenden des genannten Kirchengeräts bedienen sollten, das Elisabeth Töbing und ihr Ehemann für den Altar gestiftet hatten. Bei Heinrich von der Molen handelte es sich um einen Onkel mütterlicherseits des Heinrich Töbing, mit dem die männliche Linie dieses Familienzweigs von der Molen ausstarb.9)

Anmerkungen

  1. Foto Kgl. Preuß. Meßbild-Anstalt, Museum Lüneburg.
  2. StA Lüneburg, AB 460, fol. 64r. Nach dem Praepositurregister 1532, StA Lüneburg, AB 460, fol. 64r, das jedoch keine Wappenbeschreibungen enthält, handelte es sich um die Wappen Töbing, Bardewick (wohl irrtümlich so benannt, Wappen Bardewick: Rübe mit zwei Blättern, vgl. Büttner, Genealogiae) und Semmelbecker. Heinrich II. Töbing war in erster Ehe mit Beata von Bardewick verheiratet (vgl. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Töbing I). Das Praepositurregister verzeichnet für den Altar St. Hieronymi auch ein mit Perlen und dem Marienbild besticktes Korporalientuch, das ebenfalls die Wappen Töbing und Semmelbecker trug.
  3. Io. 19,19.
  4. Wappen Töbing (Maulbeerbaum auf Hügel). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  5. Wappen von der Molen (Schrägbalken mit drei Frauenköpfen). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  6. Auf dem Foto ist nur der äußere linke Teil des Wappenschildes zu erkennen, der vermutlich einen Balken zeigt. Dies lässt sich mit der Angabe des Präpositurregisters in Einklang bringen, wonach es sich hier um das Wappen Semmelbecker (Balken mit drei Schnallen belegt, vgl. Büttner, Genealogiae) gehandelt hätte. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 114, schreiben das obere und das rechte Wappen der Familie Sanckenstede zu, die jedoch einen Balken mit zwei Mohrenköpfe im Wappen tragen (vgl. Büttner, Genealogiae).
  7. StA Lüneburg, AB 458, Liber certarum fundationum, fol. 19r–20r, hier fol. 19v. Matthaei, Vikariestiftungen, S. 173f.
  8. StA Lüneburg, AB 458, Liber certarum fundationum, 20v/21r.
  9. Büttner, Genealogiae, Stammtafel von der Möhlen mit den 3. Jungfern-Köpffen, sowie Stammtafel Töbing I zu Heinrich II. Töbing.

Nachweise

  1. Foto Kgl. Preuß. Meßbildanstalt, Museum Lüneburg.
  2. Bode, Kirchen, Nr. 132 (C, D).
  3. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 145 (B–D).
  4. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 114 (B–D).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 254 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0025402.