Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 247 St. Nicolai 1516

Beschreibung

Glocke, ‚Franziskusschelle‘. Bronze. Die Glocke stammt aus St. Marien und wurde nach dem Abbruch der Kirche 1818 an St. Nicolai übergeben, aber erst 1871 im neuen Turm aufgehängt (vgl. Kommentar). Auf der einen Seite des Glockenmantels im Relief Maria mit dem Christuskind als Brustbild umgeben von einem Strahlenkranz, außen ein Kreis aus Rosetten. Auf der anderen Seite kleiner im Relief Franz von Assisi, der seine Stigmata zeigt, zwischen den Figuren der heiligen Katharina und des Johannes Baptista, darunter ein Wappenschild, zu beiden Seiten der Figuren die erhaben gegossene Inschrift A, um die Schulter der Glocke verläuft zwischen zwei Blattfriesen und Stegen die erhaben gegossene Inschrift B. Als Worttrenner Sterne, Lilien und Rosetten, zwischen Ende und Beginn der Inschrift noch einmal das Franziskusrelief sowie ein Weihekreuz. Die Kronenöhre sind mit Köpfen besetzt.

Maße: H.: 83 cm (mit Kronenöhren); Dm.: 74 cm; Bu.: 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Andreas Philipp, Göttingen [1/3]

  1. A

    Anno · d(omi)ni · // m · vc · xvi ·

  2. B

    + Ego · sticmata · domini · ihesu · in · corpore · meo · porto · Beata(m) · me · dice(n)t · o(mn)es · g(e)n(er)at(i)o(n)es · q(uia) · fecit · m(ihi) · magna ·a)1)

Übersetzung:

Ich trage die Wundmale des Herrn Jesus an meinem Leibe. Selig werden mich alle Nachkommen preisen, weil er Großes an mir getan hat. (B)

Wappen:
Döring2)

Kommentar

Der erste Teil der Inschrift bezieht sich auf die Stigmatisierung des Franz von Assisi, der zweite Teil auf die Geburt Christi durch die Jungfrau Maria, und damit auf den Ordensgründer des Franziskanerklosters und Maria, der die Klosterkirche geweiht war.

Die Glocke gehört aller Wahrscheinlichkeit nach zu den 1516 von Heinrich von Kampen in Lüneburg gegossenen Glocken (vgl. Nr. 241). Die Reliefs wie auch die Inschriften in gotischer Minuskel sind von hoher Qualität. Das sehr detailliert gestaltete Marienrelief zeigt das Christuskind, das in das lang herabfließende Haar seiner Mutter greift. Die Buchstaben der scharf konturierten gotischen Minuskel sind mit Zier- und Begleitstrichen sowie Zierhäkchen versehen; besonders charakteristisch sind das kleine oben auf das umgebrochene untere Bogenende des e gesetzte Zierhäkchen und die verkreuzten nach innen gezogenen Zierhäkchen zur Bildung des doppelstöckigen a, die an den linken Teil des gebrochenen oberen und unteren Bogens angesetzt sind.

Das auf dem Glockenmantel angebrachte Wappen der Familie Döring deutet darauf hin, dass die Glocke nicht auf Kirchenkosten angeschafft wurde, sondern eine Stiftung der Familie für St. Marien war. Die Glocke, die nach dem Abbruch der Kirche an St. Nicolai übergeben wurde, erscheint nicht in dem Verzeichnis der 1830/31 vom Turm abgenommenen Glocken. Das lässt darauf schließen, dass die Glocke nicht im alten Turm von St. Nicolai aufgehängt, sondern an anderer Stelle verwahrt wurde und erst in dem neu errichteten Turm angebracht wurde.3)

Textkritischer Apparat

  1. quae fecit magna Dithmers.

Anmerkungen

  1. Lc. 1,48f.
  2. Wappen Döring (steigender Löwe). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  3. StA Lüneburg, AA E1d 24. Wrede, Glocken, S. 37, berichtet, dass der Oberküster die Glocke in der Nacht vor dem drohenden Verkauf so mit Bauschutt zugedeckt habe, dass niemand sie habe finden können.

Nachweise

  1. Dithmers, Chronik, p. 222.
  2. Michelsen, Cronica, p. 149.
  3. Bellmann, Chronica, p. 190.
  4. Bode, Kirchen, Nr. 356.
  5. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 156.
  6. Wrede, Glocken, S. 35f.
  7. Wiesenfeldt, Glockengeschichte, S. 57 (nach Wrede).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 247 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0024709.