Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 100: Stadt Lüneburg (2017)
Nr. 244 St. Johannis 1516?
Beschreibung
Kleiner Doppelflügelaltar, sogenannter Kreuztragungsaltar. Holz, farbig gefasst, und Gemälde. Der Altar steht in der südlichen Chorkapelle. Das Mittelbild zeigt die Kreuztragung, auf dem Rahmen links, oben und rechts wiederholt sich die Inschrift A, auf der unteren Rahmenleiste die Inschrift B, beide in glatter Konturschrift vor aufgerautem Hintergrund. Auf den Innenflügeln jeweils zwei Heilige übereinander, die durch die Tituli C–F in Konturschrift auf den Rahmenleisten darüber und darunter bezeichnet sind: links Gregor und Nikolaus, rechts Thomas und Katharina. Auch hier auf den seitlichen Rahmenleisten die sich wiederholende Inschrift A. Der gewandelte Altar zeigt über die vier Flügel oben das Martyrium der Zehntausend, die Gregorsmesse, Antonius sowie Fabian und Hieronymus, unten Cosmas und Damian, Georg, Christophorus sowie Sebastian und Jodocus. In der Darstellung der Gregorsmesse in dem Kirchenfenster hinter dem Altar zwei Medaillons mit Wappenschilden darin. Inschriftlich bezeichnet sind nur noch die Heiligen auf dem rechten Außenflügel oben und unten auf der Rahmenleiste (G, H). Die Gemälde auf den Außenseiten der Außenflügel sind verloren.
Maße: H.: 136 cm; B.: 97 cm (Schrein); Bu.: 3,5–4 cm (A, C–F), 5 cm (B), 2,7–3 cm (G, H).
Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A, B), gotische Minuskel mit Versalien (C–H).
- A
IHES(US) · MARIA
- B
E:T DOLOR · [..] · PIET[...] NON [....]VE[....]a)
- C
S(anctus) · gregorius ·
- D
Sanct(us) · Nycolaus ·
- E
S(anctus) · lamasb) ·
- F
S(anc)ta · katerina ·
- G
S(anctus) fabian(us) · S(anctus) ieronim(us)
- H
S(an)ct(u)s sebastian(us) S(anctus) Jost
Malergilde1) | ?2) |
Textkritischer Apparat
- Der ursprüngliche Text lässt sich nicht rekonstruieren. E: T: DOLOR · S: T· PIETAS· NON ME TVERENE bei Krüger/Reinecke, die die Inschrift möglicherweise noch in einem besseren Zustand vorfanden, ergibt auch keinen Sinn.
- Irrtümlich anstelle von tomas. Der Fehler in der Ausführung der beiden ersten Buchstaben passt nicht zu den sonst sehr sorgfältig ausgeführten Inschriften.
Anmerkungen
- Wappen Malergilde (drei leere Schilde, 2:1).
- Wappen ? (geteilt).
- Gmelin, Tafelmalerei, Nr. 22, S. 164. Zu den Lebensdaten des Hinrick Levenstede vgl. Meyne, Plastik, S. 205f.
- St. Lukas-Büchsenbuch, S. 35.
- Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 145.
- Gebhardi, Collectanea, Bd. 13, p. 182f.
- Matthaei, Vikariestiftungen, S. 163. Da die betreffende Vikariestiftung zu Ehren der Gottesmutter, des Erzengels Michael und aller Engel, sämtlicher Patriarchen und Propheten, aller Apostel sowie weiterer 38 namentlich genannter Heiliger samt ihren ungenannten Gefährten erfolgte, ist es kein Zufall, dass die auf dem Altar dargestellten Heiligen in dem Katalog der Vikariestiftung wiederzufinden sind.
- St. Lukas-Büchsenbuch, S. 38. Diese taffelen scheint nicht identisch zu sein mit der unter dem gleichen Jahr verzeichneten sunten Lucaß tafelen thom Hilligendal, für die Hinrik Levenstede 26 Mark erhielt (ebd., S. 39).
Nachweise
- Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 98 (A, B, G, H).
- Gmelin, Tafelmalerei, Nr. 22, S. 158–161 mit Abb.
Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 244 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0024405.
Kommentar
Gmelin weist den Altar dem Lüneburger Maler Hinrik Levenstede d. J. zu,3) der im Büchsenbuch der Lüneburger St. Lukas-Gilde der Maler im Jahr 1509 als neuer Schaffer verzeichnet ist.4) Nach Mithoff gehörte der Doppelflügelaltar, der zu seiner Zeit bereits in einer Rumpelkammer aufbewahrt wurde, ursprünglich zum Altar der Theodori-Gilde auf dem Junkernlektor.5) Gmelin, der sich auf einen Hinweis Gebhardis auf 1516 von Levenstede angefertigte Altarflügel bezieht,6) möchte den Altar jedoch mit einer Stiftung für den Cosmas- und Damian-Altar von 1516 (vgl. Nr. 245) in Verbindung bringen. Er übersieht dabei allerdings, dass es sich bei dieser Stiftung nicht um die Finanzierung eines Doppelflügelaltars, sondern lediglich um die Einrichtung einer neuen Vikarie an dem betreffenden Altar handelte.7) Trotzdem könnte die Datierung des Altars, die zu der Ausführung der Inschriften A und B in frühhumanistischer Kapitalis passt, und die Zuschreibung an Hinrik Levenstede d. J. zutreffen, da sich der Vermerk Gebhardis möglicherweise auf das Büchsenbuch der Malergilde und dortige Einträge aus dem Jahr 1516 bezieht, in denen von der Anfertigung einer taffelen durch Hinrik Levenstede die Rede ist.8) Allerdings ist der betreffende Eintrag so unspezifisch, dass man weder feststellen kann, ob er sich auf St. Johannis bezieht, noch ob dort überhaupt die Rede von einem Altar ist.