Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 241 St. Johannis 1516

Beschreibung

Schlagglocke. Bronze. Die Glocke hängt in einer der zum Sand hin ausgerichteten Schallöffnungen des Glockenturms. Bis 1833 befand sie sich unter einem Schutzdach außen am Turm vor dem Westgiebel. Um die Schulter läuft die einzeilige Inschrift in erhabenen Buchstaben zwischen Stegen und Zierfriesen. Die Lesung der Inschrift ließ sich nur auf der dem Inneren des Glockenturms zugewandten Seite überprüfen. Die Buchstaben sind stark verwittert.

Inschrift teilweise nach Wrede.

Maße: H.: 119 cm (mit Krone); Dm.: 148 cm; Bu.: 2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/1]

  1. + Quiq(ue) · lavas · cristum · iohannes · optime · prosis ·Magdala · grata · deo · da · vota · precesq(ue) supremo ·Hinrick · van · kampen · Anno · xvc · xvia)

Übersetzung:

Bester Johannes, der du Christus taufst, hilf. Gottgefällige Magdalena, richte (unsere) Bitten und Gebete an den höchsten Gott.

Versmaß: Zwei Hexameter.

Kommentar

Der Glockengießer Heinrich von Kampen fertigte vermutlich alle sechs im Jahr 1516 in Lüneburg gegossenen Glocken an (für St. Johannis außerdem noch Nr. 242, 243, für St. Nicolai Nr. 246, für St. Marien Nr. 247 und für das Rathaus Nr. 249). Drei dieser Glocken waren wie die Schlagglocke signiert (Nr. 242, 243, 246), die als einzige der sechs erhalten ist. Außerdem goss Heinrich von Kampen 1518 die ebenfalls signierte, verlorene Mauritius-Glocke (Nr. 250) für St. Nicolai und vermutlich auch die unsignierte, erhaltene ‚Kleine Schelle‘ für St. Johannis (Nr. 251). Heinrich von Kampen gilt als Schüler Gerhard de Wous (vgl. Nr. 163); ob zwischen beiden Gießern auch ein verwandtschaftliches Verhältnis bestand, lässt sich nicht nachweisen. Die Beobachtung Wredes, Heinrich von Kampen hätte dieselben Buchstabentypen verwendet, die auch zum Repertoire des Glockengießers Gerhard de Wou gehörten,1) lässt sich an der Schlagglocke aufgrund des hohen Verwitterungsgrades nicht mehr überprüfen. Allerdings zeigt die ‚Kleine Schelle‘ charakteristische Merkmale, die sich so auch auf der Marienglocke des Gerhard de Wou finden (Nr. 165, s. die Buchstabenbeschreibung dort). Dies gilt ganz besonders für die a mit den nach innen gezogenen verkreuzten Zierhäkchen, aber auch für e und r. Die besonders scharfe Konturierung der Buchstaben auf der Marienglocke ist auf den beiden erhaltenen Glocken des Heinrich von Kampen nicht wiederzufinden. Es ist allerdings möglich, dass dies auf den deutlich schlechteren Erhaltungszustand zurückzuführen ist.

Heinrich von Kampen ist seit dem Jahr 1505 in verschiedenen Orten Norddeutschlands als Gießer nachweisbar, im Jahr 1506 goss er sieben Glocken für den Braunschweiger Dom.2) Später war er in Lübeck ansässig, wo er 1521/22 starb.3)

Textkritischer Apparat

  1. heinrich von kampen me fecit xvc xiii Dithmers, Gebhardi, Mithoff nach Gebhardi. Magdala ... supremo am Original überprüft.

Anmerkungen

  1. Wrede, Glocken, S. 10.
  2. Zu den sieben von Heinrich von Kampen gegossenen Glocken des Braunschweiger Doms vgl. DI 35, Nr. 320, 321, 322, 323, 324, 325, 326.
  3. Theodor Hach, Lübecker Glockenkunde. Lübeck 1913 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. 2), S. 198–200.

Nachweise

  1. Wrede, Glocken, S. 9f.
  2. Reinbeck, Chronik, p. 569 (nur Gießervermerk).
  3. Dithmers, Chronik, p. 221 (nur Gießervermerk).
  4. Gebhardi, Collectanea, Bd. 2, p. 174 (nach Reinbeck, nur Gießervermerk).
  5. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 148 (nach Gebhardi). –Wiesenfeldt, Glockengeschichte, S. 58 (nach Wehking).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 241 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0024101.