Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 165 St. Nicolai 1491

Beschreibung

Glocke, ‚Marienglocke‘. Bronze. Sie stammt aus St. Lamberti und wurde nach dem Abbruch der Kirche 1871 nach St. Nicolai überführt. Oben um die Schulter verläuft zwischen Zierfriesen aus Rosetten und Rankennornament die erhaben gegossene Inschrift. Auf dem Glockenmantel auf beiden Seiten Maria mit dem Kind als Himmelskönigin im Strahlenkranz auf einem Halbmond stehend. Die Kronenöhre sind mit je einem bärtigen Männerkopf besetzt. Am Ende der Verse Rosetten, sonst einfache Rauten als Worttrenner.

Maße: H.: 186 cm (mit Krone), 153 cm (ohne Krone); Dm.: 190 cm; Bu.: 3–3,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/3]

  1. + Ecce · Maria · vocor · salubri · producta · labore ·Ma(n)gne · meis · criste · sim · rogo · grata · sonis ·Deprecor · omni · sim · populo · campana · salutis ·Horrida · collidama) · fulmina · criste · para ·Gherardus · de · wou · de · campis · me · fecit · Anno · domini · M · CCCC · XCIb)

Übersetzung:

Siehe, Maria werde ich genannt, durch tüchtige Arbeit hervorgebracht. Großer Christus, durch meine Töne, bitte ich, möge ich willkommen sein. Ich erbitte, dass ich allen Leuten eine Glocke des Heils sei. Bewirke, dass ich die schrecklichen Blitze zerschlage, Christus. Gerhard de Wou aus Kampen hat mich gemacht im Jahr des Herrn 1491.

Versmaß: Zwei elegische Distichen.

Kommentar

Zu dem Glockengießer Gerhard de Wou vgl. Nr. 163. Die Inschrift kann als typisch für die von Gerhard de Wou gegossenen Glocken gelten, zum einen aufgrund des anspruchsvoll in lateinischen Versen abgefassten Inhalts, zum anderen aufgrund der äußerst sorgfältigen Buchstabengestaltung mit kleinen Zierelementen. Besonders charakteristisch an den scharf umrissenen Buchstaben der gotischen Minuskel sind hier die a, deren Enden des oberen und unteren gebrochenen Bogens als verkreuzte Zierhäkchen nach innen weitergeführt sind, die e, deren als Schrägstrich ausgeführter Balken oben und unten in einem Zierhäkchen endet, die r mit einer als Quadrangel ausgeführten Fahne mit weit nach unten ausgezogenem Zierstrich und die f und t mit rechts an dem Balken angesetztem langen Zierstrich nach oben und unten. Die Versalien zeigen ausgeprägte Bogenschwellungen bei gerader Innenkontur sowie begleitende Zierpunkte und Zierstriche.

Textkritischer Apparat

  1. callidam Dithmers, callidiam bei Gebhardi unterpungiert, cvllidam Wrede.
  2. XVI Dithmers und Gebhardi.

Nachweise

  1. Dithmers, Chronik, p. 108.
  2. Gebhardi, Collectanea, Bd. 3, p. 105 (nach Dithmers?).
  3. Bellmann, Chronica, p. 106 (unter dem Jahr 1417).
  4. Bode, Kirchen, Nr. 262.
  5. Schecke, Lüneburg, [p. 10].
  6. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 151.
  7. Wrede, Glocken, S. 23.
  8. Wiesenfeldt, Glockengeschichte, S. 50 (nach Wehking).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 165 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0016501.