Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 163† St. Johannis 1491

Beschreibung

Glocke, nach Reinbeck als Sonntagsglocke bezeichnet. Die Überlieferung dieser Glockeninschrift geht nur auf Reinbeck zurück, weitere Belege für die Existenz dieser Glocke und ihr weiteres Schicksal gibt es nicht (vgl. Kommentar).

Inschrift nach Reinbeck.

  1. Jesus Maria Johannes : frede heite ickGerit von Campen Goth mick : Do man schreff 1491

Übersetzung:

Friede heiße ich. Gerit von Campen goss mich, als man (das Jahr) 1491 schrieb.

Versmaß: Deutscher Reimvers.

Kommentar

Bei dem in der Inschrift genannten Glockengießer Gerit von Campen handelte es sich um den wohl berühmtesten Glockengießer seiner Zeit, den in Kampen in den Niederlanden ansässigen Gerhard de Wou.1) In den Jahren 1491 und 1492 goss Gerhard de Wou noch fünf weitere Glocken für Lüneburger Kirchen: die heute in St. Nicolai aufgehängte, aus St. Lamberti stammende Marienglocke (vgl. Nr. 165) sowie vier Glocken für das Geläut von St. Michaelis (vgl. DI 24, Nr. 41, 42, 43, 44). Die Inschrift auf der für St. Johannis gegossenen Glocke ist problematisch, weil die Glockeninschriften des Gerhard de Wou in norddeutschen Kirchen – soweit bekannt nur mit einer Ausnahme2) – in lateinischer Sprache abgefasst sind, was für de Wous Werk geradezu charakteristisch ist. In seinem Fall liegt die Vermutung nahe, dass der hochgebildete Glockengießer zumindest großen Einfluss auf die Formulierung der Glockeninschriften nahm, wenn er die Inschriften nicht grundsätzlich selbst verfasste. Da es außer der Inschriftenüberlieferung bei Reinbeck keinen Beleg für die Existenz der Glocke von St. Johannis gibt, muss deren tatsächliche Ausführung zweifelhaft bleiben.

Anmerkungen

  1. Walter, Glockenkunde, S. 912. Zur Wirkungszeit des Gerhard de Wou vgl. DI 26 (Stadt Osnabrück), Nr. 60. Zu seiner Tätigkeit in Lüneburg ausführlich Wiesenfeldt, Glockengeschichte, S. 47–54 mit weiteren Literaturnachweisen.
  2. Es handelt sich um die 1490 für die Kirche in Laar, Grafschaft Bentheim, gegossene Glocke. Die Inschrift ist in zwei stark voneinander abweichenden Varianten überliefert. Hektor Wilhelm Heinrich Mithoff, Kunstdenkmale und Alterthümer im Hannoverschen, Bd. 6: Fürstenthum Osnabrück ... . Hannover 1879, S. 72. Arnold Nöldeke, Die Kunstdenkmäler des Kreises Lingen und der Grafschaft Bentheim. Osnabrück 1919, S. 160. Die norddeutschen Glocken des Gerhard de Wou insgesamt verzeichnet in der digitalen Inschriftensammlung der Göttinger Inschriftenkommission.

Nachweise

  1. Reinbeck, Chronik, p. 556.
  2. Gebhardi, Bd. 2, p. 173 (nach Reinbeck).
  3. Wrede, Glocken, S. 13 (nach Reinbeck).
  4. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 147 (nach Gebhardi).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 163† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0016305.