Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 152 St. Johannis vor 1486

Beschreibung

Gemälde auf drei Flügeln des als Doppelflügelaltar gestalteten Hochaltars. Ölgemälde auf Eiche. Im Schrein und den Innenseiten der Innenflügel geschnitzte Szenen aus der Passion Christi, sowie Figuren von Aposteln, Propheten und weiblichen Heiligen. Auf der Außenseite des linken Innenflügels im Vordergrund Salome, die das Haupt des Johannes Baptista erhält, im Hintergrund weitere Szenen aus seiner Vita, auf der Außenseite des rechten Innenflügels Darstellungen aus der Vita des heiligen Georg: im Vordergrund links die Tötung des Drachens, im Hintergrund die libysche Königstochter in betender Haltung, im Vordergrund rechts die Taufe des Königs mit seinem Volk durch den heiligen Georg, das von Knabenfiguren getragene Taufbecken ist von der im Ausschnitt sichtbaren Inschrift A umgeben. Auf der Innenseite des linken Außenflügels Darstellungen aus der Vita der heilige Cäcilia, auf der Innenseite des rechten Außenflügels Darstellungen aus der Vita der heiligen Ursula. Auf den Außenseiten der Außenflügel zwei Passionsszenen, links die Kreuzigung, rechts Ecce homo.1) In der Kreuzigungsszene auf der Außenseite des rechten Außenflügels am Kreuz der Titulus B, unter dem Kreuz der Hauptmann mit erhobener Hand, darüber die Inschrift C, auf dem Schwert des ganz rechts stehenden Mannes nicht sinnvoll lesbare Buchstaben (D). Im Gemälde auf der Außenseite des rechten Außenflügels Pilatus mit Christus auf einer Treppe vor einer Gruppe von fünf Juden. Rechts neben dem Kopf des Pilatus die Inschrift E, zwei Männern sind die Inschriften F und G zugeordnet. Auf der Rückseite des Hochaltars das Gemälde Nr. 758.

Maße: H.: 200 cm; B.: 147 cm (jeder Außenflügel); Bu.: 5 cm (A), 3 cm (B–D, F), 2,5 cm (E).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A–C), Kapitalis (D), gotische Minuskel mit Versalien (E–G).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/3]

  1. A

    nes · mariaa) g

  2. B

    · i(esus) · n(azarenus) · r(ex) · i(udaeorum) ·2)

  3. C

    · vere fili(us) dei erat iste ·3)

  4. D

    SVNOJA // S[.....]

  5. E

    · Ecce homo ·4)

  6. F

    · Tolle crucefi(g)eb) ·5)

  7. G

    · Tolle tolle crucefi(g)eb) ·5)

Übersetzung:

Wahrlich, dieser war Gottes Sohn. (C) Seht, welch ein Mensch. (E) Nimm (ihn) hinweg, kreuzige (ihn). (F, G)

Kommentar

Reinecke/Krüger zitieren die auf die Altartafeln bezogenen Einträge von 1484/85 aus dem Rechnungsbuch von St. Johannis, wonach ein nicht namentlich genannter Maler aus Hamburg für die Anfertigung der Gemälde entlohnt wurde.6) Gmelin identifiziert diesen Maler als den Hamburger Meister Hinrik Funhof und belegt dies durch einen Eintrag im Rechnungsbuch von St. Johannis, wo unter dem Jahr 1485 eine Restzahlung an die Witwe des Malers erwähnt wird. Dies passt zu dem Todesdatum Hinrik Funhofs 1484/85. Allerdings wechselt Gmelin ohne Skrupel von dem Vornamen Hinrik zu dem im Rechnungsbuch von St. Johannis7) im Zusammenhang mit dem Altar genannten Meister Hans – beides für ihn offenbar Synonyme desselben Namens.8) Da Meister Hans jedoch nur für die Anbringung der Tafeln bezahlt wurde, dürfte es sich bei ihm um einen Tischler gehandelt haben, der ebenso wie ein Schmied gesondert für die Errichtung des gesamten Altars entlohnt wurde. Die Gemälde der Außenseiten möchte Gmelin nicht Funhof zuschreiben, obwohl sie – auch nach seiner Meinung – eine große Ähnlichkeit zu den von ihm selbst Funhof zugeordneten Osnabrücker Tafeln aufweisen. Stattdessen weist Gmelin wie inzwischen auch Rümelin die beiden Gemälde dem Lüneburger Maler Hans Epsenrad zu, der die Gemälde nach dem Entwurf Funhofs fertiggestellt hätte.9)

Textkritischer Apparat

  1. mavia Gmelin.
  2. Ohne Kürzungszeichen.

Anmerkungen

  1. Dies ist bei Gmelin, Tafelmalerei, S. 127, wie auch in Kat. Stadt im Wandel, Bd. 2, S. 1269, verwechselt, nach Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 144, u. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 95 handelt es sich um Darstellungen des heiligen Jakobus und der Kreuzigung, die nach Mithoff in Grisaillemalerei ausgeführt waren; Bode, Kirchen, März 1860, Nr. 130, beschreibt hingegen die Darstellung der Szene Ecce homo und der Kreuzigung in Grisaillemalerei. Wie sich dies mit dem äußerst farbigen heutigen Befund in Einklang bringen lässt, ist rätselhaft. Die Darstellung auf der Innenseite des linken Außenflügels identifizieren Bode, Mithoff und Reinecke/Krüger nicht als Szenen aus der Vita der heiligen Cäcilia, sondern der heiligen Katharina.
  2. Io. 19,19.
  3. Mt. 27,54.
  4. Io. 19,5.
  5. Io. 19,15.
  6. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 77.
  7. StA Lüneburg, AB 769a, fol. 2v, die anderen auf die tafel bezogenen Einträge fol. 2r–4v.
  8. Gmelin, Tafelmalerei, S. 124. Die Darstellung von Gmelin ist insofern irreführend, als Meister Hans und der immer ohne Namen genannte Maler in Hamburg im Rechnungsbuch ganz offensichtlich zwei verschiedene Personen sind. Vgl. a. Kat. Goldgrund und Himmelslicht, S. 182, sowie Aufsatzband: Dörte Zbikowski, Zum Beispiel: Hinrik Funhof. Zu dessen Biographie und Werk, S. 212–218. Zbikowski zeigt überzeugend, wie spekulativ die Interpretation archivalischer Nachweise in Bezug auf Künstler und Werke sein kann, solange man keine inschriftlich datierten und/oder signierten Werke zugrundelegen kann.
  9. Gmelin, Tafelmalerei, S. 115 u. 129 mit weiteren Angaben zur Literatur. Sowie zuletzt Rümelin/Jaacks, Bilder, S. 329f.

Nachweise

  1. Gmelin, Tafelmalerei, S. 117–129 mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 152 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0015200.