Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 115† St. Johannis nach 1456

Beschreibung

Glasmalerei. Nach Rikemann befand sich die Inschrift in einem Fenster im Chor.

Inschrift nach Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover.

  1. Theodori L tal ScharM CCCC VI ihar De olde rath wedder kambeter idt wardtAlsea) Man vornam

Übersetzung:

(Am Tag des heiligen) Theodor: zur Zahl 50 rechne noch 1406 Jahre. Der Alte Rat kam wieder, (und) es wurde besser, wie man hörte (oder: als man jemals gehört hatte).

Versmaß: Deutscher Reimvers.

Kommentar

Der Text ist in den chronikalischen Handschriften in zahlreichen Variationen mit diversen Abweichungen überliefert, die hier nicht wiedergegeben werden, weil sie nicht sinntragend sind bzw. nur belegen, dass die Schreiber den Sinn der wohl aus Reimgründen etwas eigenartig konstruierten Inschrift kaum mehr verstanden haben. Bezug nimmt die Inschrift auf das Ende des Prälatenkriegs und die Wiedereinsetzung des Alten Rats seit dem Festtag des heiligen Theodor, dem 9. November des Jahres 1456.1) Wann die Inschrift angebracht wurde, ist nicht zu klären. Möglicherweise wurde das Fenster erst nach der Gründung der Theodori-Gilde im Jahr 1461 auf deren Betreiben angefertigt.2) Die auf vierzig Mitglieder begrenzte Theodori-Gilde stellte einen Zusammenschluss der alten Rats- und Sülfmeisterfamilien der Stadt dar und diente dazu, deren Position in der Stadt zu festigen. Den heiligen Theodor (Tiro von Euchaita), der in der Satzung der Gilde als Ritter und Märtyrer bezeichnet wird, wählte man offenbar als streitbaren Patron, dessen Heiligentag ungefähr zum Machtwechsel in der Stadt passte.3) Die neu gegründete selschup (Gesellschaft), deren lateinischer Name societas domicellorum (Gesellschaft der Junker) den Anspruch auf eine patrizische Vorrangstellung der beteiligten Familien innerhalb der Stadt Lüneburg zum Ausdruck brachte, erklärte in ihrer Satzung u. a. als Ziel, den chore bouen hern Johan Springintgudes graue to weluende und auszustatten (zur Grabplatte Springintgut vgl. Nr. 120). Der sogenannte Junkernlector oder Junkernchor wurde über der Ursula- und der Fronleichnams-Kapelle errichtet, in der Johann Springintgut begraben lag. Die erste Vikarie am Theodorus-Altar, den man auch als altare domicellorum oder Junkernaltar bezeichnete, wurde erst im Jahr 1487 eingerichtet.4) Daraus lässt sich schließen, dass die Errichtung des Junkernchors, der das Gegenstück zum Ratschor auf der Südseite des Chors bildete, erst etliche Jahre nach der Gründung der Theodori-Gilde erfolgte.

Textkritischer Apparat

  1. Alse so bei Reinbeck, Alle bei Rikemann.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu detailliert Reinecke, Geschichte, Bd. 1, S. 234f.
  2. Satzung der Theodori-Gilde von 1461: StA Lüneburg, AB 604a. Gedr. in: Meyer, Theodori-Gilde.
  3. Vgl. LCI, Bd. 8, Sp. 447–451.
  4. Matthaei, Vikariestiftungen, S. 188.

Nachweise

  1. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 319.
  2. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Göttingen, p. 180.
  3. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Lüneburg, fol. 191r.
  4. Rodewolt, Bilderchronik, fol. 275v.
  5. Rodewolt, Chronicon, fol. 316r.
  6. Hammenstede, Chronik, Ex. Stadtarchiv, fol. 166r.
  7. Sagittarius, Historia, p. 220.
  8. Reinbeck, Chronik, p. 553.
  9. Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 69.
  10. Michelsen, Cronica, p. 115.
  11. Meyer, Theodori-Gilde, S. 85.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 115† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0011506.