Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 100: Stadt Lüneburg (2017)
Nr. 23 Museum Lüneburg 1385
Beschreibung
Glocke.1) Bronze. Die Glocke, die nach Gebhardi zu einem Glockenspiel im mittleren, 1703 abgebrochenen Turm des Rathauses gehörte,2) diente auch als Markt- und Stundenglocke und hing bis zum Jahr 1955 im Rathausturm, seither gehört sie zum Museumsbestand. Oben um die Schulter verläuft die erhaben gegossene Inschrift A zwischen je zwei Stegen oben und unten. Die Buchstaben in erhabener Konturschrift. Darunter auf dem Glockenmantel fünf Medaillons mit Darstellungen der Kreuzigung, der Anbetung des Christuskindes, der Verkündigung, des heiligen Christophorus sowie des Pelikans mit seinen Jungen. Auf dem Glockenmantel in erhabenen Konturen dargestellt Maria mit dem Kind und dem Lilienszepter sowie Johannes Baptista. Dazwischen ein großes Schriftband mit der erhaben gegossenen Inschrift B, die spiegelverkehrt ausgeführt ist. Die Krone der Glocke fehlt, stattdessen sind sechs Bohrlöcher für die Aufhängung angebracht. Die Worttrenner in der Inschrift A in Form von Rosetten.
Maße: H.: 92,5 cm; Dm.: 130 cm; Bu.: 4,3 cm (A), 2,1 u. 4 cm (B).
Schriftart(en): Gotische Majuskel (A), gotische Minuskel (B).
- A
+ ANNO · D(OMI)NI · M · CCC · L · X · X · X · V · + LAVDATE · EVMa) · I(N)b) · SIMBALIS · BENESONANTIBVS3)
- B
m(a)g(iste)rc) / iohan(ne)s me fecitd)
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1385. Lobt ihn mit wohlklingenden Zimbeln. (A) Meister Johannes hat mich gemacht. (B)
Textkritischer Apparat
- cum alle Überlieferungen bis auf Wrede und Rogacki-Thiemann.
- I(N) fehlt allen Überlieferungen bis auf Wrede und Rogacki-Thiemann.
- m(a)g(iste)r fehlt allen Überlieferungen bis auf Wrede und Rogacki-Thiemann. Die Lesung ist etwas unsicher, da die Buchstaben verdrückt sind. Eindeutig lesbar ist m, allerdings mit einer Brechung oben an der rechten Haste wie bei einem e oder r, es folgt wohl eine gr-Ligatur.
- tenet alle Überlieferungen bis auf Wrede und Rogacki-Thiemann. Offenbar war die Lesung durch die spiegelverkehrte Ausführung der Inschrift erschwert.
Anmerkungen
- Inv. Nr. H 11.
- Gebhardi, Collectanea, Bd. 3, p. 107.
- Ps. 150,5.
- Körner, Leitfaden, H 11, S. 120. So auch Kat. Stadt im Wandel, Bd. 2, S. 790, Nr. 697, unter Berufung auf Wrede, der diese Vermutung allerdings nicht äußert.
Nachweise
- Dithmers, Chronik, p. 41.
- Gebhardi, Collectanea, Bd. 3, p. 107.
- Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 180.
- Wrede, Glocken, S. 51.
- Körner, Leitfaden, S. 119, Nr. H 11.
- Kat. Stadt im Wandel, Bd. 2, Nr. 697, S. 789.
- Wiesenfeldt, Glockengeschichte, S. 39f. (nach Wehking).
- Rogacki-Thiemann, Marktfassade, S. 57, Anm. 20/21 u. Abb. 3.
Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 23 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0002301.
Kommentar
Die Inschrift A ist in einer sehr sorgfältig gestalteten gotischen Majuskel mit ausgeprägten Sporen und Zierhäkchen ausgeführt, die jeweils in kleinen Tropfen enden. Die Bögen weisen deutliche Schwellungen auf, Hasten und Balken sind teilweise keilförmig verstärkt, z. B. das zweite A in LAUDATE, das aus vier an der Buchstabenspitze zusammenlaufenden Keilen von Hasten und Deckbalken sowie einem sehr schmalen gebrochenen Balken besteht. Daneben tritt eine andere, besondere Form des A auf, die zwei parallele oben durch einen schmalen Bogen verbundene senkrechte Hasten aufweist, die linke Haste als Schwellzug unten tropfenförmig auslaufend, oben in einem keilförmigen Sporn, der Balken hier als dünner Schrägbalken von unten links nach oben rechts gezogen.
Es handelt sich um die älteste inschriftlich datierte Glocke der Stadt Lüneburg. Über den Glockengießer Johannes ist nichts bekannt. Körner vermutet, dass die Glocke ursprünglich für die Johanniskirche bestimmt war, aber wegen des Fehlgusses der Krone in das Rathaus übernommen wurde.4) Belege für diese Annahme gibt es nicht.