Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 100: Stadt Lüneburg (2017)
Nr. 13† Hospital Langer Hof 1371 o. später
Beschreibung
Kreuzstein für Gebhard von der Molen. Der Stein war nach Gebhardi in die zum Straßenzug In der Techt weisende Begrenzungsmauer des Hospitals Langer Hof eingelassen. Es handelte sich um einen Schaft, darauf von Rankenornament umgeben ein rundes Medaillon mit einem Wappenschild darin, der Schaft trug einen runden, scheibenartigen Aufsatz, im Kreis ein Kreuz, in den Zwickeln vierblättrige Rosetten, außen umlaufend die Inschrift, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits beschädigt war.
Inschrift nach der Zeichnung bei Gebhardi, ergänzt nach dem Text bei Gebhardi.
+ ANNO · D(OMI)NI · M · CCC · LXXI · [GHEVEH]ARD · DE · MOLEN(DIN)O · [ES]T · HIC · OCCIS(VS)a) · AB · HOSTIBVS · O(RA)TE · DEVM · [P(RO)] · EO
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1371 ist Gebhard von der Molen hier von den Feinden getötet worden. Betet zu Gott für ihn.
von der Molen1) |
Textkritischer Apparat
- OSSICUS Rümelin.
Anmerkungen
- Wappen von der Molen (schrägrechter, mit drei Mühlrädern belegter Balken). Vgl. Büttner, Genealogiae.
- Reinecke, Stadtbuch, S. 195 u. 213. Büttner, Genealogiae, Stammtafel von der Möhlen mit den 3. Rädern I.
- Schomaker-Chronik, S. 14–17 zu den Ereignissen der Ursulanacht, hier S. 15. Eine ausführliche Schilderung der Ereignisse auch bei Volger, Ursulanacht, Lüneburger Blätter, S. 78–87 (Neujahrsblatt 1856).
- Die reine Vermutung Volgers (Lüneburger Blätter, S. 79f.), dass auch dem am Schlagbaum bei der Marienkirche (Schomaker-Chronik, S. 15) tödlich verwundeten Bürgermeister Heinrich von der Molen, der wenige Tage später starb, am Platz seiner Verwundung ein Denkmal errichtet wurde, verfestigt sich bei Rümelin (Erinnern, S. 71) zur Gewissheit, dass neben diesem auch für Heinrich von dem Sande (vgl. Nr. 16) ein Denkmal errichtet wurde. Der Umstand, dass in der kopialen Überlieferung nirgendwo ein Hinweis auf einen weiteren Gedenkstein zu finden ist, obwohl die Inschriften der drei anderen Steine vielfach überliefert oder erwähnt sind, spricht gegen Volgers und Rümelins Vermutungen.
- Rümelin, Erinnern, S. 73.
- Vgl. dazu DI 59 (Stadt Lemgo), Nr. 2 mit Beispielen (Anm. 8).
Nachweise
- Gebhardi, Collectanea, Bd. 6, p. 608 (Zeichnung).
- Büttner, Inscriptiones.
- Büttner, Genealogiae, Stammtafel von der Möhlen mit den 3. Rädern I.
- Michelsen, Cronica, p. 33.
- Volger, Lüneburger Blätter, Bd. 1, S. 79 (Neujahrsblatt 1856).
- Albers, Rathaus, S. 14.
- Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 203 (nach Gebhardi).
- Hoffmann, Steinkreuze, S. 43 (nach Gebhardi).
- Müller/Baumann, Kreuzsteine, S. 18, 2728.3 (nach Gebhardi).
- Rümelin, Erinnern, S. 71 (nach Gebhardi).
Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 13† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0001304.
Kommentar
Gebhard von der Molen, Sohn des Ratsherrn Dithmer von der Molen und seiner Frau Ermegard, wurde 1368 zum Ratsherrn gewählt.2) Er zählt zu den ersten und prominentesten Opfern der kriegerischen Ereignisse in der Ursulanacht (21. Oktober) des Jahres 1371.3) Als Herzog Magnus im Zuge des Lüneburger Erbfolgekriegs einen Überfall auf die Stadt Lüneburg unternahm und seine Truppen mit Hilfe von Leitern bei dem Fredeketurm in die Stadt eindrangen, gehörten die Ratsherren Gebhard von der Molen und Nikolaus Garlop (vgl. Nr. 14) zu den ersten Bürgern, die sich den Eindringlingen entgegenstellten und dabei getötet wurden. Die Ursulanacht wurde in der Lüneburger Chronistik und in der Stadt Lüneburg als vorbildhafter Sieg einer sich tapfer gegen feindliche Übergriffe wehrenden Bürgerschaft gefeiert und verherrlicht. Für drei Opfer auf städtischer Seite wurden an den Stellen Denkmäler gesetzt, an denen sie den Tod fanden: für Gebhard von der Molen, Nikolaus Garlop und Heinrich Viskule (Nr. 15), dessen Denkmal als einziges – wenn auch stark beschädigt – erhalten ist.4) Rümelin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die drei Denkmäler – wenn auch ganz im Sinne des Rats – vermutlich von den jeweiligen Familien der Verstorbenen gesetzt wurden.5) Wann dies geschah, ob unmittelbar nach den Geschehnissen der Ursulanacht oder erst mit größerem zeitlichen Abstand, lässt sich nicht klären.
Bemerkenswert ist, dass jedes der drei Denkmäler eine ganz eigene Gestaltung aufweist. Dies gilt auch für die Ausführung der Inschriften. Die in gotischer Majuskel gehauene Inschrift auf dem Molen-Stein wirkt im Vergleich zu der gotischen Minuskel auf dem Viskule-Stein älter, über die auf dem Garlop-Stein verwendete Schriftart liegen leider keine Angaben vor. Die Verwendung verschiedener Schriftarten spricht jedoch nicht gegen eine gleichzeitige Entstehung der Denkmäler. Die Inschrift auf dem Viskule-Stein ist zwar stark beschädigt, zeigt aber in dem Namen viskule ein v mit linksschräger linker Haste, wie es in der frühen gotischen Minuskel des letzten Viertels des 14. Jahrhunderts häufiger vorkommt, während die späteren Inschriften in dieser Schrift v mit parallelen Hasten aufweisen.6) Dagegen war die Molen-Inschrift – der Zeichnung bei Gebhardi zufolge – in einer Spätform der gotischen Majuskel ausgeführt, wie sie ebenfalls im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts noch parallel zur immer verbreiteter werdenden gotischen Minuskel vorkommt, die die gotische Majuskel zu Beginn des 15. Jahrhunderts nahezu vollständig verdrängt. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Gedenksteine etwa zur gleichen Zeit noch im 14. Jahrhundert gesetzt wurden.
Formal ähneln sich die Inschriften, die aus einem kurzen Sterbevermerk und einer jeweils anders formulierten Fürbitte bestehen. Im Fall des Viskule-Steins wird die Fürbitte vom Verstorbenen selbst ausgesprochen, die Leser der Molen-Inschrift werden zum Gebet aufgefordert, während die Garlop-Inschrift nur den allgemein formulierten Wunsch quiescat in pace enthält. Auffallend ist, dass lediglich in der Inschrift für Heinrich Viskule von der Ursulanacht die Rede ist, während sich die beiden anderen Inschriften auf die bloße Jahresangabe beschränken und den Tag als allgemein bekannt voraussetzen. Ebenso wird in allen drei Inschriften als bekannt vorausgesetzt, unter welchen Umständen die Genannten gewaltsam zu Tode kamen.