Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 83† Neunkirchen, Evangelische Kirche 1483

Beschreibung

Bauinschrift über dem Tor in der Mauer des Kirchhofes. Die Inschrift befand sich zur Zeit Retters offenbar nicht mehr an ihrem originalen Platz. Wie die Auslassungen bei Retter zeigen, war die Inschrift schon damals nicht mehr vollständig lesbar.

Nach Retter.

  1. Anno domini m cccc lxxxiii Iohannes Rudder / artium magister pastor huius ecclesie pri[. . .] hoc / opus struxit in honorem Salvatoris compas/sionis eius matris marie sancte crucis et in Seba/stiani martyris [. . .] oblata fabrica tollat sola

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1483 hat Johannes Ruder, Magister der Künste und Pfarrer dieser Kirche, dieses Werk errichtet zu Ehren unseres Erlösers, der Schmerzen seiner Mutter Maria, des Heiligen Kreuzes und des Märtyrers Sebastian...

Kommentar

Retter äußerte Zweifel, ob die Inschrift auf den Bau einer Kapelle oder vielleicht nur auf den Bau der Kirchhofmauer zu beziehen sei. Aus der Formulierung hoc opus struxit in honorem Salvatoris compassionis ... ergibt sich jedoch eindeutig, daß die Inschrift zu einem sakralen Bauwerk gehörte,1) und das Wort fabrica (Bau/Kirchenfabrik) am Ende der Inschrift weist auf ein größeres Bauwerk hin, wobei hier wohl zuerst eine Kapelle in Frage kommt. Die Heiligen, zu deren Ehren das Gebäude durch den Pfarrer Johannes Ruder2) errichtet wurde, waren die Patrone der Kapelle, deren Patrozinium sich damit von dem der Kirche unterschied. Aufgrund des Sebastianpatroziniums bringt Rudolf Kunz den Kapellenbau mit einer Pest im Jahr 1482 in Verbindung.3)

Die Interpretation der letzten vier Worte der Inschrift oblata fabrica tollat sola bereitet durch die vorangehende Textlücke, deren Umfang unbekannt ist, erhebliche Schwierigkeiten. Denkbar wäre eine Vorschrift, daß allein die Kirchenfabrik (sola fabrica) alle an die Kapelle gestifteten Geschenke (dona oblata) empfangen soll. Auch der Wunsch, eine bestimmte Schuld durch den dargebrachten Bau (oblata fabrica) zu tilgen, könnte der Formulierung zugrunde liegen. Schließlich wäre vielleicht noch eine Verfügung vorstellbar, daß niemand den Boden (sola), auf dem die Kapelle gebaut wurde, für sich beanspruchen soll. Bei diesen Lösungsvorschlägen stört jedoch stets das tollat, da bei den hier vorgeschlagenen Versionen normalerweise andere Verben benutzt werden und die Verwendung von tollere als zumindest ungewöhnlich bezeichnet werden muß.

Anmerkungen

  1. Vgl. die Formulierung in der Stiftungsinschrift der Elisabeth Pfot für eine ewige Lampe (Nr. 75): erectum fundatumque est praesens lumen ... in honore summe et indiuidue trinitatis.
  2. Zu ihm vgl. Nr. 86.
  3. Kunz, Kirchspiel Neunkirchen 57.

Nachweise

  1. Retter, Hessische Nachrichten II 230.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 83† (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0008309.