Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 2 Babenhausen, Friedhof, aus Ev. Kirche 2. H. 13. Jh.

Beschreibung

Spruchinschrift auf einer Glocke, die ursprünglich im Turm der Babenhausener Pfarrkirche hing und heute im Turm der modernen Friedhofskapelle aufgehängt ist. Die senkrechte Schulter ist mit fünf Stegen verziert. Die Inschrift läuft ohne Einfassung durch Stege auf dem Wolm um. Als Worttrenner dienen runde Punkte.

Maße: H. 51, Dm. 56, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden [1/9]

  1. + O REX · GLORIE · VENI · CVM · PACE · DEVS · H(OM)O · F(A)C(TV)S · E(ST)a)

Übersetzung:

O König der Herrlichkeit, komme mit Frieden. Gott ist Mensch geworden.

Kommentar

Die gotische Majuskel der Inschrift ist innen in den abgenommenen Mantel geritzt worden. Alle Bogenschwellungen, der größte Teil der Hasten sowie die Cauda des R sind in Kontur ausgeführt. Bei den Balken bleibt die Kontur auf den Mittelbalken des A beschränkt. Die Verwendung der Konturschrift, bei der nur die Umrisse der Buchstaben oder von Buchstabenteilen wiedergegeben werden, ist auf Glocken im Rhein-Main-Gebiet sehr selten. Dies erschwert die zeitliche Einordnung durch eine paläographische Analyse. Die Buchstabenformen sind dem kapitalen Alphabet entnommen. Lediglich das E ist mit einer Ausnahme stets als unzialer Buchstabe ausgeführt. Das trapezförmige A trägt einen breiten Deckbalken. Während das C noch nicht geschlossen ist, schließen dünne Abschlußstriche das E und das X. Der Mittelteil des kapitalen M reicht bis zur Zeilenmitte, das N ist retrograd, und beim S befindet sich die Schwellung am Mittelteil und nicht an den Rundungen der Bögen. Bei den übrigen runden Buchstaben sind die Bogenschwellungen deutlich ausgeprägt. Die freien Buchstabenenden sind keilförmig verbreitert und enden oft in breiten Sporen, die zu Zierstrichen ausgezogen sind.

Die Anbringung der Inschrift auf dem Wolm spricht ebenso wie die Technik der Buchstabenanbringung dafür, daß die Glocke im 13. Jahrhundert gegossen wurde.1) Die Buchstabenformen sind in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ohne weiteres möglich. Der Spruch O REX GLORIE kommt im Bearbeitungsgebiet sonst nur auf der Pfungstädter Glocke aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und der Babenhausener Glocke von 1437 vor.2) In den angrenzenden Gebieten begegnet er vor allem im 14. Jahrhundert,3) doch läßt er sich bereits im 13. Jahrhundert in verschiedenen Regionen Deutschlands nachweisen.4) Er ist vermutlich von der Friedensbitte der Meßliturgie beeinflußt.5) Der Zusatz DEVS HOMO FACTVS EST bezieht sich wohl auf die entsprechende Stelle des Glaubensbekenntnisses.6)

Textkritischer Apparat

  1. HTFTE Herchenröder, der das Ergebnis seiner Lesung zu Recht als „vielleicht unsinnig“ bezeichnet.

Anmerkungen

  1. Freundlicher Hinweis von Herrn Jörg Poettgen, Overath.
  2. Vgl. Nr. 16; Nr. 31.
  3. Vgl. dazu DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 153, Anm. 1.
  4. Walter, Glockenkunde 164 f., Anm. 6.
  5. Walter, Glockenkunde 164; DI 1 (Main- und Taubergrund) Nr. 441.
  6. „Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine: Et homo factus est“.

Nachweise

  1. Herchenröder, Kdm. 29 f.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 2 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0000206.