Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

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DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 1† Trebur, Evangelische Kirche 11. – M. 13. Jh.?

Beschreibung

Weiheinschrift im Chor der ehemaligen Laurentiuskirche. Nach den Angaben Winkelmanns war die Inschrift verstümmelt. Die im Druck gesetzten Semikola bezeichnen offenbar Textlücken, die hier entsprechend wiedergegeben werden. Kürzungen macht Winkelmann in der Regel durch Punkte am Wortende deutlich.

Nach Winkelmann.

  1. [. . .] vi idus ianuarii d. acioa) eclesie [. . .] reliqua [. . .] Jambertib) [. . .] tedec) cingulo ipsius ed) ss. vi. ti.e) [. . .] martir[. . .]

Datum: 8. Januar.

Kommentar

Die Inschrift verzeichnete vermutlich die Weihe der Kirche und die in den Altären enthaltenen Reliquien. Die dem heiligen Laurentius geweihte Kirche verfügte über einen 1518 zum erstenmal erwähnten Laurentiusaltar,1) einen Altar der hl. Anna sowie möglicherweise über einen dritten Altar, dessen Patrozinium nicht bekannt ist.2) Die Weihedaten der Kirche sind ebensowenig bekannt wie die der einzelnen Altäre, doch ist als Terminus ante quem für die Entstehung der Inschrift das Jahr 1527 anzusetzen, da zu diesem Zeitpunkt in Trebur die Reformation eingeführt wurde.3) Ein Terminus post quem läßt sich dagegen kaum ermitteln, da eine Bauuntersuchung zeigte, daß die Kirche in karolingische Zeit zurückgeht.4) Der einzige vage Anhaltspunkt ergibt sich aus dem tede cingulo, das vermutlich aus et de cingulo verlesen ist, denn an der fraglichen Stelle sollte offenbar bekundet werden, daß man sowohl Reliquien vom Körper als auch vom Gürtel des betreffenden Heiligen besaß. Diese Verlesung ist aber nur bei einer ET-Ligatur aus Majuskelbuchstaben und hier vor allem bei der romanischen Majuskel denkbar. So zeigt die zwischen 975 und 1011 entstandene Willigisinschrift aus Eltville für ET eine ET-Ligatur, bei der die Balken des E auf der rechten Seite des T angebracht sind, so daß auch TE gelesen werden kann.5) Dasselbe Phänomen läßt sich an der Trierer Constantius-Inschrift im Wort IACET beobachten.6) Da eine entsprechende Verwendung der TE-Ligatur aus karolingischen und aus gotischen Inschriften nicht bekannt ist, kommt, wenn die oben aufgestellte Hypothese richtig ist, am ehesten die Zeit vom 11. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts für die Entstehung der Inschrift in Frage.

Textkritischer Apparat

  1. Möglicherweise verlesen aus dedicatio, was zum folgenden eclesie paßt. Üblicherweise steht an dieser Stelle die Wendung dedicata est haec ecclesia, vgl. etwa die Beispiele bei Kraus, Inschriften der Rheinlande II Nrr. 142, 162, 464.
  2. So vermutlich statt Lamberti.
  3. Möglicherweise verlesen aus et de.
  4. Wohl statt et.
  5. Die Abkürzungen lassen sich nicht auflösen. Wie das ss. zeigt, geht Winkelmann von der Nennung mehrerer Heiliger aus, doch böte sich auch die Lesung s(ancti) Viti oder s(anctorum) Viti an. Im zweiten Fall müßten noch die Namen weiterer Heiliger gefolgt sein.

Anmerkungen

  1. Würdtwein, Dioecesis Moguntina I 492; Demandt, Kirchenorganisation 154, Nr. 245.
  2. Schenk zu Schweinsberg, Bestand der Superintendentur Darmstadt 634; in die von Schenk zu Schweinsberg edierte Aufzeichnung ist nach der Nennung der beiden Altäre später die Nachricht von einem dritten Altar nachgetragen worden: „hat wol noch 1 altar gehabt aber nit befrundet gewesen“.
  3. Diehl, Reformationsbuch 45; Müller, Ortsnamenbuch 706.
  4. Kiesow, Romanik 258 f.
  5. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 4.
  6. Freundlicher Hinweis von Dr. Rüdiger Fuchs, Mainz; vgl. Kraus, Inschriften der Rheinlande I Nr. 166 und demnächst DI Trier.

Nachweise

  1. Winkelmann, Beschreibung 110.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 1† (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0000107.