Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 314 Ober-Klingen, Evangelische Kirche 1606?

Beschreibung

Bibelzitate als Wandmalereiinschriften im Chor der Kirche. Auf allen drei Chorwänden sind Darstellungen aus der Kindheit Christi angebracht, zu denen später die Inschriften hinzugefügt wurden. Während vor dem Krieg nur die Malerei der Südwand sichtbar war, wurden zwischen 1967 und 1969 auch die Malereien der übrigen Wände mit den Inschriften aufgedeckt.1) Von den Wandmalereien sind im wesentlichen nur noch die Vorzeichnungen erhalten. Die Inschriften zeigen an einigen Stellen deutliche Restaurierungsspuren. An der Chornordwand ist noch schemenhaft die Geburt Christi zu erkennen. In der Bildmitte liegt Maria, und über ihr scheint das Kind in der Krippe dargestellt zu sein.2) Unter dem Bild befindet sich der Anfang von Inschrift (A). Am Übergang der Chornordwand zur Ostwand beginnt die Verkündigung an die Hirten. Auf der Nordwand steht ein nach rechts gewandter Hirte, auf der Ostwand folgen ein Hund und drei Ziegen sowie ein nach links gewandter Hirte, der zum Himmel emporblickt. Schräg über ihm ist das Gesicht eines Engels und seine im Segensgestus erhobene Hand zu erkennen. Über der Darstellung ist die fast völlig verblaßte Inschrift (B) angebracht, und unter dem Bild sind noch zwei Worte der Inschrift (C) erhalten. Auf der Chorostwand folgt rechts des Fensters der Kindermord zu Bethlehem. Links sitzt ein König mit Zepter, rechts von ihm steht ein Krieger, der mit seinem Schwert ein Kind zerteilt. Rechts davon sind zwei weitere Gestalten zu erkennen. Über dem Bild steht das Bibelzitat (D) und darunter ein weiteres Inschriftenfragment (E). Auf der Chorsüdwand schließt sich die Darstellung im Tempel an. In der Bildmitte stehen sich an einem Altar Maria und Simeon gegenüber, der Jesus auf seine Arme nimmt. Am linken Bildrand ist noch eine verblaßte Figur zu sehen, und am rechten Bildrand hält ein Mann mit ausgestreckten Armen ein Tuch vor sich, auf dem sich möglicherweise ursprünglich eine Inschrift befand. Unter dem Bild befindet sich das Bibelzitat (F).

Maße: Bu. 4–4,5 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/9]

  1. A

    bri[ef] Hebr 133)

  2. B

    [. . .]here[. . .]

  3. C

    [. . .] der dich [führet . . .]

  4. D

    Himmel vnd Er[de] werd[e]n [ver]/gehen aber [me]ine Wor[te werden] / nicht [vergehen]4)

  5. E

    [. . .] das [. . .]

  6. F

    R[e]de einer mit dem andern Warheit [. . . / . . . i]edea) [in eu]ren T[o]r[en] und dencke keiner [. . . / . . .]b) wi[d]e[r] seinen Nächsten5)

Kommentar

Die Inschriften zeigen an einigen Stellen deutliche Übermalungsspuren und Restaurierungsfehler. So wurde etwa in Inschrift (F) bei Rede das R zu einem B verrestauriert, und beim ä in Nächsten wurde aus einem einstöckigen a ein n mit zwei darüber gesetzten Punkten gemacht.

Die Wandmalereien lassen sich stilistisch vor allem aufgrund der Haartracht ins 14. Jahrhundert einordnen,6) während die Frakturinschriften erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts möglich sind.7) Die Texte zeigen kaum einen Bezug zu den Szenen, doch nimmt die Anbringung der Inschriften Rücksicht auf die Bildfläche. Die Bilder waren also noch vorhanden, als man die Inschriften hinzufügte. Eine sinnvolle Verknüpfung von Text und Bild wurde aber offensichtlich nicht angestrebt. Die Kirche von Ober-Klingen wurde 1606 umgebaut,8) und im Zuge der Umbaumaßnahmen ließ man vermutlich die Inschriften im Chor anbringen. Zu diesem Zeitansatz paßt auch die Verwendung der Frakturschrift.

Textkritischer Apparat

  1. Von den folgenden Worten sind keine Spuren mehr zu erkennen. Es ist auch nicht ganz klar, wo der Zeilenumbruch erfolgte. Der fehlende Text lautet in der Übersetzung Luthers: „Vnd richtet recht vnd schaffet Friede“.
  2. Vgl. Anm. a; der fehlende Text lautet in der Übersetzung Luthers: „kein Arges in seinem hertzen“.

Anmerkungen

  1. Vgl. Holguin, Ländliche Sakralarchitektur 309 f., Anm. 250.
  2. Vom Bildaufbau vergleichbare Darstellungen aus dem 14. Jh. befinden sich etwa im Chor der ev. Kirche von Mühlheim/Eis (Lkr. Bad Dürkheim), vgl. Glatz, Wandmalerei 282 f. mit Abb. 66 f., und in der Felsenkapelle in Pitten (Niederösterreich), vgl. Lanc, Mittelalterliche Wandmalereien 220 f. mit Abb. 375; für Hinweise zur Identifizierung dieser und der folgenden Darstellungen danke ich Frau Gepa Spitzner, Mainz.
  3. Welcher Vers des 13. Kapitels des Hebräerbriefes hier verwendet wurde, ließ sich nicht klären.
  4. Mt 24,35.
  5. Sach 8,16 f.
  6. Freundlicher Hinweis von Frau Gepa Spitzner, Mainz; vgl. auch Herchenröder, Kdm. 229.
  7. Vgl. Nr. 189 und Einleitung Kap. 5. 6.
  8. Hassia sacra VI 566.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 314 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0031403.