Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 115 Babenhausen, Evangelische Kirche nach 1487 – 1504

Beschreibung

Namensbeischriften im Gewölbe der heutigen Sakristei (ehem. Seitenkapelle). In den äußeren Zwickeln des Gewölbes befinden sich die Symbole der vier Evangelisten, die jeweils ein Spruchband mit der Namensinschrift (A – D) halten. Jedem Evangelistensymbol ist ein Kirchenvater beigesellt, von denen sich jedoch nur zwei eindeutig identifizieren lassen. Dem Löwen des Markus im Osten ist Hieronymus und dem Adler des Johannes im Westen ist Papst Gregor der Große zugeordnet, der an der dreifachen Tiara erkennbar ist. Neben dem Engel des Matthäus im Süden und dem Stier des Lukas im Norden ist jeweils ein an der Mitra erkennbarer Bischof dargestellt. Wer von den beiden Ambrosius von Mailand und wer Augustinus ist, läßt sich jedoch nicht entscheiden, da ihnen eindeutige Attribute fehlen.1) An den Schlußsteinen des Gewölbesterns sind fünf Wappen angebracht: in der Mitte Hanau-Lichtenberg-Isenburg, im Osten Hanau-Lichtenberg, im Norden Hohenlohe, im Süden Wertheim, im Westen Solms-Braunfels. Die Schrift ist in schwarzer Farbe auf hellen Grund gemalt. Als Worttrenner dienen jeweils drei kleine Quadrangeln. Die Farbfassung und die Schriftbänder sind an vielen Stellen restauriert.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/5]

  1. A

    · sanctus · [mathäus]a)

  2. B

    sanctus · · marcus

  3. C

    sanctus · lucas

  4. D

    · sanctus · Iohannes ·

Wappen:
Isenburg-Büdingen/Hanau-Lichtenberg;2) Hanau-Lichtenberg, Hohenlohe,3) Wertheim,4) Münzenberg.5)

Kommentar

Die Inschriften zeigen eine voll entwickelte gotische Minuskel im Vierlinienschema. Das l weist Schaftspaltung auf, und das versale I in Iohannes ist mit Hastenverdoppelung gebildet. Unsicher bleibt jedoch, wieweit einzelne Buchstaben bei der Restaurierung durch Übermalung verändert wurden.

Die auf den Schlußsteinen des Gewölbesterns angebrachten Wappen lassen eine genauere zeitliche Eingrenzung der Deckengestaltung zu. Das Wappen Hanau-Lichtenberg erscheint in Babenhausen zum erstenmal 1480 auf der Grabplatte Philipps I. von Hanau-Lichtenberg.6) Die Wappenkombination Isenburg-Büdingen-Hanau-Lichtenberg kann sich nur auf dessen Sohn Philipp II. beziehen, der mit Anna von Isenburg-Büdingen verheiratet war.7) Als Auftraggeber für die Wandmalereien kommt also nur Philipp II. von Hanau-Lichtenberg in Frage, der die Grafschaft seit 1480 regierte und 1504 starb. Die Anbringung der Wappen und die Ausmalung des Gewölbes dürften zur gleichen Zeit erfolgt sein. Möglicherweise war die Anbringung der Wappen eine Reaktion auf die Ausschmückung der Hanauer Marienkirche durch Philipp den Jüngeren von Hanau-Münzenberg. Als deutlichen Hinweis auf die Legitimität seiner Herrschaft ließ er das Gewölbe des neuen, 1487 geweihten Chores mit sechs großen und 44 kleineren Wappen seiner Ahnen schmücken.8)

Textkritischer Apparat

  1. Von der ursprünglichen Schrift des Namens sind drei Hasten noch zu erkennen; mathäus wurde auf dem Spruchband etwas nach hinten versetzt völlig neu geschrieben, so daß sich die ursprüngliche Schreibweise des Namens nicht mehr rekonstruieren läßt.

Anmerkungen

  1. Die Malerei weicht von oft gebrauchten Schemata ab. So wird Gregor der Große sonst häufig mit dem Stier des Lukas verbunden, vgl. A. Thomas, Gregor I., in: LCI 6 (1974) 437, und Hieronymus mit dem Engel des Matthäus, vgl. R. Miehe, Hieronymus, in: LCI 6 (1974) 522 f.
  2. Quadriert: 1. Isenburg-Büdingen, 2/3. Lichtenberg, 4. Hanau; das Wappen Isenburg-Büdingen (in Silber zwei schwarze Balken) hat hier irrtümlich in Gold zwei rote Balken.
  3. Großmutter Philipps II. mütterlicherseits; vgl. hierzu und zu den folgenden Anmerkungen Europ. Stammtafeln NF 16, Taf. 159 und Taf. 161.
  4. Urgroßmutter Philipps II. väterlicherseits.
  5. Urahnin Philipps II. väterlicherseits.
  6. Vgl. Nr. 72.
  7. Zu ihnen vgl. die vorangehende Nr. und Nr. 150.
  8. Zimmermann, Hanau 68.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 115 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0011508.