Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 112† Leeheim, Evangelische Kirche E. 15. – A. 16. Jh.?

Beschreibung

Lehrgedicht in der Kirche. Weder der genaue Anbringungsort noch die Ausführung werden von Winkelmann mitgeteilt.

Nach Winkelmann.

  1. Hac Domino cultus peraguntur in aede supremoAuctor quos sanxit filius ipse deiMortales cuncti feriuntur fulmine legisVox evangelii territa corda levatSolus adoratur Dominus qui trinus et unusConcinitur grato pectore dulce melosAbluit infantes sacri baptismatis undaIanua coelestis clave reclusa patetVera datur cum pane mero caro sanguis IesuStips sacra colligitur qua relevetur egensCoepta piis thalami firmantur foedera dictisHis tutela Deus sis via vita salus

Übersetzung:

In diesem Haus wird die Feier für unseren höchsten Herrn vollzogen, welche der Sohn Gottes selbst als Stifter eingesetzt hat. Alle Sterblichen werden durch den Blitzstrahl des Gesetzes getroffen, aber die Stimme des Evangeliums richtet die erschrockenen Herzen auf. Ein einziger Gott wird angebetet, der drei und einer ist, und aus dankbarer Brust läßt man den süßen Gesang erschallen. Das Wasser der heiligen Taufe wäscht die Kinder rein, und die durch den Riegel verschlossene Himmelstür steht offen. Mit Brot und Wein wird in Wahrheit das Fleisch und das Blut Christi gereicht. Die heilige Spende wird eingesammelt, durch welche der Arme aufgerichtet wird. Durch fromme Worte wird der Beginn des Ehebundes gefestigt. Dafür mögest du, Gott, der Schutz, der Weg, das Leben und das Heil sein.

Versmaß: Sechs Distichen.

Kommentar

Die Inschrift erläutert verschiedene Inhalte der Meßfeier. Durch das Evangelium wird den Menschen die Frohbotschaft der Erlösung von den Sünden und der Hoffnung auf die Wiederauferstehung verkündet, und durch den Gesang wird der dreieinige Gott verehrt. Dann werden die Sakramente der Taufe, der Eucharistie und der Ehe genannt. Dazwischen wird noch die Kollekte erwähnt, durch die den Armen geholfen wird. Die Inschrift muß folglich vor der Reformation entstanden sein, die 1536 in Leeheim eingeführt wurde.1) Inschriften gleichen Inhalts sind bisher unbekannt, doch bilden die am Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts entstandenen Mahninschriften, die sich mit dem richtigen Vollzug des Gebets2) und dem richtigen Umgang mit liturgischen Geräten3) beschäftigen, eine gewisse Parallele. Einen weiteren Anhaltspunkt für die Datierung der Inschrift bietet ihre Abfassung in ungereimten Distichen. In der Zeit vom 13. bis zum 15. Jahrhundert wurden vorwiegend gereimte Hexameter und Distichen verwendet,4) und erst in den letzten 20 Jahren des 15. Jahrhunderts setzt die regelmäßige Verwendung ungereimter Distichen wieder ein.5) Die Inschrift entstand demnach vermutlich gegen Ende des 15. oder zu Anfang des 16. Jahrhunderts.

Anmerkungen

  1. Diehl, Reformationsbuch 55.
  2. Vgl. Nr. 110 und die dort genannten Beispiele.
  3. Vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 318.
  4. Vgl. dazu Auswertung gereimter Inschriften durch den Bearbeiter in DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 103, 99 mit Anm. 5.
  5. Vgl. DI 2 (Mainz) Nr. 195 (1482); DI 12 (Heidelberg) Nr. 205 (1512); DI 29 (Worms) Nr. 282 (um 1479?), Nr. 317 (1488); DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 180 (1494); DI 38 (Lkr. Bergstraße) Nr. 67 (1482); DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 274 (nach 1486); der einzige frühere Beleg ist DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 196 (1443?), dessen Datierung jedoch unsicher ist.

Nachweise

  1. Winkelmann, Beschreibung 108.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 112† (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0011201.