Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 72 Babenhausen, Evangelische Kirche 1480

Beschreibung

Grabplatte des Grafen Philipp I. (des Älteren) von Hanau-Lichtenberg. Die Platte aus rotem Sandstein liegt im Chor vor dem Hauptaltar. Auf ihr sind Metalleisten befestigt, auf denen die Inschrift umläuft. Die Worttrenner sind als Rauten gestaltet. Im Feld befindet sich ein metallenes Vollwappen, das aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist.1)

Maße: H. 246, B. 119, Bu. 8,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. An(n)o · d(omi)ni · m · cccc · lxxx · iar · vff / mitwoch · vigilia · ase(n)sio(n)is · starb · der · wolgebor(n)n · philips · graf · zv · ha(n)/nav · vn(d) · her · zv · liechte(n)berg · zv / ingwyl(e)r · vn(d) · lyt · hie · begrabe(n) · des · sel · de(r) · almechtig · got · barmhe(r)czig · sy

Datum: 10. Mai 1480.

Wappen:
Hanau-Lichtenberg.

Kommentar

Das versale A in Anno ist aus der Grundform des unzialen A der gotischen Majuskel abgeleitet. Die linke Haste ist jedoch verdoppelt, der Deckbalken geschwungen, und der Mittelbalken fehlt. Die Minuskeln stehen unregelmäßig in der Zeile. Die Unterlängen sind im Gegensatz zu den Oberlängen kaum ausgeprägt. Die Haste des g endet unten mit einer ausgeprägten Rechtsbrechung, ohne eine wirkliche Unterlänge zu besitzen, und beim p ist die Unterlänge nur angedeutet. Die Buchstaben b, h und l sind mit Schaftspaltung gebildet. Das w ist aus einer i-Haste und einem v zusammengesetzt. Die r-Kürzung wird durch einen Haken angezeigt.

Philipp war der zweite Sohn Graf Reinhards II. von Hanau und der Katherina von Nassau-Beilstein.2) Ihm war ursprünglich die Heirat untersagt, da sein Bruder Reinhard III. und dessen Nachkommen die Herrschaft ungeteilt weiterführen sollten. Reinhard III. starb jedoch schon 1452, als sein einziger Sohn Philipp (der Jüngere) erst zwei Jahre alt war. Daraufhin wurde 1458 die Hausordnung geändert und die Grafschaft zwischen Philipp d. Ä. und seinem gleichnamigen Neffen geteilt. Philipp d. Ä. erhielt nun die Heiratserlaubnis und heiratete noch in demselben Jahr Anna, die Tochter Ludwigs V. von Lichtenberg.3) Da Ludwig V. neben Anna nur noch eine weitere Tochter Elsa hatte, fiel die halbe Herrschaft Lichtenberg nach seinem Tod 1471 an Philipp von Hanau. Dieser einigte sich jedoch mit dem Grafen Friedrich von Zweibrücken-Bitsch als zweitem Erben darauf, mit der Inbesitznahme der Herrschaft Lichtenberg zu warten, bis auch Jakob, der Bruder Ludwigs V. von Lichtenberg, gestorben war. Da Jakob aber erst am 5. Januar 1480 verstarb, konnte Philipp sein Erbe kaum noch nutzen.4) Er starb nur wenige Monate später in Ingweiler (Dép. Bas-Rhin), das zu seinem neuen Herrschaftsgebiet gehörte.

Bei der Teilung von 1458 hatte Philipp u. a. Babenhausen erhalten und verlegte seine Residenz dorthin.5) Dies führte ab 1460 zu Umbaumaßnahmen am Schloß.6) Philipp ließ auch das Langhaus der Babenhausener Kirche neu errichten, das 1472 fertiggestellt wurde.7) Vermutlich bestimmte er schon zu diesem Zeitpunkt die Kirche zur Grablege der von ihm begründeten Linie Hanau-Lichtenberg.

Anmerkungen

  1. Zur Werkstattfrage vgl. Nr. 59.
  2. Spieß, Familie 178 und 221; Europ. Stammtafeln NF 16, Taf. 159.
  3. Lehmann, Hanau-Lichtenberg II 409 – 413; Spieß, Familie 220 – 223; zu Anna vgl. Nr. 61.
  4. Vgl. Eyer, Territorium 43 und 108; Spieß, Familie 103 f. und 223 mit Anm. 110 und 111.
  5. Zur Aufteilung des hanauischen Gebiets vgl. Lehmann, Hanau-Lichtenberg II 411 und Spieß, Familie 222 f.
  6. Vgl. Nr. 43.
  7. Vgl. Nr. 54.

Nachweise

  1. Blum, Stadtkirche 360.
  2. Steiner, Bachgau III 136.
  3. Müller, Stadtkirche I 16.
  4. Herchenröder, Kdm. 28.
  5. Herchenröder/Rock, Führer 47.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 72 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0007202.